Hamburg. Neben den drei Wahlbündnissen gibt es 38 unabhängige Bewerber für das Plenum der Wirtschaftsvertretung. Sie stehen nicht für Wahlprogramme, sondern ihre Branchen

Es muss schon etwas Besonderes geschehen, dass der Vorstandschef der Hamburger Sparkasse (Haspa), Harald Vogelsang, mitten am Tag sein Büro verlässt, um sich auf die zugige Treppe vor der Hamburger Handelskammer zu stellen. Wenn er dort auf weitere Unternehmer der Stadt trifft, die sich alle einen Moment von der Arbeit davongestohlen haben, um sich vor der Handelskammer fotografieren zu lassen, dann weiß man, es ist Wahlkampf.

Seit Montag sind rund 160.000 Hamburger Unternehmer dazu aufgerufen, ein neues Plenum für die Kammer zu wählen. Bis zum 14. Februar haben sie Zeit, ihre Kandidaten für die 58 zu vergebenden Sitze des Kammerparlaments zu bestimmen. Seit Wochen werben drei Wahlbündnisse mit unterschiedlichen programmatischen Ausrichtungen für sich. Sie malen Plakate, verteilen Handzettel und veranstalten wichtige Pressekonferenzen.

Aber diejenigen, die an diesem kalten Januartag vor dem Gebäude Aufstellung nehmen, sind in dem öffentlichen Trubel etwas untergegangen. Sie gehören keiner Wahlgruppe an und kämpfen für sich.

Es sind namhafte Manager dabei wie der Vorstandschef der Hamburger Volksbank, Reiner Brüggestrat, oder der Präsident der Apothekerkammer Hamburg Kai-Peter Siemsen. Aber auch kleine Mittelständler aus unterschiedlichen Branchen kandidieren. Es gibt Bewerber, die sich schon lange in der Kammer ehrenamtlich engagieren, und solche, die erstmals zur Wahl stehen. Insgesamt sind es 38 Kandidaten, die eines eint: Ihr Wahlkampf verlief bisher im Stillen.

Dass sich das jetzt ändert, hat mit dem bisherigen Verlauf des Wahlkampfes zu tun. „Es heißt immer, es würden sich drei Bündnisse zur Wahl stellen. Das stimmt nicht, es gibt daneben viele Einzelbewerber. Im Grunde stellen wir sogar die zweitgrößte Kandidatengruppe“, sagt Haspa-Chef Vogelsang, der dem Präsidium der Handelskammer angehört.

Größte Gruppe ist das Bündnis „Zwangsbeiträge abschaffen – Die Kammer sind WIR!“. Es handelt sich um die sogenannten Rebellen, die eine radikale Schrumpfung der Kammer vorsehen. Daneben gibt es die Gruppe „Machen statt Reden – Unternehmer für Hamburg“. Sie will die Pflichtbeiträge nicht abschaffen, Unternehmen, die davon befreit sind, aber die Möglichkeit eröffnen, aus der Handelskammer auszutreten. Schließlich ist da noch das Bündnis „Vorfahrt für Hamburg – Starke Kammer“, das an der Struktur der Wirtschaftsvertretung nichts ändern möchte.

Die Individualkandidaten, die keiner Gruppierung angehören, sind nicht etwa vergessen worden. „Alle Bündnisse haben uns gefragt, ob wir bei ihnen einsteigen. Wir haben uns aber bewusst dafür entschieden, alleine zur Wahl anzutreten“, sagt Henner Buhck, Geschäftsführer von Buhck Umweltservice. „Wir wollen keine Politisierung der Handelskammer, wir sind selbstständige Unternehmer“, meint Gerald Pütter, der die Gastronomie im Anglo-German Club führt. Das Plenum der Kammer solle ein Abbild der Hamburger Wirtschaft sein. Deshalb würden die Kandidaten von Branchenmitgliedern für ihre jeweilige Branche gewählt, erklärt Volksbank-Chef Brüggestrat. „Eine übergeordnete Fraktionsbildung verbietet sich daher eigentlich. Ich trete für meine Branche an“, sagt der Bankchef. „Ich bin eine unabhängige Unternehmerin, und ich möchte das bleiben“, insistiert Heidrun Köhlert, der eine Filmproduktionsgesellschaft gehört.

Die Kammer reformieren oder nicht – ein gemeinsames Wahlprogramm sucht man bei den Unabhängigen vergeblich. Jeder hat seine ganz persönlichen Gründe, warum er für die Institution kandidiert. „Die Kammer muss ein politisches Gegengewicht zum Rathaus bleiben“, sagt beispielsweise Robert Heinemann, Geschäftsführer bei ECE. Köhlert hat Probleme mit Parkplätzen für Gewerbetreibende und in der Kammer einen Ansprechpartner gefunden. „Da stärkt sie uns kleinen Unternehmen den Rücken“, sagt sie.

Sorge um Einsatz der Kammer für die duale Ausbildung

Scheinselbstständigkeit und Rentenversicherung sind hingegen die Themen, die Marcus Mencke-Haan interessieren. Er arbeitet im Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland und hat natürlich ganz andere Interessen als etwa ein Vorstandschef der Sparkasse.

Aber Mencke-Haan und Harald Vogelsang haben gemeinsam, dass sie sich für ihre Kammer engagieren wollen. „Ihren Initiativen und innovativen Vorschlägen ist es zu verdanken, dass Infrastrukturprojekte angeschoben wurden und dadurch Tausende Arbeitsplätze entstanden sind“, sagt Vogelsang. „Und würde sich die Kammer nicht so um die duale Ausbildung sorgen, wäre es um qualifizierten Nachwuchs schlecht bestellt.“

Der Geschäftsführer des traditionsreichen Bauunternehmens aus Hamburgs Süden HC Hagemann, Christian Weber, kandidiert das erste Mal für das Kammerplenum. Anstoß für seine Entscheidung war das Programm, das die Gruppe „Die Kammer sind WIR!“ verfolgt. Diese fordert, dass die Kammer sich nur aus freiwilligen Beiträgen finanziert und Leistungen kostendeckend anbietet. „Damit würde sich die Kammer abschaffen. Das will ich verhindern“, sagt Weber. „Wir brauchen eine starke Handelskammer in Hamburg.“ Einem Bündnis würde er sich dazu aber nicht anschließen. „Ich gehe lieber meinen eigenen Weg“, so Weber.