Hamburg. Verfassungsrechtler hat Zweifel am Vorgehen der Schulbehörde bei Mathe-Klausur

Der Verfassungsrechtler Prof. Ulrich Karpen hält die Heraufsetzung der Noten bei der Probeklausur für das Abitur in Mathematik für nicht rechtskonform. „Die Entscheidung von Schulsenator Ties Rabe verstößt gegen die auf Verfassung und Gesetz beruhenden Prinzipien von Transparenz, Klarheit und Wahrheit der schulischen Leistungsnachweise“, sagte Karpen dem Abendblatt.

Die Probeklausur zur Vorbereitung auf die schriftliche Matheprüfung des ersten Zentralabiturs war, wie berichtet, nach einer ersten Auswertung mit einem Notendurchschnitt von 3,9 sehr schlecht ausgefallen. Rabe hatte daraufhin die Heraufsetzung der Zensuren um eine ganze Note angeordnet, damit den Schülern kein Nachteil mit Blick auf das Abitur entstehe, weil nicht geklärt sei, ob die Aufgaben zu schwer gewesen seien.

Karpens Kritik reicht weiter. „Die Entscheidung des Senators ist fehlerhaft und pädagogisch nicht vertretbar, weil sie den Schülern Sand in die Augen streut“, sagte der Hochschullehrer, der von 1991 bis 2001 für die CDU in der Bürgerschaft saß. Die nachträgliche Heraufsetzung der Noten sei geeignet, „das Hochschulzugangssystem – gerade in Numerus-Clausus-Fächern – zu beschädigen“, so Karpen. Es gelte das grundgesetzliche Gleichheitsprinzip bei der Aufnahme in die Hochschule, die sich vor allem am Leistungsprinzip orientiere. „Das hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach festgestellt. Klarheit und Wahrheit werden verletzt, wenn Schulnoten eines ganzen Jahrgangs willkürlich verändert werden.“

Die Schulbehörde hält dagegen. „Da die Behörde bei zentralen Prüfungen das Bewertungsschema vorgibt, kann sie es auch korrigieren, solange sie nicht gegen anerkannte Bewertungsgrundlagen verstößt“, sagte Peter Albrecht, Sprecher der Schulbehörde.

Das schlechte Abschneiden der angehenden Abiturienten in der Probeklausur hat an den Schulen eine lebhafte Diskussion ausgelöst – nicht zuletzt auch über die Ursachen. Albrecht wies den Vorwurf zurück, die Vorbereitungszeit sei zu kurz gewesen: „Die Klausur ist mit einem Brief des Landesschulrats vom 5. September, also mehr als drei Monate vor dem Klausurtermin, angekündigt worden.“

Eltern kritisierten, dass Schüler, die schon vor der Aufwertung den Höchstwert von 15 Punkten erreicht hatten, gegenüber ihren Mitschülern benachteiligt würden, deren Arbeit nachträglich auf 15 Punkte heraufgesetzt wurde. „Eine Ungerechtigkeit gegenüber den Spitzenschülern ergibt sich weder daraus, dass ihre eigenen Leistungen bereits mit Bestnoten bewertet wurden, noch daraus, dass weitere Schüler ebenfalls Spitzennoten erhielten“, sagte dagegen Albrecht. Mehr als 15 Punkte gebe es nicht.

Claudia Abjörnson von der Stiftung Rechnen vermutet als eine der Ursachen, dass der Schwerpunkt im Unterricht zu sehr auf formale Rechenverfahren gelegt wurde. Daneben seien weitere Kompetenzen wie Argumentieren oder Modellieren möglicherweise zu kurz gekommen. „Wir müssen Kindern und Jugendlichen zeigen, wo sie Mathematik in ihrem Alltag und in ihrem Lebensumfeld finden. Das baut Berührungsängste ab und macht Mathematik begreifbar“, sagte Abjörnson. Die pädagogische Grundlage dafür sei das entdeckende, forschende und projektartige Lernen. Die Stiftung Rechnen hat dazu das Programm „Mathe.Forscher“ entwickelt.