Hamburg. Die Band um Sänger Klaus Meine holte das im März abgebrochene Konzert zum 50. Bandjubiläum furios in der Barclaycard Arena nach.

Das Konzert der Scorpions am Dienstag in der Barclaycard Arena läuft seit einer halbe Stunde. Zeit, um durchzuzählen: Sänger Klaus Meine, die Saitenbieger Rudolf Schenker und Matthias Jabs, Bassist Pawel Maciwoda und Schlagzeuger Mikkey Dee – alle da. Alle gesund. Sehr gut.

Im März war an dieser Stelle Schluss, Klaus Meine schleppte sich damals mit einer Kehlkopfentzündung durch den Eröffnungssong „Going Out With A Bang“ und die immer noch leckeren 70er-Jahre-Happen für Nostalgiker „The Zoo“, „Coast To Coast“, „Top Of The Bill“, „Steamrock Fever“, „Speedy’s Coming“ und „Catch Your Train“.

Dann wurde der Auftritt abgebrochen. Eigentlich hätte Meine, der schon Anfang der 80er zeitweise seine Stimme verlor und beinahe seine Karriere beenden musste, überhaupt nicht auf die Bühne gehen dürfen. Aber die Scorpions wollen einfach nicht aufhören.

Scorpions haben die besten Zeiten hinter sich

Die aktuelle Tour feiert immer noch das 50. Jubiläum der 1965 gegründeten Hardrock-Pioniere aus Hannover, und dass die Scorpions ihre besten Zeiten längst hinter sich haben, ist wirklich kein Geheimnis.

Einst spielten Teenies, die Eddie van Halen, Kirk Hammett (Metallica) oder Billy Corgan (Smashing Pumpkins) hießen, ihre Songs nach und verzweifelten an den Geniestreichen der damaligen Gitarren-Künstler Uli Jon Roth und Michael Schenker, die die Scorpions von den frühen 70ern an als wilde Antwort auf Deep Purple und Led Zeppelin international bekannt und dann berühmt machten. In den 80ern begeisterten die Scorpions weltweit in den Stadien und erteilten Bon Jovi und Co. eine Lektion in Sachen Bühnenaction.

Dann kamen der „Wind Of Change“ und die 90er, der größte Erfolg und – zumindest in Deutschland – der anschließende Imageeinbruch als Powerballaden-Fließband-Combo, die krampfhaft versuchte, modern zu bleiben. Nicht zu vergessen die 2010 begonnene Abschiedstournee, die dann doch keine war. Und da nun der Abschiedsdruck fehlt, kommen nur 7500 Fans vom Kutten-Metaller bis zur Gelegenheitsrockerin in die Barclaycard Arena.

Vor zwei Jahren auf der – sehr gelungenen – „MTV Unplugged“-Tournee waren es noch 11.000. Ein Akustik-Set auf einer Rampe in den Saal mit „Always Somewhere“, „Eye Of The Storm“ und „Send Me An Angel“ darf natürlich auch auf dieser Konzertreise nicht fehlen.

Hommage an Lemmy Kilmister

Danach zeigen die Hannoveraner, dass sie noch einige galoppierende Pferdchen im Motor haben. „Rock ‘n’ Roll Band“ vom aktuellen, 18. Album „Return To Forever“ (2015) läutet den Teil des Abends ein, der die wahren Stärken zeigt.. „You wanna know who I am, I’m in a Rock ’n’ Roll Band“, singt Meine, der sich an diesem Abend mehr und mehr zutraut und immer noch eine Vorliebe für Schellenkränze hat.

„Dynamite“ zündet, und dann wird dem verstorbenen Motörhead-Röhrich Lemmy Kilmister mit dem Cover „Overkill“ und Lemmy-Bildern auf der Leinwand gedacht. Eine schöne Geste, und das nicht nur, weil Motörhead-Schlagzeuger Mikkey Dee seit Mai für die Scorpions fantastisch die Felle gerbt. Der Schwede, der den in den Krankenstand verabschiedeten James Kottak ersetzt, fühlt sich sichtlich wohl bei seinem Schlagzeug-Solo.

„Es ist, als käme ich nach Hause. Ich bin ein Fan dieser Band, seit es sie gibt“, sagte er zur „Hamburger Morgenpost“. Wer weiß, ob er die Balladen wirklich mag, Motörhead war ja nicht für Radioheuler bekannt. Aber Bei „Blackout“, „No One Like You“ und „Big City Nights“ kann er seine Kessel schön heftig ausbeulen. „Still Loving You“ und „Rock You Like A Hurricane“ umrahmen nach 100 Minuten das Finale als unverwüstliche Hardrock-Wertarbeit Made in Germany.

Wie gesagt, den richtigen Zeitpunkt zum Abgang haben die Scorpions verpasst. 2006 in Wacken wäre toll gewesen, mit einer von Fans abgestimmten Setlist sowie Uli Jon Roth und Michael Schenker als Gäste. Aber sie wollen wohl zeigen, dass sie es immer noch können. Sie können.