Harburg. Was sich 2017 in den Bezirken ändert, Teil 4: Wo in Harburg Tausende Wohnungen entstehen – und eine große Hanne-Darboven-Schau eröffnet wird

Obwohl die Harburger häufig den Verdacht äußern, der „Sprung über die Elbe“ sei abgebrochen worden, ohne dass er im Süden spürbar etwas verändert hätte, wächst der Bezirk. Vor allem in Neugraben-Fischbek, an der Südwestgrenze Hamburgs, entstehen neue Wohngebiete. 2017 kommt dort einiges in Bewegung. Bewegen werden sich auch Bildungseinrichtungen: Das nächste Jahr markiert den Beginn der großen Harburger Schulrochade.

Bei den Flüchtlingsunterkünften ist ebenfalls viel in Bewegung: Erstaufnahmen schließen, Folgeunterkünfte entstehen. Stillstand hingegen fürchtet Harburg in seiner Stadtmitte: Eine der wichtigsten Kreuzungen wird für Monate zur Baustelle. Grund genug, aufs Fahrrad umzusteigen, denn für Radfahrer soll im neuen Jahr einiges verbessert werden. Bezirksamtsleiter Thomas Völsch hat für 2017 schon einen vollen Aufgabenzettel.


Wohnraum im Westen:
Gleich drei neue Wohngebiete sind in Neugraben-Fischbek in Planung oder entstehen bereits. Im Plangebiet NF65, Vermarktungsname: Vogelkamp, einst berühmt geworden durch den Wachtelkönig, befindet sich bereits der dritte von vier Bauabschnitten in der Fertigstellung (1a). Alle vier Abschnitte zusammen bestehen aus 1500 Wohneinheiten, die meisten in Reihen-, Doppel- und Einzelhäusern. 2017 beginnt auch die Bebauung der ehemaligen Fischbeker Röttiger-Kaserne, alias Fischbeker Heidbrook (1b). In diesem Neubaugebiet entstehen etwa 800 Wohneinheiten, die meisten ebenfalls als Eigenheime. Lediglich im Zentrum des Quartiers soll es geförderten Geschosswohnungsbau geben. Auf wie viel Geschossen gebaut werden soll, ist derzeit ein heiß debattiertes Thema zwischen Bezirksamt, das neun Stockwerke bauen will, und örtlicher CDU, die höchstens sieben Stockwerke genehmigen will. Vom letzten der drei Baugebiete, der 2200 Wohneinheiten großen Gartenstadt Fischbeker Reethen (1c) wird man 2017 noch nichts sehen, aber viel hören: Die heiße Planungsphase beginnt, und Harburgs Kommunalpolitik wird darüber wohl diverse Debatten führen, die auch für die große Koalition aus SPD und CDU in der Bezirksversammlung Konfliktstoff bergen. Die SPD ist bemüht, möglichst viel von Bürgermeister Olaf Scholz’ ehrgeizigen Wohnungsbauzielen umzusetzen, die CDU als Häuslebauerpartei möchte möglichst wenig Mietwohnungen im Quartier. Zerbrechen wird die Koalition daran wahrscheinlich nicht: Bislang haben sich beide Partner immer zusammengerauft. In Erwartung von etwa 10.000 neuen Einwohnern im Quartier wird auch in bestehende Infrastruktur investiert: Der Sportplatz Kiesbarg (1d) wird erweitert, die Uwe-Seeler-Sporthalle (1e) grundsaniert, die Schule Ohrnsweg (1f) wird ertüchtigt. Anderswo im Bezirk gibt es nur wenig Platz für neue Wohnungen: Im Brückenquartier im Binnenhafen sowie an der Winsener Straße und an der Denickestraße entstehen einige Hundert. Allein 300 von ihnen werden an der Winsener Straße gegenüber dem Tivoliweg (1g)Anfang des Jahres offiziell eingeweiht. 80 weitere könnten an der Winsener Straße gegenüber dem Walter-Koch-Weg entstehen. Vorbereitende Baumaßnahmen sollen nach dem Frost beginnen. An der Denickestraße reißt die Saga 170 Wohnungen ab, um doppelt so viele neue zu errichten (1h).


