Hamburg. Heute bekommen Hamburgs Schüler Zeugnisse. Viele möchten ihre Noten bis zum Sommer noch verbessern

Für viele der knapp 190.000 Schüler und Schülerinnen ist der heutige Freitag so etwas wie ein Tag der Wahrheit. Es gibt Zeugnisse. Es wird Lob geben für gute Noten. Und Frust, wenn die Ziele nicht erreicht wurden. Mit Blick auf das wichtigere Zeugnis am Ende des Schuljahres im Sommer wird ein Thema in vielen Familien wieder hochaktuell: Braucht das Kind Nachhilfe, um sich zu verbessern? In Hamburg bekommt inzwischen jeder fünfte Schüler Nachhilfe, in Japan sind es deutlich mehr (70 Prozent). Das Abendblatt erklärt, worauf man achten sollte.


Reicht es aus, wenn Mama oder
Papa helfen?

Elterliche Nachhilfe hat einen großen Vorteil: Sie ist kostenlos. Und selbstverständlich bleibt es eine gute Idee, wenn die Eltern mal Vokabeln abhören oder prüfen, ob die Hausaufgaben auch gemacht wurden. Experten warnen allerdings vor zu großem Engagement. „Da geraten Rollen durcheinander, mal ist Mama Mama, dann ist Mama Lehrerin“, sagt Simone Vintz, Expertin der Stiftung Warentest. Und die Drohung, dass das Handy abgestellt wird, wenn die Matheformel nicht endlich sitzt, sorge eher für Konflikte als für Lernerfolge.


Was sollte man vorab klären?

Vielen Kindern ist es peinlich, wenn der Lehrer erfährt, dass man nun Nachhilfe bucht. Dennoch muss der Pädagoge eingebunden werden. Er kennt am besten die Wissenslücken der Kinder, kann einschätzen, was vorrangig geübt werden muss, um die Note zu verbessern. Ganz wichtig: Es muss vorab geklärt werden, ob hinter einer schlechten Note in Wahrheit eine Lese-/Rechtschreibschwäche, eine Rechenschwäche oder eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung steckt. Dies geht nur mit ausgebildeten Diagnostikern. Wer etwa eine ausgeprägte Rechenschwäche (Dyskalkulie) hat, scheitert oft schon an Aufgaben, die für andere völlig banal sind, etwa das Umrechnen von Zentimetern in Meter. Betroffene Kinder glänzen oft in anderen Bereichen, mit Intelligenz hat diese sogenannte Teilleistungsstörung nichts zu tun. Helfen können nur Therapeuten; normale Mathenachhilfe könnte den Frust eher noch vergrößern.


Welche Hilfe gibt es von
staatlicher Seite?

Seit dem Schuljahr 2011/12 bietet Hamburg flächendeckend für alle Schulformen und Jahrgangsstufen kostenlosen Förderunterricht. Er ist verpflichtend für alle, die in einem Fach keine ausreichenden Leistungen erbracht haben. Viele Schulen bieten zudem Förderunterricht auf freiwilliger Basis an. Die Kurse haben überwiegend (57 Prozent) weniger als fünf Teilnehmer, nur ein sehr kleiner Teil (sechs Prozent) wird in einer Gruppe von mehr als zehn Schülern erteilt. Mehr als 25.000 Schüler nutzen den Förderunterricht. Zusätzlich gibt es Angebote aus dem Bildungs- und Teilhabepaket für einkommensschwache Familien. Die Zeugniskonferenz entscheidet, in welchem Fach der Schüler kostenlose Nachhilfe benötigt.


Sind Institute, die Nachhilfe
anbieten, empfehlenswert?

Das Angebot, gerade in Hamburg, ist enorm groß. Bundesweit agierende Ketten wie Schülerhilfe oder Studienkreis konkurrieren mit kleineren Anbietern. Grundsätzliche Empfehlungen sind unmöglich, die Qualität differiert auch bei Filialen derselben Kette. „In Deutschland kann jeder ein solches Institut eröffnen, es gibt keine staatlichen Zulassungen“, sagt Vintz. Es gibt zwar Prüfsiegel wie etwa vom TÜV Rheinland, deren Aussagekraft ist aber umstritten.
Worauf sollte man bei der
Auswahl eines Instituts achten?

