Hamburg. Ursachen sind Zuwanderung und höhere Geburtenrate. Fast die Hälfte hat einen Migrationshintergrund

Das Hamburger Schulsystem ist rekordverdächtig, jedenfalls was die Zahlen angeht: Exakt 191.148 Jungen und Mädchen besuchen die 409 allgemeinbildenden staatlichen und privaten Schulen. Das bedeutet erneut einen Zuwachs um 2530 Schüler (plus 1,3 Prozent) gegenüber dem Vorjahr. Seit 2010 hat sich die Zahl der Schüler sogar um sieben Prozent erhöht. Die Marke von 190.000 Schülern wurde zuletzt 1983 erreicht.

Verantwortlich für den Zuwachs sind in erster Linie die Kinder und Jugendlichen, die hierher geflüchtet sind. „Die Flüchtlingskinder machen rund 60 Prozent des Anstiegs aus. Rund 40 Prozent kommen aus Eutin, Reinbek oder Dortmund, aber es gibt auch mehr Geburten“, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD) bei der Vorstellung der Schülerjahresstatistik 2016/17, die auf Daten basiert, die im September 2016 erhoben wurden.

Noch stärker als die Zahl der Schüler ist die Zahl der Lehrer gestiegen. Gegenwärtig weist der Haushalt der Schulbehörde genau 15.259 Pädagogenstellen aus – das sind 2333 oder 18 Prozent mehr als vor sechs Jahren. Der mit Abstand größte Teil sind Lehrer, aber es gibt auch 2068 (2010: 1266) Stellen für Sozialpädagogen und Erzieher.

Verantwortlich für den Ausbau der Pädagogenstellen ist zum einen die gestiegene Zahl der Schüler. „Aus diesem Grund haben wir 950 Stellen zusätzlich geschaffen“, sagte Rabe. Der größere Teil – 1383 Stellen – geht aber auf Qualitätsverbesserungen an den Schulen zurück: kleinere Klassen, Inklusion von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Regelschulen und Ganztagsschulbetrieb.

Für den Unterricht im Rahmen der Inklusion sind 1139 Lehrerstellen nötig, davon allein für Kinder mit Förderbedarf in den Bereichen Lernen, Sprache sowie soziale und emotionale Entwicklung (LSE) 676 Stellen. Nach einem deutlichen Anstieg im Zuge der Einführung der Inklusion von 2011 an hat sich der Anteil der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf bei 6,9 Prozent eingependelt.

Die Schüler-Lehrer-Relation hat sich deutlich verbessert: Auf einen Lehrer kommen 13,3 Schüler – im Schuljahr 2010/11 waren es noch 14,3. Am stärksten hat die Stadtteilschule von der Entwicklung profitiert: Eine Schule mit 1000 Schülern hatte vor sechs Jahren Anspruch auf 78 Pädagogen, jetzt sind es 93. Anders ausgedrückt: Stadtteilschulen haben fast 40 Prozent mehr Lehrer als Gymnasien.

Das Abitur bleibt der „Haupt“-Schulabschluss: Von 16.968 Schulabgängern im Sommer 2016 erlangten 9420 Schüler (55,5 Prozent, Vorjahr: 54,6) die allgemeine Hochschulreife. „Es gibt allerdings erste Anzeichen dafür, dass der rasante Anstieg der vergangenen Jahre langsam abflacht“, sagte Rabe. Die Fachhochschulreife schafften 815 junge Menschen (4,8 Prozent), den Realschulabschluss 3136 (18,5 Prozent) und den Hauptschulabschluss nur noch 2605 (15,4 Prozent).

Wenig erfreulich ist der erneute Anstieg der Schüler, die ohne Abschluss die Schule verlassen. Die Statistik weist 992 Jungen und Mädchen in dieser Gruppe aus – das sind 5,8 Prozent aller Schulabgänger. Im Schuljahr 2013/14 lag die Quote schon einmal bei 4,8 Prozent. Rabes Erklärung: „Etliche, die ohne Abschluss blieben, wurden früher von den Schulen nicht als solche in die Statistik eingetragen. Sie gingen häufig ja noch weiter auf die Berufsschule“, sagte der SPD-Politiker. Dort hole dann noch fast die Hälfte dieser Schüler in der Tat den Hauptschul­abschluss nach. Fast die Hälfte aller Hamburger Schüler – 45,9 Prozent – hat einen Migrationshintergrund.

„Die Zahlen sind eindringlicher Beleg für die immensen Herausforderungen, vor denen das Hamburger Schulsystem steht“, sagte die CDU-Schulpolitikerin Karin Prien. „Genannt seien fast 50 Prozent Schüler mit Migrationshintergrund und an mancher Schule bis zu 100 Prozent, die Integration von Flüchtlingen und gleichzeitig der weitere Ausbau der inklusiven Beschulung.“ Dafür fehlten überzeugende Konzepte. Das Gleiche gelte für den erneuten Anstieg der Abiturientenzahlen und den Bedeutungsverlust des Haupt- und Realschulabschlusses.

„Wenn Rot-Grün doch so viele Ressourcen in das Schulsystem pumpt, lässt sich überhaupt nicht erklären, warum Hamburgs Schüler in allen Vergleichsarbeiten und Vorabi-Klausuren regelmäßig so schlecht abschneiden“, sagte Anna von Treuenfels-Frowein (FDP). „Die bloße Verkleinerung der Klassen ist nur eine Scheinbekämpfung von Symptomen. Das Schulsystem ist weiterhin bildungsinflationär und wenig leistungsorientiert“, sagte Alexander Wolf (AfD). Für Sabine Boeddinghaus (Linke) ist die Ausstattung mit Sonderpädagogen für die Inklusion „nach wie vor nicht ausreichend“.