Hamburg. Jenseits von Schmidt und Brahms gibt es in Hamburg sehr viel Kurioses, über das man ja mal reden kann ... Ein Smalltalk für Angeber.
Wer kennt es nicht: Die Stehtischparty kommt nicht in Gang, die Musik ist mau, die Kanapees fad und am schlimmsten: Der Typ, der auch nicht weiß, wohin. Smalltalk-Alarm! Und da der Hamburger in Hamburg über nichts lieber spricht als „seine Stadt“, gilt es jetzt, präpariert zu sein. Und sei es mit noch so unnützen Fakten.
Da trifft es sich gut, dass Sie kurz vor Silvester im Statistischen Jahrbuch geblättert haben und seither in Stadtgeschichte ebenso bewandert sind wie in Landwirtschaftsfragen.
Kurzum: Sie können fundiert über die Stadt parlieren, sind im Grunde ein wandelnder Almanach und somit bestens vorbereitet auf Stresstests wie diesen. Wie das Ganze dann verlaufen könnte, hat das Abendblatt – anerkanntes Fachblatt für Angeber – schon einmal vorempfunden ...
Gnädigste, dürfte ich mich kurz zu Ihnen stellen? Ist aber auch wieder ein Mistwetter. Typisch! Laut Statistik scheint hier ja an 74 Tagen im Jahr gar keine Sonne. Ich sag ja immer: weniger Wetter als Venedig, aber dafür mehr Brücken!
Im Ernst??? (Oh Gott, er kommt tatsächlich mit dem Klassiker) Kleiner Witz, das weiß nun wirklich jeder. Wobei 400 Brücken in Venedig auch nicht schwer zu überbieten sind, vor allem nicht für unser Hamburg mit seinen 2486. Darunter übrigens die längste Straßenbrücke Deutschlands, die Hochstraße Elbmarsch als Teil der A 7, aber das nur nebenbei. So kurz nach Weihnachten soll man ja Demut üben, nicht prahlen.
Schön, dass sie auf Weihnachten zu sprechen kommen. Da haben wir ja Brauchtum miterfunden hier in Hamburg, Sie kennen ja sicher Adventskranzerfinder Johann Hinrich Wichern. Auch als Theologe muss man erst mal darauf kommen, Kindern mit abgezählten Kerzen die Tage bis Heiligabend zu versüßen. The final Countdown sozusagen. Und das schon im Jahr 1839. Fast so faszinierend wie meine Lieblingszahl, die 22337.
Entschuldigung, sagten Sie was?
Ja, ich erwähnte gerade die eigene Postleitzahl von Europas größtem Parkfriedhof in Ohlsdorf. Eine hinreißende Hamburgensie.
Super! (atmet schwer)
Apropos super: Wussten Sie, dass sich Hamburg mit einigen Superlativen schmückt? Einziger Tideauenwald Europas: Wilhelmsburg! Größte Flussinsel Europas: wieder Wilhelmsburg! Längster Freiluftmarkt des Kontinents: I!Se!Markt! Und dann noch das größte Fitnesstudio Europas im Meridian Spa Wandsbek, den größten Elektromarkt Europas an der Mönckebergstraße! Nicht zu vergessen den spitzesten Fassadenwinkel Europas am Chilehaus und den höchsten Außenaufzug an einem Wohnturm am Kristalltower im Holzhafen. 66 Meter. Unglaublich!
Verzeihung, ich war kurz eingenickt. Aus welchem Teil Hamburgs kommen Sie eigentlich, Sie scheinen ja Experte zu sein.
Ich muss gestehen, dass ich aus Großhansdorf komme.
(... nicht mal Hamburger...) Hmm, das Erste, was mir zu Großhansdorf einfällt, ist, dass es dort einen U-Bahn-Anschluss gibt, weil ...
... ganz recht, meine Teuerste, weil es lange eine hamburgische Exklave war und einen Nahverkehrsanschluss an die Stadt haben sollte. Und während per Groß-Hamburg-Gesetz allerlei eingemeindet wurde, flog Großhansdorf raus. Und woher kommen Sie, wenn ich fragen darf?
Schmalenbeck. Wir teilen uns also den Heimweg ... (Wieso habe ich das gesagt?)
Hochinteressant! Dann wissen Sie sicher, dass Schmalenbeck als eine der wenigen Ortschaften sein Dehnungs-C behalten durfte. Barmbek, Wandsbek und alle anderen Beks haben ihr Dehnungs-C verloren. Doch Dehnungs-C hin oder her, wichtig ist, dass unsere Heimatorte zum HVV gehören. Seit 1965 der weltweit erste Verkehrsverbund überhaupt. Hammer, oder?
