Stellingen. Volkswirtschaftlicher Schaden der Stadt beträgt 7,7 Milliarden Euro – Ursache sind viele Baustellen. Kieler Straße nach Rohrbruch länger gesperrt

Es war am frühen Mittwochmorgen, als die Graugussleitung brach. Innerhalb kurzer Zeit drückten unter der Kieler Straße in Stellingen Tausende Liter Trinkwasser aus dem zerborstenen, 30 Zentimeter dicken Rohr in das umliegende Erdreich und unterspülten auf großer Fläche eine der wichtigsten Ausfallstraßen Hamburgs. Gegen sechs Uhr machte die Polizei die Trasse in beide Richtungen dicht.

Es dauert nicht lange – die Rushhour war in vollem Gang –, bis das Verkehrschaos perfekt war. Zwar wurde der Autoverkehr stadtauswärts über den Langenfelder Damm und stadteinwärts über die Koppelstraße umgeleitet. Wer aber die Situation dort kennt, kann sich vorstellen, dass die Nebenstraßen mit der Blechlawine rasch überfordert waren. Immerhin passieren werktags im Durchschnitt 56.000 Fahrzeuge den Abschnitt der Kieler Straße, der jetzt bis auf Weiteres gesperrt sein wird. Damit gehört die sechsspurige Trasse zu den am meisten befahrenen Stadtstraßen Hamburgs.

Ein Sprecher des städtischen Unternehmens Hamburg Wasser konnte Mittwochabend die genaue Ursache für den Rohrbruch nicht benennen. Möglicherweise hätten die Minustemperaturen der vergangenen Tage das Erdreich frieren lassen. „Gefrorenes Wasser dehnt sich aus,und dann reichen manchmal Erschütterungen durch den Schwerlastverkehr.“

Auch wenn die kilometerlangen Staus im Westen Hamburgs am Mittwoch durch einen Rohrbruch verursacht wurden, so passt das Ereignis ins Bild der Anfälligkeit von Hamburgs Verkehrsinfrastruktur. Insofern überraschte die ebenfalls am Mittwoch veröffentlichte Untersuchung des Unternehmens Inrix wenig, wonach Hamburg mit London, Paris und Rom derzeit zu den vier Städten in Europa gehört, die am meisten unter Staus leiden.

Das Unternehmen hatte mithilfe einer Software und Millionen von Daten 2,3 Millionen Straßenkilometer in 24 europäischen Ländern auf spezielle Verkehrsbrennpunkte, die Staus verursachen, hin untersucht. In Deutschland ist Hamburg die Stadt mit den meisten sogenannten Verkehrsbrennpunkten. Auf den Plätzen zwei und drei folgen München und Stuttgart. Nach Berechnungen von Inrix verursachen die Staus in der Hansestadt bis zum Jahr 2025 Kosten in Höhe von 7,7 Milliarden Euro.

Das hohe Verkehrsaufkommen in Hamburg erkläre sich aus der hohen Bevölkerungsdichte und der Tatsache, dass der Hamburger Hafen zu den wichtigsten Drehkreuzen für den europä­ischen Warenverkehr zähle, so das Unternehmen weiter.

„Erschwerend“ für Hamburg kommt derzeit das Baugeschehen auf der A 7 hinzu. Seit gut drei Jahren wird die Autobahn auf fast 60 Kilometern Länge bis zum Bordesholmer Kreuz um jeweils zwei Fahrspuren erweitert. hinzu kommen die Sanierung der rund 400 Meter langen Langenfelder Autobahnbrücke in Stellingen und der Bau von Lärmschutztunneln. In der Folge gehören kilometerlange Staus derzeit zum Alltag für Autofahrer.

„Hamburg baut zurzeit die A 7 auf acht Spuren aus“, erklärte Verkehrsstaatsrat Andreas Rieckhof (SPD) zu der Studie. „Dies wird von 2019 an für eine deutliche Entlastung sorgen.“ Zudem analysiere die Studie ausschließlich Daten aus dem vergangenen September. „Damals hat der Landesbetrieb Straßen im Bereich Othmarschen zusätzlich zu dieser Großmaßnahme die Fahrbahn erneuern müssen.“ Hier laufe der Verkehr inzwischen wieder flüssig. Daher seien die in der Studie zugrunde gelegten Zahlen nicht repräsentativ.

CDU und FDP übten hingegen heftige Kritik an der Verkehrspolitik des rot-grünen Senats. „Die Hauptursache ist die katastrophale Baustellenkoordinierung des Senats“, sagte der CDU-Abgeordnete Dennis Thering. „So wurden zuletzt zahlreiche Baustellen gleichzeitig an neuralgischen Punkten in und um Hamburg eingerichtet.“

Der FDP-Verkehrspolitiker Wieland Schinnenburg sprach von einer „verkehrspolitischen Bankrotterklärung“ von Rot-Grün. Die Vorschläge seiner Partei lägen seit Langem auf dem Tisch: „Telematik, besseres Baustellenmanagement, Abschaffung der P+R-Gebühren, Wiedereinführung der Stellplatzpflicht“.