Flüchtlingsunterkünfte:
Zwei der fünf Harburger Erstaufnahmen für Geflüchtete werden 2017 geschlossen. Die Container-Siedlung auf dem Schwarzenberg (2a) und die Unterkunft im ehemaligen Baumarkt am Geutensweg (2b) in Fischbek. Dafür entstehen Folgeunterkünfte für Flüchtlinge mit Bleibeperspektive: 300 Plätze am Sinstorfer Kirchweg, bei der Autobahnraststätte Harburger Berge (2c) werden Mitte, 700 Plätze am Aschenland (2d) in Fischbek Anfang 2017 fertig, außerdem am Aschenland noch einmal 90 Plätze in einfachen Reihenhäusern. Geplant ist auch eine Unterkunft am Rönneburger Stieg (2e). Die wird im nächsten Jahr allerdings höchstens für Diskussionen sorgen und noch niemandem helfen. „Durch die Errichtung von Folgeunterkünften für Flüchtlinge wird die Gesamtsituation für alle Beteiligten verbessert“, freut sich Bezirksamtsleiter Thomas Völsch (SPD), „prekäre Unterbringungssituationen werden durch angemessene Wohnformen abgelöst. Für die Harburgerinnen und Harburger bedeutet dies, dass uns der Schwarzenbergplatz von Sommer 2017 an wieder zur Verfügung stehen wird.“

Verkehr:
Hat der Bezirk Harburg im vorigen Jahr hauptsächlich über Schleichwege suchende und ortsfremde Autofahrer gestöhnt, die Verkehrschaos verursachten, spielt man 2017 aktiv mit: Die wichtigste Harburger Durchgangskreuzung an der Ecke Hannoversche Straße/Moorstraße wird 2017 für mehrere Monate gesperrt. Die Brücke der Hannoverschen Straße über die Bahngleise (3a) ist marode und muss komplett neu gebaut werden. Gleichzeitig überlegt die Bahn, die Gleise darunter zu erweitern.


Radler:
Theoretisch führen zwei große Velorouten durch den Bezirk Harburg, praktisch sind sie bisher kaum wahrnehmbar. Das soll sich 2017 ändern, und sowohl die Veloroute 10 von der Hamburger Innenstadt nach Neugraben (4a) als auch die Route 11 (4b)von der HafenCity zur Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) sollen tatsächlich gebaut werden. Außerdem prüft die Bezirksverwaltung zwei bezirkliche Fahrradstraßen, die politisch bereits beschlossen sind: durch das Göhlbachtal (4c) und durch die Denickestraße (4d). Am Ehestorfer Heuweg (4e) wird zum ersten Mal in Harburg eine Straßenkomplettsanierung vom Radweg her geplant. Baubeginn ist 2017. Und an der S-Bahn-Haltestelle Heimfeld (4f)entsteht eine Bike-and-Ride-Station mit Bügeln und Boxen. Zahlreiche alte Radwege werden allerdings verschwinden und höchstens durch Fahrradstreifen ersetzt.


Nahverkehr:
Die Hochbahn plant, die Buslinie 143 in Wilstorf statt schnurgerade über die Winsener Straße künftig über Rönneburger Straße Radickestraße und Gordon­straße zu verschwenken, (5a) um so mehr Anwohner zu erreichen. Bei den direkten Anwohnern der neuen Linienführung stößt das derzeit auf wenig Gegenliebe. Sie sammeln Unterschriften dagegen.

Schule: Im Sommer 2017 verlässt die Schule Kerschensteinerstraße (6a) die Kerschensteinerstraße und zieht zunächst in die bis dahin von der Sprachheilschule an der Baererstraße (6b) genutzten Gebäude ein. Die Schüler der Baererstraße rücken mit denen der Förderschule Schwarzenbergstraße (6c) am Standort Schwarzenbergstraße eng zusammen. In die Räume der Kerschensteinerstraße hinein erweitert sich die Goethe-Stadtteilschule Harburg (6d), die dafür wiederum Räume an der Bunatwiete (6e) für die Stadtteilschule Maretstraße (6f) frei macht. Damit ist die Rochade aber noch nicht komplett: Die Lessing-Stadtteilschule baut am Hanhoopsfeld (6g) einen ganz neuen Campus und wird den Gründerzeitbau (6h) in der Straße Am Soldatenfriedhof und ihren zweiten Standort (6i) am Sinstorfer Weg dort zusammenfassen. Am Soldatenfriedhof soll dann in einem erneuten Umzug die Schule Kerschensteinerstraße einziehen. 2018 soll das Manöver beendet sein.