(Oh Gott) Ja, der Hammer, der absolute Hammer. Ehrlich gesagt: Ich werde langsam durstig. Aber hier gibt’s ja nur Astra und Holsten, auch keine echten Hamburger mehr ...
Hihihi, mal wieder die Dänen, kommt ja alle paar Jahrhunderte vor in der Stadt. Ich sag nur: Altona. Aber sei’s drum: Es wird ja noch Saft gereicht, und der ist Original Hamburg: Punica-Oase. Sie wissen schon: Mehr Frucht, weniger Durst. (summt)
Ja, das mag ja bis zum Juni 2016 so gewesen sein. Aber wie wir alle wissen hat Pepsi das Gelände in Wilhelmsburg ja verkauft. Um zur Punica Oase zu kommen, müssten Sie jetzt bis nach Neu Isenburg fahren. (Wie wäre es mit jetzt?)
Diese Reise würde nur das Heimweh in mir wecken. Wussten Sie, dass genau 24.857 Lieder über das schöne Hamburg geschrieben wurden?
Tatsächlich?
Nein, kleiner Scherz. Aber bei iTunes findet man immerhin 30 Lieder mit Hamburg im Titel. Vielleicht wird die Stadt deshalb so oft besungen, weil sie sich sympathischerweise als einziges Bundesland dem Karnevalswahnsinn entzieht. Das heißt auch Jahr für Jahr: Kein Hamburger Prinzenpaar fährt zum Empfang der Bundeskanzlerin nach Berlin. Das traut sich nur unsere Stadt.
(Er hat immer noch nicht genug.) In der Tat, dieses Jahr musste sogar Bonn aushelfen, um auf 16 zu kommen. Was das angeht, hat Hamburg wohl die Standhaftigkeit einer Deutschen Eiche.
Sie meinen wohl: einer Europäischen Eibe. Erstaunlich, dass Sie das erwähnen. Rein zufällig ist Hamburgs ältester Baum genau jene Eibe, 850 Jahre wächst sie nun schon ...
Lassen Sie mich raten, Sie wissen auch wo?
Ich wollte mich nicht aufdrängen, aber da es Sie interessiert: Die Uralt-Eibe steht am Neuländer Elbdeich, in Höhe der Hausnummer 198, wenn ich nicht irre .. .
Dünn besiedelte Gegend, meiner Kenntnis nach. Aber wenn man eh schon da ist, kann man ja ein Stück die Elbe hoch zum kleinsten Restaurant der Stadt, dem Zollenspieker Pegelhäuschen. Da finden dann alle Neuländer einen Platz. Ein Tisch, vier Stühle ...
Und wissen Sie was: Da fährt ein Bus hin! Der 120er! Ich hätte nicht wenig Lust, da jetzt mit Ihnen ... Aber wussten Sie, dass die deutschlandweit ersten Busfahrerinnen aus Hamburg kamen?
Selbstverständlich, aber damit ist die emanzipatorische Leistung der Stadt ja noch nicht hinreichend beschrieben. Denken Sie nur an die Loki-Schmidt-Pflanze, Bromelie Pitcairnia loki-schmidtiae. Die hat Frau Schmidt ja einst bei einer Mexikoreise 1985 selbst entdeckt ...
Entzückend, nicht wahr, ganz entzückend. Dann kennen Sie sicher auch die Bromelie Puya lokischmidtiae, das Balsaminengewächs Impatiens loki-schmidtiae, das venezolanische Rosengewächs Lachemilla loki-schmidtiae , die Orchidee Orchis lokiana sowie den Skorpion Tityus lokiae.
Elektrisierend, aber leider habe ich Altgriechisch nach der Zehnten abgewählt. Ich müsste jetzt trotzdem mal – wie der Lateiner sagt – Ego, ähm, ire Richtung latrina, per pedes.
Ui, ich hoffe doch, dass es nichts Ernstes ist. Nicht, dass Sie sich einen Nitrobacter Hamburgensis eingefangen haben ...
Ich korrigiere Sie nur höchst ungern, aber das halte ich in diesem Fall für ausgeschlossen. Die hamburgischsten aller Bakterien wurde bisher nur auf Sumatra und im hiesigen Botanischen Garten gefunden. Nicht im Darm, sondern im Boden (in dem Sie jetzt durchaus mal kurz versinken könnten). In diesem Sinn: Ich empfehle mich.