Hamburg. SPD-Chef hatte Hamburgs Bürgermeister zum möglichen Kanzlerkandidaten erklärt

Hamburgs SPD-Strategen sind in heller Aufregung. Was soll Bürgermeister Olaf Scholz jetzt all den fragenden und feixenden Beobachtern sagen? Was soll der SPD-Bundesvize darauf entgegnen, dass ihn sein Parteichef Sigmar Gabriel aus knapp 400 Kilometer Entfernung in der Duisburger Mercatorhalle in aller Öffentlichkeit zum möglichen Kanzlerkandidaten erklärt hat?

Eigentlich bleiben Scholz nur zwei Möglichkeiten, welche für seine Berater aber beide im Grunde nicht infrage kommen. Entweder pflichtet Scholz – ganz Parteisoldat – seinem Vorsitzenden bei und straft damit all seine bisherigen Dementis zu einem Wechsel von Hamburg nach Berlin Lügen. Oder aber er bleibt mit einem neuerlichen „Nein“ seiner Linie treu und düpiert damit den SPD-Chef.

Gabriel, bekannt für seine manchmal unberechenbaren Auftritte, habe sich doch die vergangenen Wochen so schön am Riemen gerissen, stöhnen Scholz' Vertraute. Und jetzt das: In launigem Ton verkündet Gabriel beim Unterbezirk Duisburg, er fände es ungerecht, dass Journalisten bei der SPD-Kanzlerkandidatenfrage immer nur ihn und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz erwähnten. „Die vergessen, dass wir noch einen Dritten im Bunde haben, Olaf Scholz.“ Und als ob das noch nicht reichte, schiebt er nach: „Wenn du drei in der Partei hast, geht’s dir noch besser als der CDU, die haben nur einen.“

In Hamburg fragt sich das Umfeld von Scholz jetzt irritiert, was Gabriel nur geritten haben mag, ohne Not so ein Ding rauszuhauen. Der Fahrplan zur Kandidatenkür bei der SPD sei doch klar. Entschieden werde im Januar. Und den ersten Zugriff auf die Kanzlerkandidatur der SPD habe Gabriel selbst. Wenn er nicht wolle, käme als Alternative Schulz in Betracht. Schließlich hat dieser bereits seinen Wechsel von Brüssel nach Nordrhein-Westfalen bekannt gegeben, um dort auf Platz eins der SPD-Landesliste um ein Bundestagsmandat zu kämpfen. Nun auch noch den Hamburger SPD-Vorsitzenden und Ersten Bürgermeister ins Spiel zu bringen sei nicht sonderlich glücklich.

Beobachter gehen durchaus davon aus, dass es den 58-Jährigen noch ins Kanzleramt ziehen könnte. Nur eben nicht jetzt. Als geübter Stratege und Strippenzieher wisse er genau, dass ein Wahlkampf gegen Kanzlerin Angela Merkel nur sehr schwer zu gewinnen sei.

Was könnte Gabriel also sonst dazu gebracht haben, Scholz wider besseres Wissen trotzdem als möglichen Kanzlerkandidaten 2017 zu nennen? Möglicherweise sei dies auch ein Versuch des SPD-Chefs, ohne Gesichtsverlust um eine Kanzlerkandidatur herumzukommen, heißt es in der Partei. Schließlich hat die Parteiführung schon vor einiger Zeit zugesichert, im Falle mehrerer Aspiranten auf die Spitzenkandidatur eine Urwahl abzuhalten.