Binnenhafen:
Der Wandel vom verträumten, etwas schmuddeligen Nebenhafen zum High-Tech und Business-Quartier schreitet auch 2017 voran. Nicht alle Beteiligten mögen das. Langsam kommt es zu Konflikten zwischen alteingesessenen Betrieben, Projektentwicklern und Apartmentbewohnern. Am Veritaskai (7a) errichtet die Lorenz-Gruppe einen 65 Meter hohen Hotelbau. Vorbereitende Arbeiten laufen, der Hochbau beginnt im Frühjahr. Dem Hotelbau ist der Harburger Beachclub gewichen, der eigentlich nur um die Ecke zum Treidelweg (7b) ziehen und gleich wieder aufmachen sollte. Allerdings muss dort vorher die Kaimauer saniert werden, und Bezirk und Betreiber streiten sich, wer das leisten soll. Dass der Schwager und Anwalt des Beachclubbetreibers gleichzeitig Fraktionsvorsitzender der CDU in der Bezirksversammlung ist, verleiht dem Konflikt eine besonders harburgische Note. Etwas weiter in Richtung Westen, zwischen Blohmstraße und Ziegelwiesenkanal entstehen 2017 die ersten Gebäude des „Hamburg Innovation Port“ (7c). Binnenhafen-Vordenker und Bauunternehmer Arne Weber schwebt hier eine Art Harburger Silicon Valley in Kooperation mit der TUHH vor. Das große Harburger Binnenhafenfest soll kleiner ausfallen.


Innenstadt:
Andernorts sind die Innenstädte die Vorzeigequartiere, in Harburg hat man lieber eine Ringstraße drum herum gebaut, um Besucher schnell woandershin zu führen. Versuche, die Innenstadt aufzupolieren, wird es auch 2017 geben: Rund um den Wochenmarkt am Sand (8a) startet ein Business Improvement District (BID). Der BID für die Fußgängerzone (8b) wurde voriges Jahr allerdings beendet. Harburgs Citymanagerin Melanie Gitte Lansmann bemüht sich, 2017 einen neuen BID auf die Beine zu stellen „aber ich muss noch einige dicke Bretter bohren“, sagt sie. Teile der Innenstadt sowie das angrenzende östliche Eißendorf (8c) sollen im Zuge des „Rahmenprogramms integrierte Stadtteilentwicklung“ (RISE) von 2017 an sozial aufgewertet werden. Der Harburger Rathausplatz (8d) wird 2017 eine öffentliche High-Tech-Toilette erhalten. So hofft das Bezirksamt, das Wildpinkeln durch die Trinkergruppen in den Griff zu bekommen. Ordnungspatrouillen sollen dabei helfen.


Hochschulen:
An der Spitze der Technischen Universität Hamburg-Harburg wird es 2017 einen Wechsel geben: Präsident Garabed Antranikian geht Mitte des Jahres in Pension. Sein Nachfolger wird Dieter Jahn, der von der TU Braunschweig nach Harburg wechselt. Er ist wie Antranikian von Haus aus Biologe. Mit Antranikians Pensionierung verliert der stark von Migranten geprägte Bezirk Harburg seine einzige Führungspersönlichkeit mit Migrationshintergrund.


Kultur
Neben den jährlich wiederkehrenden Festivals wie Südlese (Literatur), Südkultur Music Night (Clubkultur) und Harburger Kulturtag (Bildende Kunst) wird das Ereignis, das Besucher aus anderen Bezirken nach Harburg lockt, die Ausstellung „Hanne Darboven Studio“ in den Phoenix-Hallen der Sammlung Falckenberg werden. Die Ausstellung zeigt von Februar bis September, wie die 2008 verstorbene Harburger Künstlerin in ihrem Atelier gearbeitet hat.

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