Hamburg/Garding. Mit seinen plattdeutschen Liedern wurde der Musiker ungemein populär. Aber kaum jemand wusste von seiner Krankheit.
Auf seiner Facebook-Seite wird sein Konzert am 13. März 2017 in der Empore in Buchholz noch angekündigt. Mit dem Auftritt in der Nordheide wollte Knut Kiesewetter eine kleine Tournee mit drei Begleitmusikern unter dem Titel „Ein Stück von mir“ starten. Doch statt Kartenwünschen finden sich dort jetzt Kondolenzeinträge. „Ein Großer ist uns gegangen, tschüss Junge“, schreibt ein Fan.
Die Nachricht vom Tod des 75-Jährigen berührt viele Menschen im Norden. Kiesewetter war gerade in den 70er-Jahren mit seinen plattdeutschen Liedern ungemein populär. Die Platte „Leeder vun mien Fresenhof“, aufgenommen in einem Studio auf seinem Hof bei Husum, wurde sogar vergoldet.
In Garding lebte Kiesewetter zurückgezogen
In den vergangenen Jahren war es indes still um den Musiker geworden, der 1960 im Hamburger Musikclub Indra mit den seinerzeit noch weitgehend unbekannten Beatles konzertiert hatte. Er lebte zurückgezogen in der Gemeinde Garding auf der nordfriesischen Halbinsel Eiderstedt, genau dort, wohin er als Dreijähriger mit seiner Familie vor den Kriegswirren in Stettin geflohen war. Die Prominenz hatte ihn ohnehin nie gereizt. „Am Bekanntsein stört mich das Bekanntsein“, sagte er einmal.
Die Schauspielerin und Sängerin Caroline Kiesewetter (42) ist seine Nichte. Sie sagte: "Der Tod meines Onkels macht mich und meine Familie sehr betroffen und wir müssen uns erstmal sammeln. Musiker haben einen entscheidenden Vorteil, wenn sie sterben. Sie hinterlassen ihre unsterbliche, wunderbare Musik und das tröstet ein wenig."
Pastor Ralf-Thomas Knippenberg kannte ihn gut. „Oft sind wir uns bei Spaziergängen begegnet“, sagte Knippenberg im Gespräch mit dem Abendblatt. „Thomas, bist Du das?“, habe ihn Kiesewetter dann stets gefragt. Was kaum jemand außerhalb Gardings wusste: Schon seit vielen Jahren konnte der Musiker kaum noch etwas sehen. Seine Sehkraft lag nur noch bei zwei Prozent – Folge seiner schweren Diabetes-Erkrankung.
Frühes Ende seines Ausflugs in die Politik
Seinen Lebensmut, sagt Knippenburg, habe ihn das Erblinden aber nicht gekostet: „Knut war ein fröhlicher Mensch. Er war dankbar, dass er überhaupt so alt geworden war.“ Streitbar sei Kiesewetter, einst mit Liedern wie „Die Macht im Staat“ sehr wohl auch in der politisch linken Ecke der Liedermacherszene verortet, immer geblieben: „Mit ihm konntest du dich über Gott und die Welt unterhalten.“ Kiesewetter gehörte 1976 zu den Gründungsmitgliedern der „Grünen Liste Nordfrieslands“, beendete das Gastspiel in der Politik jedoch früh: „Ich war enttäuscht, denn viele waren nur Wichtigtuer.“
Diese Persönlichkeiten sind 2016 gestorben:
Das letzte Mal sahen sich Knippenburg und Kiesewetter bei einer Adventsfeier kurz vor Weihnachten. Da schmiedeten die beiden noch Pläne für die Zukunft: „Wir hatten mal überlegt, ob ich mit meiner Band bei seinen Konzerten im Frühjahr auftreten soll“, sagt Knippenburg.
Autobiografie bleibt sein Vermächtnis
Dazu wird es nun nicht mehr kommen. Kiesewetters Vermächtnis bleibt seine Autobiografie „Fresenhof – ein Stück von mir“, erschienen im September anlässlich seines 75. Geburtstags. Seine Frau Regine hatte ihn immer gedrängt, aber erst nach ihrem Tod 2015 diktierte Kiesewetter einer Weggefährtin Anekdoten aus seinem Leben. Die 400 Seiten sind auch in Teilen eine Abrechnung, mit ehemaligen Kollegen und mit seinem Vater, dem er „sadistische SS-Quälereien“ vorwirft. Direkt und klar – typisch Kiesewetter.
Knut Kiesewetter singt "Fresenhof":