„Die Rahmenbedingungen müssen stimmen“, sagt Vintz. Unter dem Konkurrenzdruck neigen manche Institutsin­haber dazu, Räume minderer Qualität anzumieten. Das Lernen in düsteren Zimmern mit abgewrackten Möbeln macht auch motivierten Kindern keinen Spaß. Beim Vertrag gilt: je flexibler, umso besser. Lange Laufzeiten von ein oder gar zwei Jahren sind riskant, da es immer passieren kann, dass der Unterricht nicht hält, was er verspricht, oder das Kind die Nachhilfe gar nicht mehr braucht. Am besten sind Modelle, wo man ein Stundenkontingent kauft, um es individuell einzusetzen. Damit vermeidet man auch, dass in den Ferien oder bei Krankheit weitergezahlt werden muss.

Unbedingt beachten, ob nach Schulstunden (45 Minuten) oder nach Zeitstunden (60 Minuten) abgerechnet wird. Viele Institute bieten eine kostengünstige Probestunde an, was aber oft nicht reicht. Kinder merken oft erst nach mehreren Stunden, ob sie sich wohlfühlen und es etwas bringt. Besser sind daher mehrere Schnupperstunden.


Wie teuer ist Nachhilfe im Institut?

Der Preisvergleich ist enorm schwierig, da die Kosten von der Vertragslaufzeit, von der Zahl der gebuchten Stunden, von der Aufnahmegebühr (erheben einzelne Institute) und vor allem von der Gruppengröße abhängen. Als Faustregel gelten Preise von knapp 10 Euro für Gruppenunterricht sowie von 22 bis 30 Euro für Einzelunterricht (je 45 Minuten). Manche Institute werben damit, dass es Geld zurückgibt, wenn die Note „mangelhaft“ oder „ungenügend“ ist.


Einzel- oder Gruppenunterricht?

Vintz hält Einzelunterricht für effektiver, da sich der Lehrer dann völlig darauf konzentrieren kann, den Schüler individuell zu fördern. Institute werben dagegen für den Gruppenunterricht, da in einer entspannten Lernatmosphäre die Schüler auch voneinander lernen könnten. Aber: Nur homogene Gruppen machen Sinn. Wer als Sechstklässler gerade über den Dreisatz brütet, wird eher abgelenkt, wenn der Mathematik-Nachhilfelehrer parallel versucht, einer angehenden Abiturientin Vektorrechnung beizubringen.


Worauf sollte man achten, wenn
man Nachhilfe von privat nimmt?
Viele Lehrer bessern sich ihr Einkommen oder ihre Pension mit privater Nachhilfe auf. Auch viele Schüler geben Nachhilfe. Wenig überraschend warnen die Institute vor dieser Form: Es werde keine fundierte Beratung angeboten, zudem werde illegale Schwarzarbeit unterstützt. Vintz kann diese prinzipielle Kritik nicht teilen, es gebe viele gute private Nachhilfelehrer. Zudem sei diese Form in der Regel deutlich günstiger und flexibler. Entscheidend sei immer die Chemie: „Das Kind muss im Mittelpunkt stehen, wenn es den Nachhilfelehrer nicht leiden kann, macht es keinen Sinn.“


Was bringen Sprachreisen
in den Ferien?

Auch hier ist der Markt inzwischen unübersehbar; die Preisspanne für einen zweiwöchigen Kurs im Ausland in der Regel mit Unterbringung in Gastfamilien reicht von 1000 bis 3000 Euro. „14 Tage sind zu kurz, um eine schlechte Note zügig zu verbessern. Aber der Schüler gewinnt ein besseres Gefühl für die Fremdsprache“, sagt Barbara Engler, Expertin der Aktion Bildungsinformation (Abi). Oft entscheiden sich befreundete Schüler zusammen für eine Sprachreise. Engler empfiehlt, dass sie dennoch in unterschiedlichen Gast­familien wohnen sollten, um die Fremdsprache auch konsequent anzuwenden.