Hamburg. Polizei hat keine Spuren mehr für Suche nach dem Vermissten. Familie des 44-Jährigen könnte zunächst keine Entschädigung erhalten

André Zand-Vakili

Es ist noch nicht vorbei, sagen sie. Die Akte Timo Kraus wird nicht geschlossen. Aber die Hoffnung auf eine Lösung des mysteriösen Falls verblasst auch bei der Polizei. Alle Ansätze und Spuren auf der Suche nach dem 44-Jährigen sind derzeit ausgeschöpft. Auf jeden neuen Hinweis, ganz gleich wie vage, stürzen sich die Beamten. Doch für die Familie von Timo Kraus hat das spurlose Verschwinden möglicherweise weitere negative Folgen – und viele Fragen könnten dauerhaft ungeklärt bleiben.

Da ist der Taxifahrer, der sich weiterhin nicht zu erkennen gegeben hat. Er soll Timo Kraus am 7. Januar gegen 23.30 Uhr mitgenommen haben, etwa eine Stunde vor dem Verschwinden. „Wir gehen davon aus, dass der Betroffene durch die große öffentliche Aufmerksamkeit definitiv von der Suche erfahren hat. Möglicherweise haben wir auch mit dem Richtigen schon gesprochen“, sagte ein Sprecher der zuständigen Polizeiinspektion Harburg.

Die Beamten kontaktierten systematisch alle Taxiunternehmen und alle eingetragenen Halter einer B-Klasse. Ergebnislos. In Polizeikreisen wird davon ausgegangen, dass der dunkelhäutige Fahrer keine Lizenz oder Aufenthaltserlaubnis hat und sich deshalb nicht bei der Polizei melden will. Auch in den WhatsApp-Gruppen der Taxifahrer zirkulierten beide veröffentlichten Bilder des Vermissten – ohne jede Rückmeldung. Bei Eisglätte warteten am Abend des 7. Januar offenbar keine weiteren Taxis vor der Gaststätte Block Bräu, in dem Timo Kraus noch mit Kollegen des HSV gefeiert hatte.

Alle übrigen Hinweise der Polizei sind nicht eindeutig genug, um daraus weitere Suchgebiete herleiten zu können. Der Ponton vor der „Rickmer Rickmers“ wurde bereits in der Woche nach dem Verschwinden durchsucht. Dort war das Handy von Timo Kraus zuletzt geortet worden. Ein Zeuge sah ihn kurz nach Mitternacht ohne Jacke in der Nähe der Landungsbrücken – ein Indiz, dass die Taxifahrt schon nach etwa einem Kilometer in Richtung Hauptbahnhof zu Ende gewesen sein könnte.

Ermittler gehen weiter davon aus, dass Timo Kraus ertrank

Die Ermittler denken auch weiter an die Sichtung einer Wasserleiche durch drei Barkassenführer bei Övelgönne, knapp eine Woche nach dem Verschwinden. Die Ermittler gingen früh davon aus, dass Timo Kraus an den Landungsbrücken in die Elbe fiel und nicht mehr lebt. Dass der Familienvater aus anderen Gründen verschwunden ist, gilt als ex­trem unwahrscheinlich.

Aber warum ergab auch die Suche im Wasser letztlich nichts? In der Regel tauchen Wasserleichen nach etwa einer Woche wieder auf. Die Polizei in Buchholz kontaktierte auch mehrere Experten für die Strömungsverhältnisse in der Elbe. Sollte Timo Kraus ertrunken sein, könnte sein Körper nur wenige Hundert Meter weit, aber auch bis in die Nordsee getrieben sein. Mit steigenden Temperaturen könnte auch ein Körper wieder eher zu Tage treten.

Nach den Suchaktionen griffen die Beamten zuletzt schon nach jedem Strohhalm. Ein Hellseher meldete sich mit der Eingebung, die Leiche von Timo Kraus befinde sich in einem eingrenzbaren Bereich in kurzer Entfernung vor den Landungsbrücken – die Theorie wurde mit den Strömungsexperten intensiv geprüft, aber dann ausgeschlossen. In dieser Woche traf ein anonymes Fax bei der Polizei ein, daraufhin wurde ein Container am Kleinen Grasbrook von 30 Beamten durchsucht.

Die Familie des Vermissten wird laufend informiert. Sollte der HSV-Manager verstorben sein und wird seine Leiche nicht gefunden, dauert es zehn Jahre, bevor er für tot erklärt werden kann. Das ist auch die Voraussetzung dafür, dass ein Totenschein ausgestellt werden kann. Dieser ist beispielsweise wichtig, um eine Lebensversicherung ausbezahlt zu bekommen. „Ohne Totenschein keine Auszahlung“, sagt ein Experte zu dem Verfahren. Wird jemand für tot erklärt, ohne dass seine Leiche gefunden wurde, setzen Versicherungen demnach auch oft Detektive ein, die noch einmal eigene Nachforschungen anstellen und andere Gründe für ein Verschwinden ausschließen sollen. Das passiert vor allem, wenn in einem solchen Fall Lebensversicherungen ausgezahlt werden müssen, bei denen es regelmäßig um sehr hohe Beträge geht. Ausnahmen gibt es dagegen beispielsweise bei Flugzeugabstürzen. Kommt es zu einem Unglück und stand ein Vermisster auf der Passagierliste, gehen Behörden deutlich schneller davon aus, dass die Person tatsächlich tot ist. Dieser Schritt wäre auch im Fall Timo Kraus der Polizei überlassen.

Das Schicksal des Managers bewegt auch HSV-Mitarbeiter

In der Geschäftsstelle des HSV ist das Verschwinden von Timo Kraus weiterhin sehr präsent, der HSV hat 2000 Euro auf Hinweise ausgelobt. Der 44-Jährige leitete bis zuletzt die Marketingabteilung. HSV-Vorstandschef Heribert Bruchhagen hoffte zu Beginn noch, dass es sich lediglich um ein Missverständnis handele. Der Fall hänge wie ein „bleierner Schatten“ über dem gesamten Verein, so Bruchhagen. „Dass man Fußballspiele in Folge verliert, das kennt man. Aber mit dieser Situation umzugehen ist für alle neu.“

Die Polizei bittet weiter unter Telefon 04181-28 50 um Hinweise.