Hamburg. Betroffen sind 200.000 Haushalte in 16 Stadtteilen. Wer keine blaue Tonne hat, muss zum Container. Bürgerverein protestiert.
Die Hamburger müssen sich bei der Entsorgung von Altpapier zum Jahresanfang auf eine grundlegende Veränderung gefasst machen: Vom 1. Januar an stellt die Stadtreinigung die Sammlung vom Straßenrand ein. Das bedeutet: Wer noch keine blaue Tonne hat, muss sein Altpapier künftig zum nächsten Container tragen.
In immerhin 16 Hamburger Stadtteilen gab es bisher noch die Möglichkeit, das gebündelte Papier vom Straßenrand abholen zu lassen, und zwar in Altona Altstadt, Altona Nord, Eimsbüttel, Hoheluft West, Hoheluft Ost, Eppendorf, Harvestehude, Rotherbaum, Ottensen, St. Pauli, St. Georg, Neustadt, Sternschanze, Uhlenhorst, Winterhude und Blankenese (Treppenviertel). Doch das waren Ausnahmen. Denn faktisch hatte die Stadtreinigung die Abholung schon zum Sommer 2008 hamburgweit eingestellt. Lediglich dicht besiedelte Stadtteile mit einem hohen Anteil an Altbauten hatten noch eine Übergangsfrist erhalten – die nun definitiv endet.
151.000 blaue Tonnen im Einsatz
Betroffen seien in den 16 Stadtteilen insgesamt rund 200.000 Haushalte und Gewerbetreibende, so die Stadtreinigung. Allerdings verfügt die Hälfte davon bereits über eine blaue Tonne und nutzte die Papiersammlung zuletzt lediglich zusätzlich.
Die seit dem 1. Januar 2011 geltende Wertstoff-Verordnung verpflichtet alle Hauseigentümer, neben der Restmülltonne auch Behälter für Bioabfall und Papier aufzustellen. 151.000 blaue Tonnen sind in Hamburg mittlerweile im Einsatz, doch viele Immobilienbesitzer, vor allem Eigner von Mehrfamilienhäusern, haben immer noch keine aufstellen lassen. Die meisten machen geltend, dass sie vor den Häusern oder in den oft eng bebauten Innenhöfen keine Abstellmöglichkeiten für die Tonnen haben.
Aus diesem Grund hatte die Stadtreinigung in den vergangenen Jahren lediglich „sanften Druck“ auf die Tonnen-Boykotteure ausgeübt und weiterhin auf Freiwilligkeit gesetzt. In einem jetzt an die Eigentümer versandten Schreiben der Stadtreinigung, in dem das Ende der Straßensammlung angekündigt wird, heißt es unmissverständlich, dass das Altpapier in Hamburg „grundsätzlich“ über die blaue Papiertonne gesammelt werde. „Bestellen Sie am besten schon jetzt ihre blaue Altpapiertonne“, so die Empfehlung.
Schon vor einem Jahr hatte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) im Abendblatt angekündigt, das Hausbesitzer auf lange Sicht damit rechnen müssten, blaue Tonnen irgendwann automatisch geliefert zu bekommen – verbunden mit der Auflage, sie umgehend aufzustellen.
Laut Stadtreinigung-Sprecher Andree Möller wurden schon mehrfach Briefe an all diejenigen verschickt, die noch keine blaue Tonne aufgestellt haben. Die meisten Schreiben gingen an die Wohnungswirtschaft, rund zehn Prozent an Hausbesitzer. Wer keine Gründe für eine Befreiung von der Pflicht geltend machen kann und weiterhin nichts von sich hören lässt, muss mit weiteren Nachfragen rechnen. „Wir werden uns das jetzt sehr genau anschauen“, so Möller.
Appell an das Umweltbewusstsein
Die Stadtreinigung appelliert dabei auch an das Umweltbewusstsein der Hamburger. Zum einen komme es bei stürmischem Wetter immer wieder zu Verunreinigungen durch „Verwehungen“ schlecht verpackten Mülls. Zum anderen müssten die Lkw der Abholer nach der Umstellung nicht mehr dauernd durch die engen Straßen fahren, was vor Ort einen geringeren CO2-Ausstoß bedeutet.
Doch erste Widerstände formieren sich bereits. Im Blankeneser Treppenviertel herrscht Fassungslosigkeit über das Aus für die Papiersammlung. Über viele Jahrzehnte hatten die Bewohner des schwer zugänglichen Quartiers ihre Zeitungsbündel einmal pro Woche oben an den Straßen des „Dorfs“, zum Beispiel „Am Kiekeberg“ abgelegt, nun ist demnächst Schluss damit. „Wie sollen wir Älteren denn eine blaue Tonne
voller Papier die Treppen hinaufziehen“, ereifert sich Silvia Both, die an der Flashoffs Treppe wohnt. Und die 93-jährige Anwohnerin Mignon Witt sagt verzweifelt: „Ich kann die alten Zeitungen doch nicht den weiten Weg zum Container am Blankeneser Markt tragen.“
Schriftlicher Protest
Der Blankeneser Bürgerverein hat sich bereits eingeschaltet und schriftlich bei der Stadtreinigung protestiert. „Wer das Treppenviertel kennt, weiß, dass es wegen der dort bestehenden Enge kaum möglich sein wird, die favorisierten blauen Papiertonnen aufzustellen“, schreibt der stellvertretende Vorsitzende Helmut Wichmann, der sich auch an Altonas Bezirksamtsleiterin Liane Melzer gewandt hat. Und weiter: „Wie sollen die Bewohner treppauf-treppab die schweren Papiertonnen zur Straße schleppen?“
Bei der Stadtreinigung ist man auf die Proteste vorbereitet. Laut Andree Möller gibt es in den 16 betroffenen Stadtteilen bislang 134 Containerstandorte mit 385 Papiercontainern. Als erste Sofortmaßnahme sei die Einrichtung von zehn weiteren Standorten geplant. Geprüft werde auch, ob besonders stark genutzte Container häufiger geleert werden können. Auch die Zahl der besonders benutzerfreundlichen Papiercontainer, die statt über einen Schlitz über eine blaue Klappe befüllt werden können, solle erhöht werden.
Den Bewohnern des Treppenviertels macht Möller nicht allzu viel Hoffnung. Zwar werde man die Situation vor Ort gründlich prüfen, Präzedenzfälle könnten aber nicht geschaffen werden.