Rotherbaum. Aktion an den katholischen Gymnasien vermittelt Jugendlichen Techniken, um Parolen von Rechtsradikalen entkräften zu können

„Schwule sind Weicheier“, „Amerikaner sind dick“ und „Flüchtlinge sind Sozialschmarotzer“. Akribisch schreibt Klassenlehrerin Susen Bierbaß mit Kreide an die Tafel, was die Jungen und Mädchen der Klasse 9b ihr zurufen. An diesem Vormittag geht es an der Sophie-Barat-Schule um besondere Unterrichtsinhalte – nämlich um Vorurteile und Stereotypen. Vor allem aber geht es darum, wie man gegen Rechtspopulismus argumentieren kann.

Auf Facebook sind rassistische Äußerungen alltäglich, die Rechten in Europa bekommen immer mehr Zulauf. Es sind Zeiten, in denen vielleicht noch mehr als ohnehin schon Haltung gegen rechts gezeigt werden muss. Am besten schon in jungen Jahren. Das finden auch der Bund der Deutschen katholischen Jugend (BDKJ) und die Katholische Studierenden Jugend Hamburg (KSJ) und haben aus diesem Grund die Aktion „Mit Toleranz gegen rechts“ gestartet. An den drei katholischen Gymnasien in Hamburg sollen Schüler in zwei Aktionswochen stark gemacht werden, um klare Kante gegen Fremdenfeindlichkeit zeigen zu können.

Oliver Trier ist zu Besuch bei der 9b. Der Bildungsreferent versucht, den Schülern ein Argumentationstraining zu vermitteln, mit dem die 14 und 15 Jahre alten Jungen und Mädchen vorbereitet werden auf Diskussionen auf Stammtisch-Niveau. Solche „Vorurteils-Seminare“ sollen das Engagement für Demokratie und Meinungsfreiheit im Alltag unterstützen.

Gymnasiasten üben Diskussionen in Rollenspielen

Nur ist das mit dem Argumentieren gar nicht so leicht. Das lernen Dominik, Benjamin, Elise, Antonia und ihre Mitschüler in Rollenspielen. Die einen übernehmen den Part, der die Parolen hinausrufen darf. Die anderen müssen versuchen, mit Argumenten und Fakten zu kontern. Deutlich wird: Es ist leichter, Parolen herauszuschreien. Jeder hat sie parat – auch wenn man sie inhaltlich nicht teilt. Einige haben die Rolle der Homophoben eingenommen, sie rufen „Schwule sind widernatürlich“ und „In der Bibel steht, Gott hat Mann und Frau geschaffen. Das soll so sein“. Dann kommen andere Sätze wie „Flüchtlinge nehmen uns die Arbeitsplätze weg“, „Sie klauen unsere Frauen“, „Das sind alles Terroristen“. Das klingt seltsam aus den Mündern dieser Gymnasiasten. Und es klingt auch erschreckend, weil solche Hetzreden so oder so ähnlich immer wieder zu hören und in Kommentaren zu lesen sind.

Die Schüler, die mit Argumenten dagegen angehen? Sie gehen unter in diesem ersten Rollenspiel, dringen kaum durch gegen die lauten Hetzer. Diese Erfahrung macht auch Antonia, die Parolen rufen durfte: „Man redet sich in Rage. Einfach so, ohne nachzudenken, und haut sämtliche Vorurteile raus.“ In diesem Workshop darf sie das. Janne auf der anderen Seite der Schülergruppe dagegen musste lernen, „dass es extrem schwer ist, Vorurteile zu entkräften.“ Vor lauter Unvernunft auf der Gegenseite komme man nicht zum Argumentieren, sagt Leonard.

Aber genau das sei wichtiger denn je, sagt Workshopleiter Oliver Trier. Wer fremdenfeindliche, sexistische und rassistische Sprüche einfach unkommentiert stehen lasse, biete dem Sprücheklopfer keinen Kontrapunkt, und derjenige fühle sich im Recht. „Denjenigen kann ich nicht unbedingt bekehren, aber alle um ihn herum, die zuhören und nichts sagen, rege ich vielleicht zum Nachdenken an“, sagt Trier in Richtung der Schüler. Er hofft, dass sie ein paar der Methoden, die er heute im Ansatz vermittelt hat (siehe Kasten rechts), später nutzen werden.

Jörg Menge von der Initiative „Laut gegen Nazis“ ist begeistert von der Aktion: „Wir brauchen viel mehr solcher Workshops an den Schulen“, sagt er – und appelliert an alle Hamburger Lehrer, selbst Initiative zu ergreifen.