Hamburg. Eine Frau trifft den Mann vor Gericht, der sie auf dem Kiez mit einem abgebrochenen Flaschenhals bedroht hat.

Für viele Menschen ist es ein schwerer Gang. Als Zeuge in einem Prozess auszusagen, vor allem als Opfer einer Straftat – das bedeutet oft, wieder mit großer Wucht mit einem Angriff konfrontiert zu werden. Bilder, die erneut auf das Opfer einstürzen, Ängste, die wieder hervorbrechen. Manche Zeugen versuchen, sich zu wappnen, indem sie den Blickkontakt mit dem Angeklagten meiden, auf diese Weise die größtmögliche Distanz wahren. Eine Art unsichtbarer Schutzschild.

Wanda T. (alle Namen geändert) wählt einen anderen Weg, die Konfrontation. Die 28-Jährige sagt von sich: „Ich bin eine starke Frau.“ Und so schildert sie im Prozess vor dem Amtsgericht, wie ihr Freund im August auf der Reeperbahn von einem Mann attackiert und verletzt wurde, wie der Angreifer auch sie mit einem abgebrochenen Flaschenhals bedroht habe – sie, eine seinerzeit im sechsten Monat schwangere Frau. „Mein Kind wächst in mir heran“, wendet sich die junge Frau direkt an den Angeklagten. „Und du stehst vor mir und bedrohst mich. Weißt du, was du anderen damit antust?“

Tarek K. fühlte sich angeblich provoziert

Damit hat Tarek K. ganz offensichtlich nicht gerechnet. Der 22-Jährige, unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt, hat bis zu diesem Moment recht selbstbewusst gewirkt und nicht wirklich betroffen. Über seinen Verteidiger hat der Mann mit dem Hipster-Bart eingeräumt, auf dem Kiez mit einem Mann „aneinandergeraten zu sein.

Er fühlte sich provoziert, als ein Mann in seine Richtung kam“, schildert sein Anwalt für ihn. „Er schubste ihn, der Mann fiel hin und schlug mit dem Kopf auf.“ Allerdings habe der Angeklagte, anders, als es ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft, keine Flasche zerschlagen und auch niemanden damit bedroht – den Mann nicht und nicht dessen Partnerin. „Und dass die Frau schwanger war, war ihm nicht bewusst.“

Opfer trug stark blutende Wunde davon

Doch nach Ansicht der Zeugen kann Tarek K. dies unmöglich entgangen sein. „Meine Freundin rief mehrmals, dass sie ein Kind bekommt“, erzählt der Mann, der attackiert wurde. „Ich bekam einen Schlag auf den Kopf und ging zu Boden. Ich war kurz bewusstlos.“ Das Opfer trug eine stark blutende Wunde davon. Als er wieder zu sich kam, hockte seine Freundin bei ihm auf dem Boden. „Ich hatte meinen Freund im Arm“, erzählt Wanda T. „Ich versuchte, mit meiner Jacke die Blutung an seinem Kopf zu stillen.

Und ich schrie den Angreifer an, dass ich schwanger bin!“ Zuvor habe der Mann sie mit der zerbrochenen Flasche bedroht. „Er hielt sie mir entgegen. Ich hatte Angst um mein Kind und um das Leben meines Freundes.“ Der 22-Jährige solle sich vorstellen, seine Schwester komme zu ihm „und erzählt, dass jemand sie bedroht hat und ihr ungeborenes Kind. Verstehst du jetzt, was ich durchgemacht habe?“ Tarek K. nickt. „Das verstehe ich.“ Man möchte es ihm glauben. Der Prozess wird fortgesetzt.