Hamburg. Die Sprache, das Arbeitstempo, die deutsche Perfektion, das Heimweh – wirklich glücklich ist mit dem Experiment keiner geworden.

Der Wellensittich hockt auf einem Zementsack und putzt sein gelbes Gefieder. Für einen Moment wirkt es so, als könne er sich nicht entscheiden. Hinaus in die weite Welt. Oder doch zurück in den Käfig, dessen Tür immer offen steht „Keine Sorge, Chipy fliegt nicht weg, der weiß ja, wo sein Futter liegt“, sagt Juan Francisco Cuello (35). Bretter und Rohre lehnen hinter ihm an der unverputzten roten Ziegelwand; allein ein blau-weiß gestreifter Campingstuhl lädt in dem Baustellen-Chaos zum Sitzen ein. „Meine Freundin und ich sind noch lange nicht fertig“, sagt Cuello. Der Umbau des kleinen Reihenhauses in einer Seitenstraße in Molina de Segura, eine Autostunde vom Flughafen Alicante an der Costa Blanca entfernt, werde noch Monate dauern. Erst müssten sie wieder Geld sparen.

Die Suche nach Heimat, die Sorge um die Existenz, ja, das Leben als Baustelle – darum wird es in dieser Geschichte gehen. Begonnen hat sie drei Jahre zuvor und 2000 Kilometer nordöstlich.

Vermittlung über private Agentur

An einem nasskalten Septemberabend 2013 landen Cuello und Isaac Bañuls in Fuhlsbüttel. Der Mann, der sie in Empfang nimmt, hat ihre Namen zur Sicherheit ausgedruckt – Frank Körbelin, Inhaber der Jenfelder Bauklempnerei Auf der Hart, kennt nur die Fotos und die Lebensläufe der Spanier. Dennoch hat er für die Vermittlung der beiden Klempner 7000 Euro an eine private Agentur überwiesen.

In dieser Nacht beginnt ein Arbeitsverhältnis der globalisierten Wirtschaftswelt: Zwei spanische Handwerker heuern in einem Land an, in dem sie zuvor noch nie waren. Kennengelernt haben sie sich erst am Flughafen in Valencia, für beide ist es der erste Flug. Einziges Rüstzeug: ein Crashkurs Deutschland – 168 Stunden bei einer Sprachlehrerin sowie ein kurzes Praktikum bei einem deutschen Installateur, der in der Nähe von Valencia lebt. Denn in ihrer Heimat sind sie ohne Ausbildung in ihre Jobs gerutscht.

Viele Aufträge,
zu wenig Personal:
Unternehmer
Frank Körbelin,
Inhaber der
Bauklempnerei
Auf der Hart
Viele Aufträge, zu wenig Personal: Unternehmer Frank Körbelin, Inhaber der Bauklempnerei Auf der Hart © HA | Marcelo Hernandez

In den folgenden zehn Monaten begleiten Abendblatt-Reporter in der Serie „Hamburgs neue Gastarbeiter“ die spanischen Handwerker auf Baustellen, in der Sprachschule, auf der Reeperbahn, sogar bei der Firmen-Weihnachtsfeier. Dann wird der Kontakt seltener, die Flüchtlingswelle erreicht Hamburg. Im medialen Trommelfeuer mit der verzweifelten Suche nach Not-Unterkünften, mit großen Hilfsaktionen und Protesten verschwinden Bañuls und Cuello etwas vom Radarschirm der Redaktion.

Eine erste Kontaktaufnahme im vergangenen Jahr über Facebook lassen beide lange unbeantwortet. Cuello meldet sich dann als Erster, schreibt, dass er wieder nach Spanien zurückgekehrt sei. Und, nein, eigentlich möchte er nicht mehr, dass wir über ihn schreiben, am Ende stünde er als jemand da, der in Deutschland gescheitert sei. Dann antwortet auch Bañuls: Er lebe zwar noch in Hamburg, sei aber so im Stress, dass er einfach keine Zeit habe.

