Wenn der 17er-Wahlausschuss der CDU am Wochenende zusammentritt, dann begleitet die Partei ein altes Problem – das Frauenproblem.

Am Mittwoch der kommenden Woche wird sich Dietrich Wersich, Ex-Sozialsenator und Ex-Bürgermeisterkandidat der CDU, auf seinen Präsidiumsplatz im Plenarsaal der Bürgerschaft setzen. Wersich ist Erster Vizepräsident des Hohen Hauses. Ein repräsentatives Amt, der politische Einfluss geht gegen null.

Wersich, Arzt und früherer Theatermanager, zählt zu den kompetentesten und erfahrensten Politikern der Hamburger CDU. Aber in der zurückliegenden Woche musste der 52-Jährige auch die letzte Chance auf eine führende Rolle in der Partei begraben. Wersich unterlag im Rennen um die Direktkandidatur für die Bundestagswahl 2017 im Wahlkreis 21 (Nord/Alstertal) klar mit 158 zu 225 Stimmen gegen den 31 Jahre alten Newcomer Christoph Ploß. Erst vor wenigen Monaten hatte Ploß Wersich als Kreisvorsitzender der CDU Nord gestürzt. Ploß löste Wersich auch als stellvertretender Landesvorsitzender ab.

Dietrich Wersich holte schwächstes CDU-Ergebnis

Dem Mann, der im Februar 2015 als Spitzenkandidat das mit 15,9 Prozent schlechteste Ergebnis der CDU aller Zeiten bei einer Bürgerschaftswahl einfuhr, bleibt neben dem Präsidiumsposten nun noch das Amt des kulturpolitischen Sprechers der CDU-Fraktion. „Ich mache jetzt die Dinge, die mir Spaß machen“, gab sich Wersich nach der erneuten Niederlage gut gelaunt.

Wirklich überraschend sind die Klatschen nicht. Die CDU meint es nicht gut mit ihren Ex-Topleuten. Von den prägenden Politikern der letzten Jahre der Ole-von-Beust-Ära, als die CDU in Regierungsverantwortung war, sind nur noch wenige an hervorgehobener Stelle aktiv. Dagegen haben Kurzzeit-Bürgermeister Christoph Ahlhaus, Ex-Partei- und Fraktionschef Frank Schira, Ex-Finanzsenator Michael Freytag, Ex-Wirtschaftssenator Axel Gedaschko – beide galten eine Zeit lang als Hoffnungsträger – oder eben Wersich die erste Reihe der politischen Bühne verlassen. Manche freiwillig, andere nicht.

An der Spitze des Landesverbandes und der Fraktion hat der Generationswechsel stattgefunden. Ton und Richtung geben jetzt Parteichef Roland Heintze (43), Fraktionschef André Trepoll (39), Fraktionsvize Dennis Thering (32), Parteivize Christoph de Vries (41) oder eben Ploß an. Ja, es gibt auch Frauen auf wichtigen Positionen in der Elb-CDU: Karin Prien ist stellvertretende Fraktionschefin mit sehr auffälliger und effektiver Oppositionsarbeit, Birgit Stöver ist stellvertretende Parteichefin.

Aber wenn der früher geheimnisumwitterte 17er-Wahlausschuss der CDU, eine Art erweiterter Landesvorstand, an diesem Wochenende zusammentritt, um einen Vorschlag für die Landesliste zur Bundestagswahl aufzustellen, dann wird ein altes Problem der CDU die Beratungen begleiten: das Frauenproblem. Von den Direktkandidaten für die sechs Wahlkreise sind fünf Männer. Einzige Frau ist die Bundestagsabgeordnete Herlind Gundelach, die mit nicht gerade überragenden 77 Prozent Zustimmung ohne Gegenkandidaten in Harburg/Bergedorf erneut aufgestellt wurde.

Die Landesliste ist für die CDU von herausragender Bedeutung, weil zuletzt nur der scheidende Bundestagsabgeordnete Dirk Fischer den Wahlkreis Nord direkt für die Union gewinnen konnte. Vier Abgeordnete zogen über die Landesliste in den Bundestag ein. Jetzt dürften die ersten beiden Plätze unumstritten sein: Der Ex-Parteichef und Altonaer Bundestagsabgeordnete Marcus Weinberg, einer der wenigen „Überlebenden“ der Von-Beust-Ära, wird erneut an der Spitze stehen, gefolgt vom Eimsbütteler Abgeordneten und Haushaltsexperten Rüdiger Kruse. Dann wird es spannend.

Es spricht einiges dafür, dass der 17er-Ausschuss auf Platz drei CDU-Mitte-Chef de Vries setzt, gefolgt von Nord-Mann Ploß. Vor vier Jahren war noch Herlind Gundelach, auch damals die einzige Frau, auf Rang drei platziert worden. Doch ihr Rückhalt ist stark geschwunden, auch weil sie mit ihrer Parlamentsarbeit nicht sehr sichtbar war. Gundelach könnte auf Platz fünf abrutschen und der Wandsbeker Direktkandidat Eckard Graage auf Platz sechs folgen. Vor vier Monaten hatte sich die Wandsbeker Favoritin Friederike Föcking überraschend zurückgezogen.

Nun ist das Tableau des 17er-Ausschusses das eine, und die Stimmung der Parteitagsdelegierten etwas völlig anderes. Schon vor vier Jahren wirbelte die Funktionärsbasis den Plan der Oberen durcheinander und kippte Frank Schira von der Liste ins politische Aus. Sollte Gundelach auf Platz fünf gesetzt werden – nur die ersten drei oder vier Plätze gelten als sicher –, dann wäre das für viele Unions-Frauen nicht akzeptabel. Wahrscheinlich wäre dann die Gegenkandidatur einer Frau auf Platz drei: im Gespräch ist die Vorsitzende der Frauen-Union, Marita Mayer-Keiner. Auch bei den Frauen ist der Rückhalt für Gundelach, die es ja auch weiter vorne versuchen könnte, nicht sehr groß.

Diese Konstellation könnte die Zurückhaltung von Christoph Ploß erklären, der wohl alle Chancen hätte, sich auf Platz drei durchzusetzen, aber seinem Weggefährten de Vries auf der 17er-Liste den Vortritt lassen könnte. Ploß und die Nord-CDU sind ein Bündnis mit Wandsbek eingegangen. Die beiden Kreisverbände haben allein schon auf dem Parteitag eine knappe Mehrheit – gegen sie läuft also eigentlich nichts.

Ebenfalls an diesem Wochenende fällt die Entscheidung, mit welchem SPD-Direktkandidaten es Ploß im Wahlkreis Nord zu tun hat: mit der Bürgerschaftsabgeordneten Dorothee Martin oder dem Unternehmer Maximilian Schommartz. Hinter beiden liegt eine für SPD-Verhältnisse ungewöhnliche Schlammschlacht, in der es um den Vorwurf ging, Martin habe bei Angaben zu ihren Wohnorten getrickst. Zuletzt hatte Sozialsenatorin Melanie Leonhard, die auch stellvertretende SPD-Chefin ist, in der „Bild“-Zeitung gesagt, die Kampagne gegen Martin werde von einem „Wahlkämpfer à la Trump“ geführt. Starker Tobak für Schommartz. „Die unsachlichen öffentlichen Anwürfe schmerzen. Umso mehr gilt es, mit dem Votum im Rücken Gräben zuzuschütten und geschlossen in einen guten Wahlkampf zu ziehen“, sagte Schommartz, der den internen Wettbewerb zwischen den beiden als konstruktiv empfand.