Altstadt. Fritz Horst Melsheimer greift auf der Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns interne Kritiker an – die wehren sich prompt

Jens Meyer-Wellmann

Fritz Horst Melsheimer kam sofort auf den Punkt: Er werde sich als Präses der Handelskammer das Wort nicht verbieten lassen und auch weiterhin von seinem Recht Gebrauch machen, „klar und deutlich im Namen der Hamburger Wirtschaft zu sprechen“. Als er wenig später auf das „Grundrecht der freien Meinungsäußerung“ verweist, brandet unter den 2000 Gästen der Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns Beifall auf. Auch Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz klatscht kräftig.

Die Rede des Handelskammerpräses auf der Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns ist so etwas wie die Regierungserklärung der Hamburger Wirtschaft. Seit gut 200 Jahren müssen – immer am letzten Werktag eines Jahres – die Mitglieder des Senats in die Handelskammer kommen und sich sagen lassen, was die Wirtschaft an ihre Politik gut findet – und was nicht.

Melsheimers Vorgänger nahmen oft kein Blatt vor den Mund, was hin und wieder zu einer Replik aus der Politik führte. Aber – so ist die Tradition – nicht an diesem Tag. Auf der Versammlung hat(te) der Senat nur zuzuhören. Trotzdem war gestern alles etwas anders. Präses Melsheimer stand gehörig unter Druck. Kritiker aus den eigenen Reihen monieren seit Jahren eine mangelnde innere Transparenz der Kammer sowie die (gesetzliche) Pflicht von Mitgliedschaft und Beitragszahlung.

Was Melsheimers gestrigen Auftritt besonders spannend machte, war ein unlängst ergangenes Urteil des Verwaltungsgerichts. Die Richter folgten darin der Auffassung eines Kammermitglieds, wonach Teile der vor einem Jahr von Melsheimer auf der Versammlung gehaltenen Rede nicht rechtmäßig seien. Mit anderen Worten: Der Kammerpräses hätte sich bei politischen Fragen zurückhalten müssen. Viele fragten sich nun, wie der Präses reagieren würde.

Melsheimer nahm gestern den Fehdehandschuh auf und ließ während seiner gut 90-minütigen Rede keinen Zweifel daran, was er von seiner Kritikern hält. „Bemerkenswert ist schon, dass hier eine Gruppe von Kammergegnern den Versuch unternimmt, unsere Handelskammer als wirksames Sprachrohr der Hamburger Kaufmannschaft zum Schweigen zu bringen.“

Die sogenannten Kammerrebellen ließen das nicht auf sich sitzen und veröffentlichten nach der Versammlung ein Zitat von Altkanzler Helmut Schmidt aus dem Jahr 1999, in dem dieser die Zwangsmitgliedschaft als „Fortsetzung des Mittelalters“ bezeichnete.

Abseits dieses kammerinternen Streits äußerte Präses Melsheimer seine Sorge über die wirtschaftliche Entwicklung im kommenden Jahr. Die Wirtschaftssanktionen gegen Russland, verstärkte populistische Angriffe auf den Freihandel und der schlechte Zustand der Europäischen Union wirkten sich auf die Hamburger Wirtschaft besonders negativ aus. „Seit die Sanktionen im Frühjahr 2014 eingeführt wurden, gingen die norddeutschen Exporte nach Russland um 47 Prozent zurück, bundesweit dagegen nur um 37 Prozent.“

Bei den drei aktuellen Herausforderungen „Digitalisierung“, „3-D-Druck“ und „Elektromobilität“ gebe es in Hamburg Licht und Schatten, sagte Melsheimer. Er schlug vor, bestehende Projekte – analog zum „Silicon Valley“ – unter eine gemeinsame Dachmarke zu stellen und ein Demonstrationszentrum einzurichten, in dem der 3-D-Druck erlebt und ausprobiert werden könne. Mit Blick auf die am 9. Februar vom Bundesverwaltungsgericht erwartete Entscheidung über die Elbvertiefung kritisierte der Präses, die Vorbereitung der Verhandlung sei nicht optimal gewesen.

Am schärfsten wandte Melsheimer sich gegen die Verkehrspolitik des Senats. 73 Prozent der Mitglieder beurteilten die Verkehrssituation als schlecht. Neben mangelhafter Baustellenkoordination stoße die Radverkehrspolitik auf. „Die Verlegung von Radwegen auf die Fahrbahn im Bereich von Hauptverkehrsstraßen gefährdet die Radfahrer und behindert den Wirtschaftsverkehr“, sagte Melsheimer – und bekam für die Worte donnernden Applaus.

Seite 2 Kommentar