Wirtschaftskrise noch lange nicht vorbei

Cuello lässt sich nach mehreren Mails umstimmen, wir treffen ihn an einem lauen Abend in La Alcayna, einer Trabantenstadt von Molina de Segura, eine Autostunde vom Flughafen Alicante entfernt. Die vielen „Se vende“-Schilder, hineingerammt in die Vorgärten, lassen erahnen, dass die Wirtschaftskrise in Spanien noch lange nicht vorbei ist. Jeder Fünfte hat keinen Job, seit 2008 haben 500.000 Spanier ihre Heimat aus wirtschaftlichen Gründen verlassen.

Hinter einem rot verputzten Haus schraubt Cuello eine Unterwasserlampe in einen blau gekachelten Pool. Er hat die Besitzer höflich gefragt, ob wir ein paar Fotos machen dürfen. „Ich darf hier nichts riskieren“, sagt er. Den Job bei der Poolbau-Firma hat er erst seit ein paar Wochen, ein Glücksfall, viel besser als das Stapeln von Tüten mit Gummibärchen in seinem ersten Job nach seiner Rückkehr nach Spanien.

Später besuchen wir ihn in Molina de Segura. In der schmalen Seitenstraße kleben winzige Häuser aneinander, jedes vierte gleicht einer Ruine, die Stromleitungen hängen frei vor den Fassaden über den Hausnummern. „Auch dieses Haus war fast verfallen, meine Freundin hat es von ihrer Tante geerbt“, sagt Cuello. Stolz zeigt er das Erdgeschoss mit dem neuen Badezimmer, der Küche, dem Wohnzimmer. Im Obergeschoss stehen Zementwannen und Farbeimer; gern würde Cuello zügiger sanieren, aber ihm fehlen 8000 Euro. Und einen Kredit, nein, den werden die beiden nicht mehr aufnehmen. Hunderttausende Spanier haben alles verloren, als die Immobilienblase 2009 platzte. Auch Cuellos Vater und Bruder wurden arbeitslos, konnten den Kredit für die Eigentumswohnung nicht mehr bezahlen.

Das Leben ist eine Baustelle: Spanien-Heimkehrer
Juan Francisco Cuello mit
seiner Freundin Leticia Guillermo vor ihrem Haus in Molina de Segura
Das Leben ist eine Baustelle: Spanien-Heimkehrer Juan Francisco Cuello mit seiner Freundin Leticia Guillermo vor ihrem Haus in Molina de Segura © HA | Marcelo Hernandez

Auf dem Wohnzimmertisch liegt ein Fotoalbum, ein Geschenk seiner Freundin. Cuello zeigt die Bilder, ein Streifzug durch seine Hamburger Zeit. Alster, Michel, Hafen, fast alle Bilder sind bei Besuchen seiner Freundin in der Hansestadt entstanden. Das letzte Foto zeigt Cuello lachend Arm in Arm mit Freunden in einer Pizzeria bei den Landungsbrücken, ein Bild seiner Abschiedsparty im März 2015.

Und warum hat er Hamburg wieder verlassen? Cuello zögert mit seiner Antwort, eines ist ihm vorab ganz wichtig: „Meine Kollegen haben mich super aufgenommen, überhaupt waren die Hamburger sehr lieb zu mir, bitte schreibt das“, sagt er. Dann aber sei seine Mutter in Spanien schwer krank geworden: „Mama hatte Krebs, ich wollte bei ihr sein und habe gekündigt. Jetzt geht es ihr zum Glück wieder besser.“

Theoretisch könnte er also zurück, sicherer als in der Pool-Firma wäre sein Arbeitsplatz in Hamburg allemal. Und der Verdienst mit rund elf Euro auch; sein neuer Chef zahlt nur sieben Euro die Stunde, Überstunden werden gar nicht vergütet. Dennoch gefalle ihm die Arbeit in Spanien besser: „In Hamburg war der Druck enorm, auf den Baustellen musste alles schneller und schneller gehen. Hier können wir uns mehr Zeit lassen.“ Und dann dieser deutsche Perfektionismus, dieses Arbeiten auf den Millimeter genau.

