HafenCity. Bei Inventur werden Leichen, Beile und Blut überprüft. Große Zeugnis-Aktion für Schüler

Schauspielerin Lisa Aberer (24) hat Leichen im Keller. Sie liegen bunt verteilt an ihrem Arbeitsplatz, einem Verlies in der Speicherstadt. Manche sind wie Mumien in Tücher gewickelt, manche liegen mit geöffneten Bäuchen auf Seziertischen. Jetzt sind die Leichen von Hamburg Dungeon ein Fall für die „Inventurhelfer des Grauens“, die jedes Jahr im Januar mit Klemmbrett, Stift und Papier ausgestattet akribisch prüfen, ob alle Hackebeile und Blutpfützen an Ort und Stelle sind.

Bei 13 Liveshows mit echten Darstellern und zwei Fahrgeschäften, die stark an Geisterbahnen erinnern, gibt es viel zu kontrollieren: Hat auch niemand die Pestleichen verlegt? Sind noch alle Organe im Sezierraum an Ort und Stelle? Reichen Abschminktücher, Krustenblut und Kostüme für die kommenden Shows? Selbst in den Metallkäfigen im Folterkeller wird nachgemessen, ob die Abstände zwischen den Gitterstäben stimmen.

Mit macht auch Maria Katharina Wächtler, die im 18. Jahrhundert in Hamburg ihren gewalttätigen Ehemann zerstückelt und die Überreste in Paketen zwischen Hamburg und Lübeck verteilt haben soll. Zwei Jahre lang wurde Wächtler anschließend gefoltert, um sie zu einem Geständnis zu bewegen. Gespielt wird sie im Dungeon unter anderen von der 26 Jahre alten Alexandra Haar, die bei der Inventur zur morbiden, aber pflichtbewussten Erbsenzählerin wird: kein Schminkstift, kein Totenkopf und keine Pestleiche bleiben unprotokolliert. Unterstützt wird die Wächtler-Darstellerin von den anderen Schauspielern des Verlieses. So geschieht es, dass Freibeuter sich um den Vorrat an Fuß-deos und Abschminktüchern sorgen. Oder dass blutverkrustete Damen ein Selfie im Spukhaus machen.

Am Ende lässt sich das Schreckensjahr genau beziffern: Mehr als 14.000 Liter Magenflüssigkeit hat der „Kotzer“ im Jahr 2016 ausgespuckt. Trotz Blutvergießens stehen noch 48 Liter Krustenblut im Regal – und es gibt 83 abgehackte Köpfe und Totenköpfe zu sehen.

Eine Zahl jedoch ist wichtiger als alle anderen, an ihr bemisst sich der Erfolg der Schurken, Freibeuter und Gepeinigten im Kellerverlies: die der Besucherschreie. Lisa Aberer und Alexandra Haar sind zufrieden. Ein Plus von mehr als 30.000 erfassten Besucherschreien kann sich sehen lassen. Mit insgesamt rund 295.000 markerschütternden Schreien wird amtlich, was viele bereits ahnten: 2016 war ein Schreckensjahr. (lno)

Wer sein aktuelles Halbjahres-Zeugnis (oder eine Kopie) an der Tageskasse vorlegt und eine Note „2“ (gut) oder schlechter in Geschichte hat, erhält vom 27. bis 31. Januar freien Eintritt.