hAMBURG. Vermummte verwüsten Südeingang der Messehallen. Linksextreme bekennen sich im Internet zu Brandanschlag

Michael Arning

Passanten konnten die Spuren der Zerstörung am Sonntag beim Adventsspaziergang sehen. An der Fassade der Messehallen läuft graue Farbschmiere herunter, der „Eingang Süd“ ist ein schwarzer Schlund, die Scheiben sind geborsten, die Treppen verrußt. Innensenator Andy Grote (SPD) wird informiert, im Polizeipräsidium tagt der Staatsschutz. Elf Tage vor Beginn des OSZE-Treffens in Hamburg haben Linksextreme mit einem Brandanschlag auf den Tagungsort eine Kampfansage an die Stadt gerichtet.

Sonnabend, gegen 23 Uhr: Ein Pulk von 30 bis 50 „überwiegend vermummten“ Personen beginnt plötzlich ihren Gewaltzug, melden Anwohner per Notruf. Die Unbekannten stapeln Unrat auf der Straße und am Eingang und setzen die Barrikaden in Brand. Durch die enormen Temperaturen brechen die nahen Glastüren. Auf mehr als 100 Metern entlang der Fassade werfen die Täter Steine gegen die Scheiben. Auch ein Motorrad, Müllcontainer und Reifen gehen nach Polizeiangaben in Flammen auf. Die Täter verteilen Nägel auf der Straße und entkommen in Richtung Schanzenviertel, bevor die Polizei eintrifft.

Eine Sofortfahndung mit 16 Streifenwagen und Beamten der Bereitschaftspolizei bleibt erfolglos. Die Polizei geht sofort von einer politisch motivierten Tat aus. Feuerwehrleute löschen den Brand nach rund einer Viertelstunde. „Der Sachschaden ist erheblich, lässt sich aber nicht genau beziffern“, sagt die Polizeisprecherin Tanja von der Ahé.

Linksextreme drohen mit weiteren Anschlägen

Am Sonntagmittag stellt eine links­extreme Gruppe unter dem Nutzer­namen „noOSZE noG20“ ein Bekennerschreiben im linken Internetportal „Indymedia“ ein. „Wir haben uns zu dieser Abrissinitiative entschieden, da wir die Messe, die sich als Messe zur Welt versteht, ebenso grundsätzlich ablehnen wie die dort geplanten Herrschaftstreffen“, schreiben die Urheber. Wie aus dem Schreiben hervorgeht, wollen die Bekenner „den revolutionären Kampf organisieren, bis jede Grenze fällt“.

Die Gruppe kündigt weitere Anschläge an: „Die Rebell_innen der Subversion werden in Hamburg deutliche Spuren hinterlassen und Zeichen der Zerstörung setzen“, heißt es in dem Bekennerschreiben. Die gewaltsamen Proteste sollen sich dabei nicht nur auf die Tage des OSZE-Treffens im Dezember und des G20-Gipfels im Sommer 2017 beschränken. Die Urheber rufen etwa für den kommenden April „international“ zu gewaltsamen Protesten auf.

Der Staatsschutz nimmt das Bekennerschreiben in die Ermittlungen auf. Ob eine bekannte Gruppierung hinter dem Anschlag steckt, ist noch unklar. Bislang sind Innenbehörde und Polizei bei den Planungen für die Sicherheit beim OSZE-Treffen von eher geringen Gefahren durch gewaltbereite Links­extreme ausgegangen. Die Polizeisprecherin Tanja von der Ahé sagte, es würden nun zunächst die Ermittlungen des Staatsschutzes abgewartet, bevor man die Folgen des Anschlags bewerte.

Bereits im September hatte der Innenstaatsrat Bernd Krösser erklärt, die geplanten Sicherheitszonen im Karolinenviertel und am Rathausmarkt könnten bei einer veränderten Bedrohungslage frühzeitig ausgedehnt werden. Aus Sicherheitskreisen hieß es am Sonntag, der Anschlag ändere wahrscheinlich nichts an den Planungen: „Unmittelbar zum OSZE-Treffen werden wir in der Lage sein, jeden Krawallmacher schnell und effektiv aus dem Verkehr zu ziehen“. Insgesamt werden 10.000 Beamte das Treffen der 57 Außenminister der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) absichern.

Der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Joachim Lenders, sieht die Attacke auf den Tagungsort als Vorboten für einen sehr anspruchsvollen Einsatz. „Klar ist, dass die Polizei keinen Meter vor jenen zurückweichen wird, die mit ihrer Gewalt die Menschen in Hamburg verunsichern wollen.“ In der linken Szene gilt die OSZE im Gegensatz zu G20 weitaus weniger als Feindbild. Einzelne Kommentatoren bei „Indymedia“ dankten den Unbekannten für den Anschlag, die Mehrheit lehnt gewaltsame Proteste gegen das Außenministertreffen in Hamburg ab.

Für die Tagung am 8. und 9. Dezember wurden bislang drei Gegendemons­trationen angemeldet, eine davon durch das polizeibekannte linksradikale „Bündnis gegen imperialistische Aggression“. Zudem will die Partei Die Linke im Karolinenviertel demonstrieren. Gewerbetreibende und Anwohner im Karolinenviertel haben ihre Sorge vor Krawallen ausgedrückt.