Altstadt. Hamburger SPD-Basis setzt auf die Volksnähe ihres Kanzlerkandidaten. Viele hätten aber wohl eine Urwahl begrüßt
Hamburgs Sozialdemokraten haben mit großer Zustimmung auf die Kür von Martin Schulz zum SPD-Kanzlerkandidaten reagiert, zugleich aber auch an der Art und Weise, wie diese am Dienstag bekannt gemacht wurde, Kritik geübt. „Alle haben sich an die Absprache gehalten, dass erst am kommenden Sonntag eine Entscheidung bekannt gegeben wird, und dann wurde es über die Medien vermeldet“, sagte Kerstin Bake-Völsch, Kreisgeschäftsführerin der SPD Hamburg-Nord, im Gespräch mit dem Abendblatt.
Allerdings habe im Gespräch mit Parteimitgliedern die positive Grundstimmung überwogen. Viele hätten die Entscheidung positiv aufgenommen. Bake-Völsch glaubt, ähnlich wie Schleswig-Holsteins Landeschef Ralf Stegner, dass die Aufregung über das Verfahren nur einige Tage anhalten werde. „Danach denkt kein Mensch mehr daran.“ Dass Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz in der Hansestadt bleibe, darüber sei sie froh.
Vanessa Mohnke, Vorsitzende des SPD-Distrikts Eimsbüttel-Süd, erlebte am Dienstagabend eine „ganz normale Mitgliederversammlung“. Thema sei der Kampf gegen den Rechtspopulismus gewesen, erzählt sie. „Und wir haben das Thema ausführlich diskutiert.“ Aber natürlich war auch die wenige Stunden zuvor in Berlin bekannt gewordene Entscheidung ein Gesprächsthema unter den SPD-Mitgliedern. „Es gab Erstaunen und Überraschung. Dass es letztlich so kommt, damit hatte keiner gerechnet“, sagt Vanessa Mohnke.
Sie habe in den Gesprächen allerdings auch erfahren, dass nicht alle aktiven Mitglieder damit einverstanden gewesen seien, wie die SPD ihren Kanzlerkandidaten gefunden habe. „Es gab Kritik daran, dass die Entscheidung in Hinterzimmern ausgehandelt wurde und die Mitglieder daran nicht beteiligt wurden.“ Viele SPD-Mitglieder hätten sicher eine Urwahl begrüßt.
Zumal es ja aus Hamburger Sicht mehr als einen geeigneten Kandidaten gegeben habe, so Vanessa Mohnke diplomatisch, um sogleich hinterherzuschieben: Sie sei natürlich froh, dass Olaf Scholz, dem gute Chancen für eine Kandidatur nachgesagt worden waren, Hamburg erhalten bleibe.
Scholz passe mit allem Für und Wider gut in die Zeit. „Er zeichnet sich durch sein ordentliches Regieren aus.“ Diese „solide Arbeit“ sei etwas, das viele Menschen in derart schwierigen Zeiten wie den aktuellen bei einem Politiker besonders schätzten. Zumal Kanzlerin Angela Merkel von der CDU in dieser Frage inzwischen angreifbar sei.
An Martin Schulz begeistere sie sein europäischer Ansatz, so Vanessa Mohnke. „Ich bin überzeugte Europäerin. Für mich ist die europäische Einigung ein Garant für Frieden.“ Mohnke räumt ein, dass viele Wähler Europa inzwischen sehr kritisch sähen. „Es kann sein, dass sein Eintreten für die europäische Einigung im Wahlkampf eine negative Rolle spielen kann.“ Auf der anderen Seite habe Martin Schulz „ein Gespür dafür, Menschen Europa zu erklären und nahezubringen“.
Hamburgs Juso-Chefin Armita Kazemi glaubt, dass Martin Schulz in Zeiten von Rechtspopulismus und Nationalismus den Menschen die Notwendigkeit von Zusammenhalt in Europa gut vermitteln könne. „Er kann Menschen wirklich mitnehmen.“ Zudem stehe Schulz mit seiner Vita dafür, dass Menschen in ihrem Leben eine zweite Chance verdient haben.
SPD-Fraktionschef Andreas Dressel beschrieb Martin Schulz als „einen Mann der klaren Worte, gerade auch in der Auseinandersetzung mit Populisten von rechts oder links“. Die Menschen vertrauten ihm. Vorbehaltlose Zustimmung kam auch vom Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs. „Er ist populär und wird die gesamte Partei hinter sich versammeln und motivieren.“