Cuello verliebte sich kurz vor seiner Abreise

Am Abend treffen wir Cuello mit seiner Freundin Leticia in einer Tapas-Bar. Cuello lässt über drei Stunden heimische Spezialitäten und Wein auffahren. Dieses Genießen-Können, sagt er, habe ihm in Hamburg gefehlt: „Warum schlingt ihr eigentlich im Gehen Nudeln aus Pappboxen?“, fragt er. Er taut langsam auf, lässt tiefer in seine Seele schauen, spricht auch über seinen schweren Start in Hamburg. Oft sei er abends im Sprachkurs vor Müdigkeit nach einem ganzen Tag auf den Bau fast eingeschlafen.

Mit Isaac sei es in der WG in Wilhelmsburg auch nicht einfach gewesen, außer dem Wunsch nach einer sicheren Arbeitsstelle habe beide nichts verbunden. Und dann die Sehnsucht nach seiner Freundin, die beiden hatten sich ein paar Wochen vor seiner Abreise verliebt. Leticia sagt, dass sie immer wieder überlegt habe, ihrem Freund nach Hamburg zu folgen, aber andererseits war ihr Arbeitsplatz im Krankenhaus in Molina sicher.

Kurz vor Mitternacht bestellt Cuello die Rechnung, nur mit Mühe können wir ihn überreden, dass das Abendblatt zahlt. 74,70 Euro steht auf der Rechnung, nicht einmal 20 Euro für 15 Tapas-Gänge für jeden, Wein, Wasser und Kaffee inklusive. Cuello lacht, als er unsere erstaunten Blicke sieht: „Das ist der Vorteil der spanischen Krise: Die Restaurants müssen so preiswert sein, damit wir uns das Essen dort noch leisten können.“ Als das Abendblatt auf 80 Euro aufrunden will, winkt er ab: „Bitte nicht, so viel Trinkgeld geben wir hier nicht.“

Zurück in der Heimat:
Juan Francisco
Cuello arbeitete
nach seiner Rückkehr
in Spanien bei
einer Poolbaufirma.
Jetzt wechselt er zu
einem städtischen
Wasserversorger
Zurück in der Heimat: Juan Francisco Cuello arbeitete nach seiner Rückkehr in Spanien bei einer Poolbaufirma. Jetzt wechselt er zu einem städtischen Wasserversorger © HA | Marcelo Hernandez

Die gemeinsame Währung, das gemeinsame Parlament in Straßburg, die gemeinsame Kommission in Brüssel, kurzum die europäische Idee, schaffen eben noch lange keine gemeinsame Identität. Und gerade auf dem Arbeitsmarkt wächst nicht zusammen, was zusammengehört.

Handwerker wie Bañuls oder Cuello brauchen zwar keine Arbeitserlaubnis mehr, als EU-Bürger können sie hier leben und arbeiten, solange sie möchten. Anders als in den 1950er- und 1960er-Jahren, als 14 Millionen Arbeiter vor allem aus Italien, Griechenland, Spanien, Portugal und der Türkei ins Wirtschaftswunderland strömten. Sie hießen Gastarbeiter; Gäste, die man wegschicken konnte, wenn man sie nicht mehr brauchte. Viele hausten in primitiven Baracken oder Wohnheimen, sie schufteten in Zechen, auf dem Bau, am Fließband – einzig mit dem Ziel, den Angehörigen so viel Geld wie möglich in die Heimat zu schicken.

