Hamburg/Kiel. Hamburg und Schleswig-Holstein müssen die im Sommer angekauften Schiffskredite schon jetzt abwerten
Die Rettung der HSH Nordbank schlägt weiter auf Hamburg und Schleswig-Holstein durch: Die Schiffskredite, die die Länder der Bank Mitte des Jahres für 2,4 Milliarden Euro abgenommen hatten (rückwirkend zum 31.12.), waren schon drei Monate später nur noch gut zwei Milliarden Euro wert. Das hat die HSH Portfoliomanagement („PoMa“), eine von den Ländern eigens für diese Transaktion geschaffene Anstalt mit Sitz in Kiel, am Mittwoch mitgeteilt.
Demnach wurde auf die Kredite, hinter denen sich Finanzierungen für 253 Schiffe verbergen, per 30. September eine Risikovorsorge von 341,1 Millionen Euro gebildet. Theoretisch kann diese zwar bei einem unerwartet positiven Geschäftsverlauf auch wieder aufgelöst werden, aber angesichts der anhaltenden Schifffahrtskrise ist das unrealistisch. Stattdessen zeichnet sich ab, dass Hamburg und Schleswig-Holstein mit den angekauften Krediten einen riesigen Verlust machen werden – über die zehn Milliarden-Euro-Garantie hinaus, die die Länder der HSH stellen und die die Bank nach eigener Prognose wohl komplett in Anspruch nehmen muss.
„Zwischen dem zweiten und dritten Quartal 2016 reduzierten sich die Prognosen der Charterraten in den für uns wesentlichen Schiffsegmenten bis zu 21 Prozent“, sagte PoMa-Vorstand Ulrike Helfer. „Dieser Rückgang hat erheblichen Einfluss auf die Rückzahlungsfähigkeit der von uns finanzierten Schiffe.“ Wie ihr Vorstandskollege Karl-Hermann Witte ergänzte, folge die Risikovorsorge „dem buchhalterischen Vorsichtsprinzip“.
Die Opposition in der Bürgerschaft sieht den Vorgang äußerst kritisch. „Bereits drei Monate nach dem Ankauf der Kredite durch die Bundesländer kommt es schon zu massiven Wertberichtigungen“, sagte CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer. „Dies wirft ein ganz schlechtes Licht auf diesen Deal, bei dem der Senat offensichtlich einen viel zu hohen Kaufpreis zulasten der Steuerzahler gezahlt hat.“
Dieser Meinung ist auch Norbert Hackbusch, Haushaltsexperte der Linkspartei: „Die erneute Rettung der HSH zum vergangenen Jahreswechsel wird immer teurer und teurer. Hier wird mit Milliarden jongliert. Das Vertrauen in die HSH, aber auch in den Senat ist aufgebraucht.“ Michael Kruse, Wirtschaftsexperte der FDP, sagte: „Die Absenkung des Portfoliowerts nur drei Monate nach Übertragung ist ein Schlag ins Gesicht der Hamburger Steuerzahler. Der rot-grüne Senat hat schlechtem Geld gutes hinterhergeworfen, was sich nun rächt.“
Kruses Aufforderung an Finanzsenator Peter Tschentscher und Bürgermeister Olaf Scholz (beide SPD), „diesen riesigen Wertverlust“ zu erklären“, löste in der Finanzbehörde Verwunderung aus. Die Erklärung – die Schifffahrtskrise – liege auf der Hand, und der Senat habe immer auf die Risiken aus der HSH hingewiesen, so Sprecher Daniel Stricker. Hamburg und Schleswig-Holstein hätten im Rahmen der EU-Auflagen Risiken aus der HSH Nordbank übernommen, um diese zu entlasten und für einen Verkauf im Jahr 2018 vorzubereiten. „Dies sind aber keine neuen Risiken, sondern Altrisiken aus einer Zeit, als die CDU für die unverantwortlichen Geschäfte der HSH Nordbank selbst die Verantwortung trug“, so Stricker. Für diese Risiken hätten die Länder über ihre Garantie „so oder so geradestehen müssen“.
Für Wirbel sorgte eine weitere Nachricht: Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) wurde vom Verwaltungsrat der Portfoliomanagement AöR mit der Prüfung des Jahresabschlusses 2016 beauftragt. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage von Thilo Kleibauer hervor. PwC war bereits im Frühjahr für die Länder tätig. Nachdem die EU den Wert des Portfolios festgelegt hatte, der von der HSH an die PoMa übertragen werden sollte, hatte PwC in einem Gutachten bestätigt, dass der Preis in Ordnung ist.
„Es ist geradezu grotesk, dass ausgerechnet PwC jetzt den Jahresabschluss der Länderanstalt prüfen soll“, findet Kleibauer. „Vor ein paar Monaten hat PwC den Kaufpreis für Bundesländer bewertet, wie soll dieselbe Firma dann jetzt unabhängig prüfen? Dies ist mehr als fragwürdig.“ Auch in diesem Punkt ist er sich mit Norbert Hackbusch von der Linkspartei einig: „PwC wird keine Energie zeigen, den Kaufpreis kritisch zu hinterfragen.“
Diesen Vorwurf weisen die Landesregierungen jedoch zurück. „Unsere Juristen prüfen vor der Vergabe von Aufträgen immer, ob es mögliche Interessenkonflikte gibt“, sagte Agnes Witte vom Finanzministerium in Kiel.
Gemäß den EU-Auflagen dürfen die Länder der HSH notleidende Kredite über bis zu 6,2 Milliarden Euro abnehmen – bezogen auf den Wert in den HSH-Büchern. Für die erste Tranche in Höhe von fünf Milliarden Euro hatte die EU einen Verkaufspreis von 2,4 Milliarden festgelegt – die restlichen 2,6 Milliarden erhält die HSH aus der Länder-Garantie. Für Wirbel hatte gesorgt, dass die Bank noch vor dem Übertrag auf die Länder den Kreditnehmern, darunter ein Hamburger Reeder, mehr als 800 Millionen Euro erlassen hatte.