Winsen/Hamburg. Der Hamburger Schiffstechnik-Unternehmer Dirk Lehmann rüstet zwei bis drei Oldtimer pro Monat um. Starkes Wachstum geplant.

Wenn die Scharmbecker Landfrauen nicht über den stinkenden Trecker gemeckert hätten, wäre Dirk Lehmann womöglich nie auf die Idee gekommen, ein weiteres Unternehmen zu gründen und Autos mit Verbrennungsmotor auf Elektro­antrieb umzurüsten. In Hamburg ist Lehmann bekannt als Chef der Firma Becker Marine Systems. Die ist Weltmarktführer in bestimmten Bereichen der Schiffstechnik und betreibt unter anderem die sogenannte LNG Barge, ein schwimmendes Kraftwerk, das im Hafen liegende Schiffe mit Strom versorgen kann.

Sogar Trecker lassen sich umrüsten

Daheim im zu Winsen gehörenden Scharmbeck ist Becker als Vorsitzender des Erntefestvereins einer der Dorf­honoratioren. Und beim Erntefestumzug Anfang September 2014 nahm die ganze Geschichte ihren Anfang.

„Meine Bedingung dafür, den Vereinsvorsitz zu übernehmen, war, dass ich den Festzug nicht zu Fuß, sondern auf meinem Trecker anführen darf“, erzählt Lehmann. Das landwirtschaftliche Gefährt ist Baujahr 1958, hatte zwölf PS und einen Zweitakt-Dieselmotor. Und dessen rußige Abgase stanken den hinter dem Trecker marschierenden Landfrauen nicht nur gewaltig, sie waren auch eine Gefahr für das Weiß ihrer Blusen. Lehmanns Lösung: Er suchte und fand in Baden-Württemberg ein Unternehmen, das ihm den Trecker auf Elek­troantrieb umrüstete.

Im September 2015 gab es für die Landfrauen nichts mehr zu meckern – und Lehmann hatte gemeinsam mit Dennis Murschel, dem Unternehmer aus Baden-Württemberg, sowie Heiko Fleck, dessen Firma im bayerischen Pfarrkirchen ebenfalls solche Umbauten anbietet, und dem Hamburger Hubschrauber-Berufspiloten und Fluglehrer Julian Kott die Firma Ecap Mobility GmbH gegründet.

Aus Liebe zum Auto

„Wir bieten die individuelle Umrüstung von Autos auf Elektromobilität an und den Service für das Fahrzeug“, fasst Geschäftsführer Kott das Geschäftsmodell kurz zusammen. Mit Treckern beschäftigen sich die gut 30 Mitarbeiter bislang nicht. In der Werkstatt am Hauptsitz an der Porschestraße im Gewerbegebiet nahe der Autobahnanschlussstelle Winsen-Ost stehen derzeit ein VW Käfer und ein Porsche 911. Im Käfer-Heck ist statt des Boxer- bereits ein Elektromotor installiert, hinter der Tankklappe ist der Benzin-Einfüllstutzen durch die Steckdose für das Lade­kabel ersetzt, unter der Frontklappe ist der Platz für den Einbau der Batterien und des Ladegeräts vorbereitet.

„Unsere Kunden sind Individualisten und Enthusiasten“, sagt Lehmann. Sie bringen entweder ihrem Auto sehr viel Liebe entgegen oder sind von Elek­tromobilität zutiefst überzeugt. Am besten beides, denn die Umrüstung kostet einen fünfstelligen Euro-Betrag. Die Ecap-Preisliste beginnt bei etwa 24.000 Euro für den Umbau eines Fiat-500- Oldtimers, der danach mit einer Batterieladung 50 bis 80 Kilometer weit und Spitzentempo 130 fährt.

E-Auto mit Schaltgetriebe mache Spaß

Für einen elektrogetriebenen VW Touran mit 200 bis 300 Kilometer Reichweite und 160 Kilometern pro Stunde Höchstgeschwindigkeit veranschlagt das Unternehmen etwa 52.600 Euro. Das Auto stellt der Kunde, Ecap verspricht den zertifizierten Umbau inklusive aller Behördenformalitäten innerhalb von vier bis sechs Wochen. Die anderen Details des Autos bleiben unverändert. „Ein Elektroauto mit Schaltgetriebe macht besonders viel Spaß“, sagt Lehmann aus eigener Erfahrung. Er hat sich unter anderem einen Audi TT umrüsten lassen.

Derzeit verlassen etwa zwei bis drei umgerüstete Autos pro Monat die Werkstätten, seit dem Unternehmensstart im Frühjahr 2015 seien es insgesamt mehr als 50 gewesen, sagt Kott. VW Bullis waren darunter, ein knappes Dutzend Porsches. Aber auch ein erst seit drei Monaten zugelassener Mini und ein sieben Jahre alter Peugeot-Familienvan mit 150.000 Kilometern auf dem Zähler gehörten dazu. „In beiden Fällen haben wir zu bedenken gegeben, ob man nicht lieber einen drei, vier Jahre alten Gebrauchtwagen nehmen sollte, aber die Kunden wollten den Umbau unbedingt“, sagt Kott.

Ab 2025 keine Verbrennungsmotoren mehr

Aufträge kommen bislang vor allem aus deutschsprachigen Ländern. „Konkrete Gespräche“ habe es aber auch schon über einen weiteren Standort in Kopenhagen und eine Expansion nach Norwegen gegeben. Dort fördert die Regierung die Elektromobilität stark und will von 2025 an Autos mit Verbrennungsmotoren gar nicht mehr für den Straßenverkehr zulassen. Ecap sei eineinhalb Jahre nach der Gründung in der „zweiten Start-up-Phase“, sagt Lehmann. Die Gesellschafter hätten einen hohen sechsstelligen Euro-Betrag investiert. „Wir sind der größte Anbieter in Deutschland, haben mehr Aufträge, als wir abarbeiten können, und wollen jetzt expandieren.“

Dazu gehört auch der Bau eines eigenen Firmengebäudes in Winsen. Zurzeit teilt sich Ecap dort Büroräume und Werkstätten noch mit einem anderen Lehmann-Unternehmen, das sich um Autos dreht, genauer: um Old- und Youngtimer. Bei Home of Classics haben Autoliebhaber mehrere Dutzend ihrer rollenden Schätze zu Preisen ab 145 Euro pro Monat in einer neuen Lagerhalle untergestellt. Der Batterieladestand und die Luftfeuchte im Fahrzeug werden ständig erfasst und können online abgerufen werden, ebenso wie Livebilder vom eigenen Gefährt. Das Areal werde von einem „sehr regen Wachdienst“ betreut, sagt Lehmann. Bei Bedarf reparieren Home-of-Classics-Techniker die Liebhaberstücke.

Auf Wachstum angelegt

Gegenüber, auf der anderen Seite der Porschestraße, errichten Bauarbeiter derzeit den Neubau für Ecap. In zwei Jahren, so die Vision von Geschäftsführer Kott und Mitinhaber Lehmann, werde das Unternehmen weitere Standorte in Skandinavien und den Alpenländern haben, 80 Mitarbeiter beschäftigen, pro Monat zehn umgerüstete Autos ausliefern und eigene Elektroautos und die anderer Anbieter technisch warten. Der Neubau ist auf ein deutlich wachsendes Geschäft ausgelegt. In ihm sollen mehr als zehn Werkstattplätze entstehen.