Krise trifft schlecht ausgebildete Leute

Die Gastarbeiter der Gegenwart heißen offiziell EU-Arbeitsmigranten, niemand kann mehr einen Anwerbestopp wie nach der Ölkrise 1973 verfügen, Europa sei Dank. Und doch hat ihr Aufenthalt bei uns mit der unter deutschen Abiturienten populären Idee, mal ein Jahr im Ausland zu jobben, um eine andere Sprache, eine andere Kultur kennenzulernen, nichts gemein. Migranten wie Bañuls oder Cuello treibt allein die wirtschaftliche Not in ihrer Heimat nach Deutschland, nicht anders als ihre Vorfahren vor 50 Jahren.

Kaum jemand weiß dies besser als Stephan Behringer. Der Betriebswirt baute mit einem Studienfreund 2012 die Firma POD – People of Diversity auf. Der Unternehmensname signalisiert, dass sie unterschiedliche Menschen zusammenbringen wollen. Wenn man so will, ist Behringer der Mittler zwischen den Welten, zwischen deutschem Boom und spanischer Krise.

Ein gut dreiminütiger Trickfilm auf der Homepage zeigt sein Geschäftsmodell: Herr Huber, deutscher Handwerksmeister, kann sich vor Aufträgen kaum retten, findet aber angesichts des Fachkräftemangels in Deutschland weder Gesellen noch Auszubildende. POD fahndet in Südeuropa nach geeignetem Personal, findet den schnauzbärtigen Arbeiter Rafael, der dank Sprachkurs und Handwerker-Crashkurs frohgemut seinen Job in der Fremde antritt.

Familiäres Glück in
Hamburg: Betsabe
und Isaac Bañuls
mit Söhnchen Bastian.
Bald werden
sie zu viert sein
Familiäres Glück in Hamburg: Betsabe und Isaac Bañuls mit Söhnchen Bastian. Bald werden sie zu viert sein © HA | Marcelo Hernandez

Leider funktioniert das im Film deutlich einfacher als im wahren Leben. Behringer spricht von einem „wahnsinnig zeitaufwendigen Verfahren“. Er schaltet Anzeigen in spanischen Zeitungen, lädt Interessenten zu Seminaren, organisiert die Kurse, setzt Arbeitsverträge in Spanisch und Deutsch auf, organisiert den ersten Flug in die neue Heimat. Er spricht über Heimweh, über Trennungen von Familien und Freunden, über Ängste vor einem fremden Land, vor einer fremden Kultur. Anfangs sind ihm die Lebensgeschichten seiner Klienten noch nahegegangen, sie unterscheiden sich nur in Nuancen.

Fast jeder hat an den ewigen Boom geglaubt, sich verschuldet für den Traum von eigenen vier Wänden, spanische Banken gewährten Kredite ohne Sicherheiten. Die Krise kostete erst die Jobs, dann die Häuser. Sie wirkt wie ein Brandbeschleuniger: Wer nicht mehr zahlen kann, muss den Bau stoppen – und verschärft so die Arbeitslosigkeit noch weiter. In manchen Regionen spricht man inzwischen von einer verlorenen Generation.

Gewinner und Verlierer

Jede Krise teilt die Lager noch schärfer in Gewinner und Verlierer – das ist in Spanien nicht anders. Wer dank Beziehungen oder einer Top-Ausbildung seinen Job behält, profitiert von den niedrigen Lebenshaltungskosten, kann den Preissturz auf dem Immobilienmarkt für einen Kauf nutzen. Dagegen müssen ausgerechnet schlecht ausgebildete Arbeiter aus kleinen Verhältnissen wie Bañuls und Cuello in die Ferne, obwohl sie keine Fremdsprache beherrschen und in ihren Jobs oft nur angelernt wurden. Andererseits treibt die Verzweiflung zu Höchstleistungen: „Die Motivation meiner Leute ist unfassbar groß“, sagt Behringer. 70 Prozent der von ihm vermittelten Handwerker seien auch ein Jahr danach noch in dem von ihm vermittelten Job.

