Hamburg. Zum Schlaraffenland ist die Hansestadt zwar nicht geworden, aber in den vergangenen 25 Jahren hat sich vieles verbessert
Cornelia Werner
Nostalgie, die Sehnsucht nach der Vergangenheit, ist offenbar nichts anderes als ein psychologisches Belohnungssystem. Forscher haben herausgefunden, dass es gute Laune machen kann, in die Vergangenheit zu blicken. Wem die Gegenwart missfällt, wird dies häufiger als andere tun. Nostalgie wird zugleich von einem nur allzu verständlichen Streich befördert, den uns das Hirn spielt: Erste Eindrücke prägen sich besonders tief ein. Das erste Matchbox-Auto, die erste Puppe, die erste Tafel Schokolade, das erste eigene Zimmer, der erste Streit mit den Eltern, der erste Kuss ...
Wissenschaftler haben herausgefunden, dass sich besonders einsame Menschen gern in ihren Erinnerungen verlieren. Und wenn sie wieder auftauchen, haben sie das Gefühl, dass früher alles besser war. Die Vergangenheit ist ihre Wohlfühlzeit – und gewissermaßen postfaktisch. Was wäre dann die Gegenwart? Vielleicht die Faktenzeit. Und die Fakten sagen, dass in Hamburg in den letzten 20 bis 25 Jahren zwar längst nicht alles, aber vieles besser geworden ist – ein Überblick.
Sicherheit: 1990 verzeichnete die Hamburger Kriminalitätsstatistik 276.413 Straftaten, 2014 waren es trotz wachsender Bevölkerung nur noch 239.998 Straftaten. „Hamburg ist sicherer geworden“, sagt Rafael Behr, Professor an der Hamburger Akademie der Polizei. „Besonders die Gewaltkriminalität geht zurück“, sagt er. „Wir haben mittlerweile gelernt, Probleme subtiler zu lösen.“ Auch die Aufklärungsquote hat sich positiv entwickelt. 1990 lag sie bei 39 Prozent, 2014 bei 43,9 Prozent. „Die Wertschätzung der Polizei durch die Gesellschaft ist gewachsen“, sagt er. „Die Güte der Polizeiarbeit macht sich nie an der Aufklärungsquote fest, sondern immer an der Frage, wie weit die Bevölkerung der Polizei vertraut.“
Sicherer ist es auch auf Hamburgs Straßen geworden. 1990 wurden 14.569 Verkehrsunfälle mit 207 Toten registriert, 2014 waren es nur noch 9916 Unfälle mit 38 Toten.
Bildung: Immer mehr Hamburger machen Abitur. Während 1990/91 nur 5536 von 15.769 Schulabgängern das Abitur in der Tasche hatte, waren es 2013/14 exakt 8459 von insgesamt 15.379 Schulentlassenen. Jörn Dräger, Bildungsexperte der Bertelsmann-Stiftung und früherer Hamburger Bildungssenator, sagt dazu: „Die Menschen entscheiden sich für mehr Bildung, das ist grundsätzlich eine positive Entwicklung. Nur darf die Praxisoriertierung nicht verloren gehen.“
Verbessert hat sich auch die Lage bei den Schulabbrechern. 1990/91 verließen 1497 Jugendliche die Schule ohne einen Abschluss, 2013/14 waren es nur noch 755. Enorm zugenommen hat auch die Zahl der Studenten in Hamburg. 1990/91 waren es 61.827, in diesem Wintersemester sind es mehr als 100.000.
Immer mehr Menschen nutzen die Möglichkeiten der Kinderbetreuung, die die Stadt anbietet. 2006 wurden 60.557 Kinder in Tageseinrichtungen betreut, 2016 waren es schon 75.575 Kinder.
Arbeit: Die Arbeitslosenquote ist zwischen Oktober 1990 und Oktober 2016 von 9,5 auf 6,8 Prozent gesunken. „Das ist unter anderem das Ergebnis der guten Konjunktur in Deutschland“, sagt Professor Ulrich Reinhardt vom BAT-Institut für Zukunftsfragen. „Aber auch die Einführung von Minijobs, die Agenda 2010, mehr Teilzeitkräfte und der demografische Wandel gehören dazu.“ Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist von 737.301 (1999) auf 892.508 (2014) gestiegen. Das jährliche Durchschnittseinkommen der Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen ist ebenfalls gewachsen – von 28.885 Euro (1989) auf 35.583 Euro (2010).
Umwelt: „Die Luftqualität in Hamburg hat sich bei einigen Parametern verbessert“, sagt Manfred Braasch, der Geschäftsführer des BUND. „In anderen Bereichen hat sie sich allerdings auch verschlechtert. Die Menge der Stickoxide liegt oft immer noch über dem Grenzwert.“ Ganz allgemein könne man sagen: Der technologische Fortschritt bei der Reinigung der Autoabgase wird von der Zunahme des Autoverkehrs wieder aufgefressen. Die Messstation an der Stresemannstraße ermittelte für das Jahr 1992 einen Stickoxid-Mittelwert von 71 µg/m³. 2015 lag er bei 49 µg/m³. Also eine deutliche Verbesserung. Dennoch: Der seit 2010 geltende EU-Grenzwert von 40 µg/m³ wurde überschritten.
Besser sieht es bei der Qualität des Elbwassers aus. Am Messpunkt Schnackenburg an der Elbe sind im Vergleich zu 1986 alle Schadstoffanteile gesunken. Anders sieht es bei der Artenvielfalt aus. Eine Vergleichbarkeit mit der Situation vor 25 Jahren sei zwar schwierig, aber der Trend sei negativ. „Die Lebensräume für Flora und Fauna werden geringer“, so Braasch.
Gesundheit: Die Zahl der Todesfälle durch bösartige Tumore ging zurück, von 4802 Todesfällen im Jahr 2000 auf 4514 in 2013. „Die Therapien werden ständig besser. Jedes Jahr werden neue Medikamente zugelassen. Hinzu kommt die verbesserte Früherkennung“, sagt Georgia Schilling, Geschäftsführerin der Hamburger Krebsgesellschaft.
Die Säuglingssterblichkeit ist deutlich zurückgegangen. 1980 kamen auf 1000 Lebendgeborene 11,34 Todesfälle, 2015 waren es 3,39. „Der Rückgang ist vor allem auf drei Punkte zurückzuführen, die vermehrte Aufklärung über die Prävention des plötzlichen Kindstods, die verbesserte medizinische Ausstattung von Säuglingsintensivstationen und die Konzentration von Risikogeburten an großen Zentren“, sagt Dr. Stefan Renz, niedergelassener Kinderarzt in Hamburg.
Die Zahl der Krankenhausbetten ging von 15.226 (1990) auf jetzt 12.108 zurück. Die Zahl der stationären Patienten stieg von 348.744 (1990) auf 474.898 (Stand 2013). Hintergrund sind die drastisch gesunkenen Liegezeiten. Bis heute hat sich die Verweildauer im Krankenhaus nahezu halbiert: von 14,6 im Jahr 1990 auf aktuell 7,5 Tage.