Hamburg. Universitätspräsident Dieter Lenzen über die Akkreditierung von Studiengängen und wie seine Hochschule damit umgeht

Der Fall des Absolventen der Universität Hamburg, der seinen Traumjob nicht bekam, weil sein Studiengang nicht akkreditiert war, hat für Furore gesorgt – und ein Schlaglicht auf das Problem geworfen. Während an der TU Harburg 36 von 42 Bachelor- und Masterstudiengängen akkreditiert sind (57,7 Prozent), sind es an der Universität Hamburg nur 5,9 Prozent. Im Interview erklärt Uni-Präsident Dieter Lenzen, warum.

Ein BWL-Absolvent wurde bei der Jobsuche von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) abgelehnt, weil sein Studiengang nicht akkreditiert ist. Ein Einzelfall?

Prof. Dieter Lenzen: Ja, das ist ein Einzelfall; andere Fälle sind uns nicht bekannt geworden. Das ist auch nicht erstaunlich, denn die Anforderung der BaFin, bei der sich der BWL-Absolvent beworben hatte, dürfte gegen den Grundsatz der Bestenauslese gemäß Artikel 33 Abs. 2 GG verstoßen und wäre dann rechtswidrig. Denn: Weder die Bundeslaufbahnverordnung noch die Verwaltungsvorschrift zu dieser Verordnung vom Juni 2013 verlangen, dass der Bachelor- beziehungsweise Masterstudiengang einer staatlichen Universität akkreditiert sein muss. Die Behörde hat vielmehr dem oben genannten Grundsatz der Bestenauslese zu folgen, und jeden Bewerber individuell zu prüfen. Eine pauschale Ablehnung wäre demnach unzulässig.

Haben Absolventen von nicht akkreditierten Hamburger Studiengängen nach Ihrer Kenntnis auf dem Arbeitsmarkt Nachteile?

Nein, auf keinen Fall. Jeder Personalverantwortliche, der sich auskennt, weiß, dass die Uni Hamburg zu den in „German U15“ zusammengeschlossenen, leistungsfähigsten Forschungsuniversitäten gehört. Das sollte genügen.

Sind Ihre Studenten nach Bekanntwerden dieses Falls verunsichert?

Wir haben einige Briefe von Eltern und sogar Großeltern erhalten, die die Berichterstattung insbesondere im Fernsehen gesehen haben. Deswegen bin ich dankbar, dass uns das Abendblatt die Gelegenheit gibt, zu versichern, dass qualifizierte Absolventen der Universität Hamburg die besten Berufsaussichten haben. Dafür gibt es immer wieder Belege in Form dankbarer Zuschriften.

Warum hat sich die Uni Hamburg so viel Zeit gelassen mit den Akkreditierungsverfahren, die die Kultusministerkonferenz (KMK) bereits 2004 beschlossen hat?

Das System der Akkreditierung ist aus den USA importiert worden, weil sich der Staat aus der Genehmigung von Studienordnungen zurückziehen wollte und die Verantwortung dafür an private Agenturen abgetreten hat. Dieses wurde von vielen für verfassungswidrig gehalten, sodass das Bundesverfassungs­gericht sich mit dieser Frage befassen musste. Das hat leider viele Jahre gedauert. Und in der Tat: Die Grundlagen für die Akkreditierung wurden für verfassungswidrig erklärt. Eine gesetzliche Vorschrift gibt es in Hamburg erst seit Ende 2014, allerdings ohne Nennung einer Frist, innerhalb der die Akkreditierungen erfolgt sein müssen.

Andere Hochschulen sind da sehr viel weiter – bundesweit ist die Hälfte der Studiengänge zertifiziert, an der Uni Hamburg nur 5,9 Prozent.

Richtig. Das heißt aber auch, die Hälfte der Studiengänge ist nicht akkreditiert, weil auch viele andere Hochschulen die Rechtsprechung abgewartet haben. Im Übrigen ist die Akkreditierung kein „Gütesiegel“ über die Qualität des Unterrichts, sondern lediglich die Feststellung formaler Bedingungen wie zum Beispiel, dass nicht zwei Pflichtveranstaltungen zur gleichen Zeit angeboten werden sollen oder dass die Zahl der Lehrenden ausreichend ist. Mit der Qualität des Lehrpersonals oder des Unterrichts hat die Akkreditierung nichts zu tun.

Die Arbeitgeberverbände halten die Akkreditierung für sinnvoll – anderswo gibt es aber auch Einwände. Was halten Sie von dem Gütesiegel?

Inzwischen kritisieren auch Arbeitgeber das System, schon allein wegen der hohen Kosten. Das gilt auch für viele andere Verbände wie den Deutschen Hochschulverband, die Interessenvertretung der Professoren in Deutschland. Aus diesem Grunde schlägt die Hochschulrektorenkonferenz vor, das Akkredi­tierungssystem durch ein Auditierungssystem zu ersetzen, in dem die Hochschulen bei der Gestaltung ihrer Studiengänge vorrangig beraten werden. Leider scheint die KMK in dieser Frage erneut beratungsresistent zu sein. Das ist etwas rätselhaft, wenn man bedenkt, dass das Akkreditierungswesen in den USA, woher es kommt, selbst stark in der Kritik steht.

Muss die Universität alle Studiengänge akkreditieren lassen, wenn sie in der Exzellenzinitiative des Bundes Erfolg haben will?

Der neue Exzellenzwettbewerb ist ein Forschungswettbewerb und kein Wettbewerb in der Lehre. Da in der Welt in den Köpfen zurzeit alles durcheinanderzugeraten scheint, werden wir trotzdem vorsichtshalber die Akkreditierungs­prozesse beschleunigt zu Ende führen. Ohnehin können nur Bachelor- und Masterstudiengänge akkreditiert werden; staatliche Studiengänge wie zum Beispiel­ Medizin, Veterinärmedizin, Pharmazie­, Rechtswissenschaft hingegen nicht. Das Akkreditierungswesen ist also nur eine Folge der unseligen Bologna-Reform.