Jenfeld, ein nüchterner Flachbau am Spandauer Weg. Hier residiert die Bauklempnerei Auf der Hart. Schon der Händedruck von Inhaber Frank Körbelin signalisiert: Dieser Mann packt an. Die Geschäfte laufen gut, sehr gut sogar, allein, ihm fehlt das Personal. Auf der Internetseite fahndet er nach Gesellen: „Wir suchen Sie!“ Schon gute Auszubildende zu finden werde immer schwerer: „Ich hatte Bewerber, die nicht wussten, wie der aktuelle Bundespräsident heißt. Bei kurzen Prüfungen der Rechtschreibfertigkeiten habe ich erlebt, dass Bewerber aufgestanden sind mit den Worten: ‚Mit Schreiben habe ich es nicht so.‘“

Boom und Bewerbermangel

Die Melange aus Boom und Bewerbermangel trieb Körbelin in das spanische Abenteuer. 7000 Euro Vermittlungsgebühr für zwei – nach deutschen Maßstäben – ungelernte Handwerker fast ohne Deutschkenntnisse zu zahlen, ist das nicht Wahnsinn? Nein, versichert Unternehmer Körbelin. Er würde das Risiko jederzeit wieder eingehen, so sehr er auch die Kündigung von Cuello bedauert, zumal er sich immer für die neuen Kollegen eingesetzt habe: „Ich habe auch die Kaution für eine Wohnung vorgestreckt.“ Und Bañuls sei ja auch noch da: „Isaac geht immer an seine Leistungsgrenze, von ihm würde ich mir nur wünschen, dass er sich und seine junge Frau hier in Deutschland noch stärker integriert.“

Stadthausbrücke, ein freundlicher Herbsttag. Den Rucksack unterm Arm, trottet Isaac Bañuls (33) zum vereinbarten Treffpunkt in einem Café. Nach mehreren Wochen hat er einem Treffen doch zugestimmt. Er wirkt abgekämpft, kein Wunder, neun Stunden hat er auf der Großbaustelle nebenan Rohre verlegt und WC-Anschlüsse verschraubt. Eigentlich hätte er an diesem Sonnabend frei gehabt, aber was heißt das auf dem Bau schon. Der Zeitdruck auf der Großbaustelle ist enorm, also musste Isaac wieder um 5 Uhr raus. 30 Minuten mit dem Auto von Wandsbek, um nach einem freien Parkplatz zu fahnden, dann noch drei Stationen mit der S-Bahn bis zur Station Stadthausbrücke.

Bañuls in Hamburg zum zweiten Mal Vater

Irgendwie ist es symptomatisch, dass wir ihn an diesem Tag ein paar Schritte entfernt von seiner Baustelle treffen und nicht wie ursprünglich vereinbart in Wandsbek in seiner Wohnung. Die Arbeit gibt den Takt in seinem Leben vor. Ist er glücklich geworden in seiner neuen Heimat? Bañuls zuckt mit den Schultern. Anstrengend sei das Leben hier, wahnsinnig anstrengend. Während er Überstunden auf dem Bau macht, verpackt seine Frau Betsabe in Wilhelmsburg Gemüse. Und abends? Abends, sagt Isaac, gehe seine Frau putzen.

Sie brauchen das Geld. Die Wohnung kostet 550 Euro warm, Strom 80 Euro. Dazu Telefon, Handy, die HVV-Abos, das Auto. Vor allem das Auto. 300 Euro stottern sie jeden Monat für den Ford Galaxy ab, schon wegen Bañuls Fahrten zu den Baustellen brauchen sie ein Auto. Und der 14 Jahre alte Ford Focus, den sie aus Spanien mitgebracht haben, wäre beim TÜV durchgefallen.

Schmalspur-Lehre in Spanien

Was er jetzt genau verdient, mag Bañuls nicht sagen, das gehöre nicht in die Zeitung. Sein Problem: Tariflich gilt er als ungelernter Arbeiter, die Schmalspur-Lehre in Spanien erkennt die Handwerkskammer nicht an. Der Spanier findet das ungerecht, er arbeite schließlich hart, richtig hart. Er kann auch nicht verstehen, dass er die Kosten für den Sprachkurs von 1000 Euro zur Hälfte selbst tragen musste.

