Hamburg. Senats-Bericht über Lehren aus der Elbphilharmonie: In 80 Prozent der Fälle werden die geplanten Kosten eingehalten – in 20 Prozent nicht
Die Elbphilharmonie ist nicht nur das Symbol für Hamburgs Streben, als Weltstadt wahrgenommen zu werden, sie ist auch ein Mahnmal – für Fehlplanung und Steuerverschwendung. Da trifft es sich gut, dass der Senat heute, einen Tag vor der Eröffnung des Konzerthauses, einen Bericht beschließen will, der Auskunft gibt über die Lehren, die er aus dem finanziellen Fiasko mit dem Projekt gezogen hat.
Diese Lehre hat einen Namen: „Kostenstabiles Bauen“. So heißen die Regeln, die 2012 beschlossen wurden und die garantieren sollen, dass sich eine Kostenexplosion wie bei der Elbphilharmonie, die die Stadt statt anfangs geschätzter 77 nun 789 Millionen Euro kostet, nicht wiederholt. Um böse Überraschungen zu verhindern, soll möglichst gründlich geplant werden, bevor ein Projekt überhaupt begonnen wird, Risiken sollen von vornherein mit eingepreist und es soll vorsichtig kalkuliert werden.
Ausweislich des Senatsberichtes, der dem Abendblatt vorliegt, ist die Stadt insgesamt auf einem guten Weg: Von 105 aufgelisteten Projekten mit einem Gesamtvolumen von 4,1 Milliarden Euro bleiben 82 mit einem Volumen von 3,4 Milliarden im Kostenrahmen oder werden sogar günstiger als geplant. 17 Projekte überschreiten die veranschlagten Kosten um bis zu zehn Prozent, sechs Projekte werden sogar mehr als zehn Prozent teurer. Dabei summieren sich die Überschreitungen der Budgets nach Abendblatt-Berechnungen auf rund 45,5 Millionen Euro, während die Unterschreitungen bei insgesamt etwa 86,5 Millionen Euro liegen. Unterm Strich liegen die städtischen Großprojekte also um gut 40 Millionen Euro im grünen Bereich.
Das sind die Problemfälle: Gleich um 48 Prozent oder 9,68 Millionen Euro teurer wird die Schaffung von Baugrund auf der Nord- und Ostseite des Baakenhafens. Statt mit 20,17 Millionen Euro, wie noch 2012 geplant, wird das Projekt nun mit 29,85 Millionen Euro veranschlagt. Allerdings befindet sich dieser Abschnitt der HafenCity noch in einer recht frühen Phase, die Arbeiten laufen gerade erst an.
Die neuen Hochwasserschutzanlagen im Bereich Binnenhafen/Schaartor verteuern sich von 41,3 auf 47,4 Millionen Euro, ein Anstieg um 6,1 Millionen oder 14,8 Prozent. Erklärt wird das in dem Senatsbericht unter anderem mit Schäden am Drehsegment der Schleuse, vermehrtem Schlickaufkommen und höherem Betonbedarf.
Die prozentual größte Steigerung gibt es beim teilweisen Neu- und Umbau der Justizvollzugsanstalt Glasmoor: Zu den ursprünglich geschätzten Kosten von 15,8 Millionen Euro kommt mehr als die gleiche Summe – 16,8 Millionen oder 106 Prozent – obendrauf, sodass nun mit 32,6 Millionen Euro kalkuliert wird. Diese Kostenexplosion war schon im letztjährigen Bau-Monitoring des Senats angekündigt worden, jetzt erhärtet sich die Prognose.
Teurer als geplant wurden oder werden auch der Sockelausbau des Planetariums, dessen Kosten von 7,45 auf 8,04 Millionen Euro steigen (plus 7,9 Prozent) sowie die 2016 eilig geschaffenen Zentralen Erstaufnahmen (ZEA) für Flüchtlinge in Rahlstedt: Die ZEA 1 am Bargkoppelweg kostete 20,7 statt 16,9 Millionen (plus 22,5 Prozent), die ZEA 1a schlug mit 7,4 statt mit 5,2 Millionen zu Buche (plus 42 Prozent), und die ZEA 2 am Bargkoppelstieg mit 16,4 statt 14,8 Millionen Euro (plus 10,8 Prozent).
Allerdings gab es auch etliche Flüchtlingsunterkünfte, die günstiger wurden als geplant. So wird die Schaffung von sechs Folgeunterkünften – Am Anzuchtgarten, Bloomkamp, Sinstorfer Kirchenweg, Heidkoppel, Meilerstraße und Papenreye – nun nur noch mit 80,9 statt mit 83,1 Millionen Euro kalkuliert – ein Minus von 2,2 Millionen oder 2,6 Prozent. Günstiger wird wohl auch die Sanierung der Nikolaikirche, die 2017 abgeschlossen werden soll: Der Kostenansatz wurde von 15,25 Millionen um neun Prozent auf 13,87 Millionen Euro gesenkt. Die Hälfte des Geldes kommt allerdings vom Bund.
Auch der teuren Baugrundschaffung in der HafenCity stehen positive Entwicklungen gegenüber: So soll der neue Baakenpark nur noch 20,36 Millionen Euro kosten – 4,67 Millionen oder 18,7 Prozent weniger als bisher geplant. Und die neue Versmannstraße, die in Ost-West-Richtung durch den Stadtteil führt, wird mit 62,36 Millionen Euro um stattliche 7,14 Millionen oder 10,3 Prozent günstiger. Weiter westlich hat der Neubau der Mahatma-Gandhi-Brücke an der Elbphilharmonie nur 12,7 statt 14,9 Millionen Euro gekostet. Dickster Brocken im positiven Sinn: Bei acht Berufsschulen, die im Rahmen eines ÖPP-Projekts (öffentlich-private Partnerschaft) erneuert und ausgebaut werden, werden die Kosten nun mit 347,1 Millionen Euro prognostiziert, ein Minus von 22,5 Millionen oder 6,1 Prozent.
„Ich bin zufrieden, dass wir mehr als 100 Großprojekte im Blick und im Großen und Ganzen sie auch kostenmäßig gut im Griff haben“, sagte der Chef der Senatskanzlei, Staatsrat Christoph Krupp (SPD), dem Abendblatt. „100-prozentig lassen sich Kostensteigerungen nie ausschließen, aber es gibt kein Projekt, das außer Kontrolle ist.“
Die nächste Bewährungsprobe steht bereits an: Mit der Sanierung des CCH hat dieser Tage ein Großprojekt begonnen, das dem Senat stets als Vorbild für „kostenstabiles Bauen“ dient. Denn es wurde jahrelang geplant, bevor überhaupt die Entscheidung für die Sanierung fiel. An den kalkulierten Kosten von 194 Millionen Euro hat sich bislang nichts geändert.
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