Hamburg. Stefan Gwildis, Joja Wendt und Rolf Claussen bringen 6000 Fans in Hamburg in Stimmung – mit Soul, Blues, Döntjes und dumm Tüch.

Also, eine besinnliche Teestunde ist es nicht, aber auf alle Fälle ein Heimspiel. Wenn Stefan Gwildis, Joja Wendt und Rolf Claussen die Barclaycard Arena rocken, fühlt sich das eher an wie eine Mischung aus Familientreffen und nordisch-ekstatischer Tanzparty. Im vorigen Advent hatten die Söhne Hamburgs schon das Winderhuder Fährhaus gefüllt. Da war die Arena quasi die logische Fortsetzung: „ Als Hamburger will man einmal in dem Riesending gespielt haben“, meinte Joja Wendt.

Die große Halle ist ein wenig ungewohnt

Das leuchtete mehr als 6000 Fans ein: Massenweise sind sie am 18.12. aus der ganzen Metropolregion herbeigeströmt, um sich ab 18.12 Uhr vor dem Fest noch mal ordentlich mit guter Laune, Soul und Jazz, Blues und Salsa, Döntjes, dumm Tüch und auch einer Spur Melancholie zu stärken. „ Dass ihr auf Rosamunde Pilcher und Der Hobbit verzichtet, finde ich toll“, freute sich Gwildis bei der Begrüssung.

Ein bisschen gewöhnungsbedürftig ist es für die drei wohl doch noch in der grossen Halle, manche Moderationen holpern etwas. Aber die „Söhne“, die schon in den 70er Jahren gemeinsam Straßenmusik machten, sind ein eingespieltes Triumvirat, das sich nach Herzenslust anfrozzelt und inzwischen als „Best-Ager-Boyband mit Kreischfaktor“ versteht. Und gekreischt wird wirklich.

Unterstützung durch 26 tolle Musiker und Mitsänger

Schon bei der Salsa-Nummer „Kira Petersen“, einer Hommage an eine hamburgische Fischfachverkäuferin mit kräftigen Händen und goldenem Herzen („die kleinen lässt du laufen, die großen nimmst du aus“). „Viele wissen ja nicht, dass der Salsa im späten 17. Jahrhundert mit einem Fischkutter aus Hamburg nach Costa Rica gelangte“, erklärt Claussen dem Publikum, und umgekehrt exportierte Costa Rica dann den Gabelrollmops nach Hamburg. Gut, dass das mal jemand offenlegt. In der „typischen Salsa-Stadt Hamburg“ gibt es aber noch vieles andere zu klären. „ Moin Moin Moin“, auch der Titel des neuen Söhne-Albums, ist das ultimative Zurechtrück-Lied über Vorurteile gegen Nordlichter. Wir sind weder dröge noch stur oder kühl! Das scheint bloß so, „weil man nicht von außen sieht / wir sind pures Dynamit“! Der Text ist offenbar vielen im Publikum schon geläufig: „Was sacht die Kuh beim Widerkäun? Was sagen die Leudde, die sich freun? Moin Moin Moin“.

Zur Unterstützung haben sich die Söhne Hamburgs 26 tolle Musiker und Mitsänger/innen mitgebracht, darunter den Young Spirits Gospel Choir aus Elmshorn und die Tänzer der New Swing Generation aus Altona. Wie Söhne-Fans bereits wissen, müssen auch die Zuhörer aktiv werden - singen, schnippen, grooven.

Hamburger Rat Pack rekonstruiert deutsche Originaltexte

Und statt Feuerzeugen Handys schwenken, heute raucht ja keiner mehr. Zwischendurch wird es immer wieder sanft, leise und adventlich, nicht zuletzt dank der drei stimmgewaltigen Soul-Sängerinnen, die - quasi als Christmas-Ladies – die Halle stimmungsvoll erwärmen. In einem Medley geben Gwildis, Wendt und Claussen dann eine Eigenleistung zum Besten: Weil wir jedes Jahr mit amerikanischen Weihnachts-Schlagern zugedudelt werden, „die ja alle aus Deutschland kommen“, wie Claussen forsch behauptet, hat das Hamburger Rat Pack die deutschen Originaltexte rekonstruiert.

Da wird aus „White Christmas“ ein Weihnachtsszenario vor der Unfallchirurgie („wenn die rentner schlittern / und die knochen splittern...“). Aus „Jingle Bells“ wird „Single Welt" und aus „ Rudolph the red-nosed reindeer“ wird „Rudolf der Fettkloß pennt hier“. Und aus „Last Christmas“ zur allgemeinen Erheiterung „Lars kriegt nix“. Die Mischung des Abends ist eingängig, wenn auch wild. Neben Stimmungs- und Liebesliedern („Sie lässt mich nicht mehr los“ ) steht das Trio auch für freche Zeitgeist-Songs wie „Der deutsche Mann tanzt im Sitzen“. Weil: Tanzen ist nicht so sein Ding, er dreht keine Runden, er schmeißt lieber welche. Dafür tanzt er mit den Augen. Die Frauen im Publikum fühlen sich sichtlich verstanden.

Ein Höhepunkt ist „What A Wonderful World“

Kein Wunder: Stefan Gwildis ist ja nach eigenen Angaben ein „ Speckgürtelfrauen-Versteher“, wettergegroovt und bluesgetränkt. Joja Wendt hat am Klavier schon Chuck Berrys und Joe Cockers Deutschlandtourneen begleitet, kann alles von Boogie-Woogie bis Ballade und stürzt sich in seine Soli wie beim Biathlon. Zwischen den beiden „Diven“ der zum Glück humorgestählte Rolf Claussen, der als Schauspieler der Impro-Theatergruppe hidden shakespeare dem Publikum zuverlässig Lachtränen in die Augen treibt. Drei Kumpels wie beim Angelausflug an der Doveelbe, bloß im Abendanzug. Im zweiten Teil des Konzerts zeigen die Söhne auch ihre internationale Seite, unter anderem mit Standards wie Amore oder Buona Sera.

Ein Höhepunkt ist „What A Wonderful World“ - zu tosendem Beifall gesungen von dem Jazz-Veteranen Bill Ramsay, der seit langem in Hamburg lebt und in diesem Jahr 85 Jahre alt wurde. „Auch so ein Sohn Hamburgs“, findet Gwildis. Dass Zugaben verlangt werden, ist so klar wie zapffrisches Astra. Mit „den Rest vom Tatort gucken“, wie Joja Wendt geschätzt hatte, wird es heute nichts mehr. Aber: Nach drei Stunden ist das Publikum musikalisch vor weihnachtlich vorgeglüht. Wer will, kann sogar fürs nächste Jahr vorsorgen: Der Ticketverkauf fürs Söhne-Konzert am 8. Dezember 2017 läuft ab sofort.