Sein größtes Glück zeigt Bañuls auf einem Foto. Söhnchen Bastian, ein Hamburger Jung, geboren im August 2014 im Wandsbeker Krankenhaus. Und auch dafür verantwortlich, dass seine Eltern ein neues Wort lernen mussten: Kita-Gutschein. Für den Alltag reichen zumindest Isaacs Sprachkenntnisse, aber jeder Behördengang, jedes Ausfüllen von Formularen ist nach wie vor ein Abenteuer.

Vieles in Spanien leichter

Will die kleine Familie eines Tages zurück? Bañuls zögert: Natürlich wäre vieles in Spanien leichter, von der Sehnsucht nach den Eltern ganz zu schweigen. Andererseits baut sich seine Frau gerade zum dritten Mal eine neue Existenz auf. Die Ausbildung zur Krankenschwester in ihrer Heimat Peru brach sie ab, um mit ihren Eltern nach Spanien auszuwandern, wo es scheinbar Arbeit im Überfluss gab. Auch bei ihrer Familie schnappte die Kreditfalle nach einem Immobilienkauf zu; Betsabe schuftete fast rund um die Uhr, um die Raten noch stemmen zu können. Sie putzte, pflückte Orangen, grillte Burger. Vergebens, die Schuldenlast beträgt noch immer 200.000 Euro – keine wirkliche Basis für einen Neustart in Spanien.

Zum Jahreswechsel sprechen wir noch einmal mit Unternehmer Körbelin, Vermittler Behringer und den Klempnern Bañuls und Cuello.

Interesse an spanischen Handwerkern

Stephan Behringer berichtet, dass es nach wie vor großes Interesse an spanischen Handwerkern gibt: „Viele Betriebe haben ihre Auftragsbücher für 2017 schon voll. Die brauchen dringend Personal.“ Und doch werde sein Geschäft immer schwieriger: „Es gibt in Spanien wieder mehr Jobs für Ungelernte, das machen die meisten dann lieber, als sich nach Deutschland vermitteln zu lassen.“

Jüngst habe jeder dritte Kandidat auf der letzten Etappe, dem Sprachkurs, wieder aufgegeben. Und obwohl er inzwischen 4200 Euro pro Vermittlung berechne, lohne sich das Geschäft kaum noch, gut möglich, dass er den spanischen Markt nach bislang 320 Vermittlungen bald aufgeben werde.

Er hat jetzt Kroatisch gelernt, seine zehnte Sprache. Doch in dem kleinen Land hätten sich die besten Kräfte schon auf eigene Faust nach Deutschland aufgemacht. POD hat jetzt ein neues Geschäftsfeld entdeckt, organisiert Sprachkurs-Stammtische in großen Städten.

Faires Miteinander

Körbelin kündigt an, dass er die Firma angesichts der Personalnot verkleinern wird: „Wir werden nur noch Aufträge annehmen können, bei denen wir vernünftig und fristgerecht bezahlt und meine Leute gut behandelt werden. Insbesondere das faire Miteinander zwischen Bauherren, Meistern und Mitarbeitern steht im Vordergrund, das wird ein allgemeiner Trend in Deutschland werden.“ Hier setzten die „Chancen des guten Handwerks ein“. Was allerdings auch eines bedeute: „Nicht jeder, der einen Handwerker braucht, wird auch zeitnah einen bekommen.“

Bañuls erzählt, dass sie bald zu viert sein werden, seine Frau ist wieder schwanger. Das Ultraschallbild hat er auf Facebook schon gepostet.

Cuello berichtet strahlend, dass er bald einen Job im städtischen Wasserwerk in Molina bekommen wird. Und ja, seinem Papagei gehe es gut. Chipy komme zurück. Immer wieder.