Osdorf. Bewohner einer Siedlung in Alt-Osdorf setzen sich dafür ein, dass die Familien aus Syrien und Afghanistan bei ihnen im Haus wohnen bleiben können.

Es ist ein trüber Dezembertag. Draußen wird es so gut wie nicht hell. Und kalt ist es. Doch aus dem Innenhof einer Wohnsiedlung in Alt-Osdorf dringt etwas Wärme. Und das liegt nicht nur durch den dort angezündeten Feuertopf und den Punsch, der ausgeschenkt wird. Es liegt vor allem an den Bewohnern.

Feier trotz der Anschläge in Berlin

Bewohner wie Juan Romero. Er hat zu diesem Treffen Kerzen mitgebracht. Zwölf Stück. „Ich möchte etwas sagen“, erklärt er. Nach dem Terroranschlag auf einem Weihnachtsmarkt in Berlin habe man überlegt, das Treffen lieber abzusagen. Doch dann entschieden sich die Anwohner dagegen. „Die Leute, die wir hier unterstützen, haben mit diesem Anschlag nichts zu tun“, sagt Romero fest. Dann wendet er sich direkt an diese „Leute“, die er meint und die zwischen ihren neuen Nachbarn im Halbkreis um den Feuertopf stehen. „Zu unseren Freunden möchte ich sagen: Ihr seid nicht so.“ Und bevor alle gemeinsam der Opfer gedenken, sagt Romeo noch: „Wir möchten mit euch leben.“

Tatsächlich ist in dieser Siedlung einiges etwas anders. Wo es sonst vielerorts darum geht, neue Unterkünfte vor der Haustür zu verhindern, haben die Anwohner an der Tietzestraße vehement dafür gekämpft, dass Flüchtlinge bei ihnen im Haus einziehen können. Und derzeit machen sie sich dafür stark, dass die neuen Bewohner auch bleiben dürfen. Einen kleinen Teilerfolg konnten sie dabei schon verbuchen. Die befristeten Mietverträge wurden verlängert, sodass die Flüchtlinge die Weihnachtsfeiertage in ihrem neuen Heim verbringen konnten und nicht in eine Sammelunterkunft, wie ursprünglich geplant, umziehen mussten. Letzteres wollen die engagierten Anwohner unbedingt verhindern. Der Ausgang ist aber noch ungewiss.

Flüchtlinge leben in Dachgeschosswohnungen

Alles begann vor etwa einem Jahr. In der Wohnsiedlung der Saga machten sich die Bewohner Gedanken, wie sie einen Beitrag leisten können. „Seit der Modernisierung der Häuser stehen hier drei Dachgeschosswohnungen frei“, erzählt Michael Jöde. Sie wurden erst als Alternativwohnungen während der Umbaumaßnahmen genutzt. Später standen sie aufgrund eines Rechtsstreits wegen der Dachsanierung leer, während alle anderen Mietwohnungen der Saga als Eigentumswohnungen verkauft wurden. Der Rechtsstreit sei bis heute nicht geklärt, so Jöde.

Die Anwohner warben deshalb mit Nachdruck bei der Saga und der Stadt dafür, die freien Wohnungen doch als Unterkunft für Flüchtlinge zu nutzen. Seither leben hier drei Familien: Familie Faqiri und Sadeqi aus Afghanistan sowie die Jumanns aus Syrien. Sie sind gut integriert in die Wohngemeinschaft. Das wird bei dem Punsch-Treffen mehr als deutlich. Die Nachbargemeinschaft, die gut vernetzt ist, hat sich die Aufgaben aufgeteilt. Jede Familie hat Ansprechpartner. Lehrer Michael Jöde und seine Frau kümmern sich beispielsweise vor allem um die Faqiris. Es geht um die Unterstützung bei Dokumenten, Sprachnachhilfe oder um ganz alltägliche Fragen und Bedürfnisse.

Sie sollten in Sammelunterkünfte umziehen

Zuletzt ging es um die Frage, was denn eigentlich Weihnachten ist. Danach wünschten sich die Faqiris auch einen Weihnachtsbaum, den haben die Nachbarn besorgt, gemeinsam wurde er geschmückt. Nicht ganz klar wurde wohl dabei das Datum. Denn die Faqiris standen ein paar Tage vor Heiligabend an der Tür ihrer Helfer und hatten Geschenke dabei. „Wir haben uns fast ein wenig geschämt, sie anzunehmen, weil die Familie doch so wenig hat“, sagt Jöde.

Nicht immer ist alles leicht. Mal prallen auch die unterschiedlichen Welten aufeinander, mal gibt es Kommunikationsprobleme. Doch miteinander zu reden, sich die Dinge notfalls mit Händen und Füßen zu erklären, hilft. Laut Jöde gab es vor dem Einzug der Flüchtlinge bei dem einen oder anderen Bedenken, diese seien heute aber weg. Rund 30 Bewohner engagieren sich auf die eine oder andere Weise für die Integration ihrer neuen Mitbewohner. „Wir haben hier eine Struktur geschaffen, die das gut auffangen kann“, sagt Jöde. Umso mehr waren die engagierten Anwohner entsetzt, als Ende des Jahres der befristete Mietvertrag, den „Fördern & Wohnen“ mit der Saga geschlossen hatte, nicht verlängert werden sollte. Die gut integrierten Familien sollten raus aus den Wohnungen, rein in Sammelunterkünfte.

Mietvertrag bis März verlängert

Ein Plan, der auch bei den Altonaer Bezirkspolitikern für Kopfschütteln sorgte. Denen trugen die Anwohner das Problem vor. Gemeinsam mit dem Bezirk wurde um eine Lösung gerungen. Mit Erfolg. Der Mietvertrag wurde bis Ende März verlängert. Das bestätigt Susanne Schwendtke als Sprecherin von „Fördern & Wohnen“. Währenddessen solle nach alternativen Wohnungen möglichst in der Nähe gesucht werden. Für die syrische Familie wurde bereits eine gefunden. Sie ziehen im Februar um. Dass auch die beiden anderen Familien möglichst in unmittelbarer Umgebung unterkommen, dafür wollen ihre Nachbarn sorgen.