Hamburg. Um Ungeimpfte zu schützen, müssten 95 Prozent der Bevölkerung geimpft sein. Warum diese Rate in Hamburg nicht erreicht wird.

Eine häufig als Kinderkrankheit verharmloste Infektion wurde der sechs Jahre alten Aliana aus Hessen zum Verhängnis. Das Mädchen starb in der vergangenen Woche an den Spätfolgen einer Maserninfektion, die sie sich im Alter von drei Monaten zugezogen hatte. Da die erste Impfung erst bei Säuglingen mit elf Monaten durchgeführt werden kann, sind jüngere Säuglinge normalerweise durch die sogenannte Herdenimmunität gegen die Infektion geschützt, das heißt dadurch, dass fast alle anderen Menschen in der Umgebung gegen die Infektion geimpft sind. Diese Herdenimmunität greift aber nur, wenn mehr als 95 Prozent der Bevölkerung geimpft sind, also die erforderlichen zwei Impfungen erhalten haben. Diese Quote wird in Deutschland aber nicht erreicht. Sie liegt bei knapp 93 Prozent. Auch in Hamburg hatten 2014 bei der Schuleingangsuntersuchung nur 93,1 Prozent der Sechsjährigen die nötigen zwei Impfungen erhalten. Wie viele Erwachsene einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern haben, ist nicht bekannt.

In Schleswig-Holstein gibt es ein besseres Meldesystem

„In Hamburg gibt es kein zuverlässiges Meldesystem“, sagt Stefan Renz, Kinderarzt in Hamburg und Landesvorsitzender des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte. Er habe schon vor Jahren vorgeschlagen, sich an dem Meldesystem in Schleswig Holstein zu orientieren, wo die Impfungen bei Eintritt in den Kindergarten dokumentiert würden. Bislang gebe es in Hamburg aber nur die Schuleingangsuntersuchung, an der auch nicht alle Kinder teilnehmen. Der Kinderarzt geht daher davon aus, dass die Impfraten niedriger sind als die dem Robert-Koch-Institut gemeldeten. „Die für die Herdenimmunität erforderlichen 95 Prozent werden bei weitem nicht erreicht“, sagt Renz.

Dass die Raten bei der Zweitimpfung deutlich niedriger sind , liegt laut Renz auch daran, dass die Eltern die zweite Impfung häufig vergessen. Die erste Impfung erfolgt meist zusammen mit der Vorsorgeuntersuchung U6, im Alter von elf bis 14 Monaten, für die zweite Impfung nach 15 bis 23 Lebensmonaten müssen die Eltern dann einen Extratermin machen, der leider häufig vergessen wird“, sagt Renz.

Eine gefürchtete Komplikation der Erkrankung ist die Hirnentzündung

Aber Masern sind alles andere als harmlos. Bei einem von 500 bis 1000 Erkrankten kommt es zu Komplikationen wie Lungenentzündung, Hirnentzündung und Mittelohrentzündung. Laut der Meldestatistik des Berliner Robert-Koch-Instituts wurden in Hamburg in diesem Jahr neun Masernfälle gemeldet, im vergangenen Jahr waren es 87.