Hamburg. Buch untersucht Verzögerungen in der Justiz: Beamtenmäßiges Arbeitsverständnis
Was ist die Ursache für die teils schleppende Arbeit der Justiz? Um dieser Frage in seinem neuen Buch „Ende der Wahrheitssuche“ auf den Grund zu gehen, hat der Hamburger Jurist und Journalist Joachim Wagner, der mehr als zehn Jahre das ARD-Politmagazin „Panorama“ geleitet hat, mit 190 Richtern gesprochen. Ein gravierendes, immer wieder geschildertes Problem sei die ungerechte Arbeitsverteilung zwischen den Gerichtszweigen und Richtern. Bestimmte Richter bekämen beispielsweise immer wieder besonders komplexe Verfahren auf den Tisch. Wagner: „Viele Richter sind zwar fleißig, aber nicht sonderlich effizient – weil die Organisation zu wünschen übrig lässt.“
Dass aus der Gerichtsbarkeit immer wieder Klagen über zu hohe Belastung zu hören sind, führt der Journalist darauf zurück, dass nur die wenigsten Richter bereit seien, dauerhaft über 40 bis 42 Stunden Arbeitszeit pro Woche hinauszugehen, etwa um die Bestände (Altverfahren) abzuarbeiten. Doch diese Bereitschaft erfordere das Amt häufig. Viele Richter verharrten aber lieber in ihrem Trott. „Es herrscht ein eher beamtenmäßiges Verständnis der Arbeit vor“. Dabei hält Wagner ein „akademisches Übersoll“ von drei Stunden pro Woche für vertretbar, zumal die Richter neben einem auskömmlichen Verdienst auch zahlreiche Privilegien hätten.
70 Prozent der Befragten gaben keine idealistischen Motive für ihre Berufswahl an, etwa einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, sondern pragmatische Gründe wie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie die freie Arbeitszeiteinteilung. Viele seien inzwischen desillusioniert, weil doch mehr Arbeit anfalle als zunächst gedacht. Die größte Gruppe unter den Richtern seien „frustrierte Anwälte“, die sich für eine Laufbahn als Richter entschieden hätten, weil sie die Abhängigkeit von ihren Mandanten oder eine Interessenvertretung gegen ihre innere Überzeugung auf Dauer nicht ertragen hätten.
Wie lassen sich Deutschlands Richter motivieren? Finanzielle Leistungsanreize für besonders effiziente Richter zu schaffen, sei mit dem Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit nicht vereinbar. Besser sei es, eine Beförderungsperspektive auch für Richter jenseits der 50 zu erhalten, so Wagner.