Hamburg. Die Verlockung ist groß, Löffel gegen Mikro zu tauschen. So schaffen es Hamburger Küchenchefs, die Balance zwischen Restaurant und Ruhm zu halten

Angefangen hat eigentlich alles mit Christian Rach. Dem Selfmade-Gastronom, der aus einem Friedhofshäuschen in Neumühlen einen Gourmet-Tempel zauberte, seinen Michelin-Stern 20 Jahre lang verteidigte und sich dann aber 2011 entschloss, das „Tafelhaus“ zu schließen.

Dass Rach damals schon einige Jahre bei RTL als „Restauranttester“ unterwegs war, sahen viele als Grund. Die Häme einiger Kollegen hat man noch im Ohr: Man müsse sich eben entscheiden, ob man wirklich Koch sein wolle. Oder eben doch lieber Entertainer. Von Berufsehre war auch die Rede.

Christian Rach ließ das an sich abperlen. Er wolle einfach nicht mehr am Herd stehen und 80 Stunden pro Woche arbeiten, konterte der Gastronom. Es sei seine „männlichste Entscheidung“ gewesen, sagt der 59-Jährige nun im Rückblick. „Ich habe es nicht für die Familie oder fürs Fernsehen gemacht, sondern ganz allein nur für mich.“

Und doch gibt er zu, dass beides – also ein Spitzenrestaurant zu führen und vor der Kamera zu stehen – nicht geht. „Das Tafelhaus war immer die Basis. Drehtage habe ich nur gemacht, wenn es die Personalsituation im Restaurant zuließ.“ Bis zum Schluss habe er jeden Tag in der Küche gestanden, drei Wochen Urlaub und sechs Wochen TV-Dreh im Jahr respektive.

Seit 2005 ist der in Hamburg lebende Rach, mit kurzen Ausflügen zum ZDF, für den Privatsender tätig und gilt damit als Pionier unter den im Fernsehen präsenten Hamburger Köchen. Ihm folgten bisher schon Tim Mälzer, Steffen Henssler, Cornelia Poletto, Ali Güngörmüs und sogar Zwei-Sterne-Koch Karlheinz Hauser, der als festes Mitglied beim „ARD Buffet“ Rezepte für Familien vorkocht und Gast-Juror bei der ZDF-„Küchenschlacht“ sowie bei „The Taste“ war. Die Gastronomie auf dem Süllberg ist dafür bekannt, eine perfekt geölte Maschinerie zu sein, die große, auch internationale Events stemmt. Patron Hauser sorgt mit seinem prominenten Namen dafür, dass sie läuft.

Trotz ihrer vielen TV-Engagements („Küchenschlacht“, „The Taste“) ist Cornelia Poletto (45) fast jeden Tag in ihrem Restaurant in Eppendorf. „Damit das auch klappt, habe ich zwei Ruhetage in der Woche. Auch meine ganzen Kochkurse und ‚Chef’s Table’-Veranstaltungen in meiner Kochschule ,Cucina Cornelia Poletto’ führe ich selbst durch. Ich halte nichts davon, für etwas nur seinen Namen herzugeben und basta. Auch für mich selbst ist es wichtig, möglichst viel Zeit an der Basis zu verbringen. Man wird schließlich kein besserer Koch, wenn man nicht mehr kocht.“ Dennoch: Wer einmal als Koch auf den Geschmack gekommen ist, das Mikro gegen den Löffel am Herd zu tauschen, für den ist die Verlockung groß, sich zu übernehmen.

Dass Fernseh-Engagements keine Nebenjobs sind, hat auch der Hamburger Gastronom Ole Plogstedt erfahren. Seit fast 25 Jahren tourt der 48-Jährige mit seiner Catering-Firma „Rote Gourmet Fraktion“ durch Europa und versorgt Künstler wie Jan Delay und Die Toten Hosen während ihrer Konzerte. Für „Die Kochprofis“ (RTL2) steht Plogstedt regelmäßig vor der Kamera und berät andere Köche. „Wir produzieren mit vier Köchen 35 Sendungen mit jeweils drei Drehtagen. Allein dieser Job beschäftigt mich rund 100 Tage im Jahr.“ Was auf der Strecke blieb, war sein Restaurant Olsen in der Bellealliancestraße. Das beliebte Lokal mit vorwiegend vegetarischer Küche musste im vergangenen Jahr schließen. „Obwohl wir jeden Abend ausgebucht waren, meine Frau und viele tolle Kollegen mitgearbeitet haben, war mir der Stress am Ende doch zu groß. Wenn du als Koch ein Restaurant betreibst, musst du für zwei arbeiten, damit du mit Plus-Minus-Null rauskommst. Diesen Aufwand habe ich unterschätzt.“

Einer, der seine TV-Auftritte künftig noch ausbauen und dennoch ein neues Restaurant in Hamburgs City eröffnen will, ist Steffen Henssler (44). Er sagt: „Wenn ich nicht gerade außerhalb Hamburgs drehe oder auf Tournee bin, dann bin ich sowohl in der Kochschule als auch in den beiden Restaurants regelmäßig präsent. Unabhängig davon stimme ich die Speisekarten mit meinen eingespielten Teams ständig ab. Meine Handschrift ist also immer, auch wenn ich nicht da bin, erkennbar, und das ist auch wichtig.“

Der Kochbuchautor und Rezeptentwickler Stevan Paul (47) hat bei dem Sternekoch Albert Boulay das Handwerk gelernt. „Als Koch konzentrierst du dich auf das Tagesgeschäft, hast deine Schichten mit zehn bis zwölf Stunden am Tag. Da bleibt gar keine Zeit für andere Aktivitäten. TV-Köche haben vertrauensvolle Kollegen, die in ihrem Sinne kochen. Das ist auch besser so.“

Sie hätten schließlich eine andere Aufgabe. Nicht mehr das Kochen stünde im Vordergrund, sondern die Show. „Für viele Menschen ist es ein Erlebnis, einen bekannten Fernsehkoch mal live zu sehen. In dieser Hinsicht ist Tim Mälzer vorbildlich, da er häufig in seinen Restaurants ,Bullerei’ und ,Off Club’ ist. Wenn er dort auftaucht, geht richtig was ab“, sagt Paul, der zusammen mit Mälzer dessen Kochbücher „Greenbox“ und „Heimat“ gestaltet hat. „Er geht von Tisch zu Tisch und unterhält sich mit seinen Gästen. Die sind begeistert, und ich kann das verstehen: Tim ist eben ein Star.“