Stellingen. Am Montag wird der neue Ostteil der Langenfelder Brücke für den Verkehr freigegeben. Scholz: „Ein beeindruckendes Stück Ingenieurskunst“

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz wirkt, was selten vorkommen dürfte, sichtlich verblüfft. „Das ist ein beeindruckendes Stück Ingenieurskunst“, sagte der SPD-Politiker am Dienstagnachmittag bei einem Besuch des neu gebauten Ostteils der Langenfelder Brücke in Stellingen. Auf vier statt wie bisher drei durchgehenden Spuren wird an dieser Stelle künftig der Fahrzeugverkehr fließen. Hinzu kommt – anders als früher – ein besonders ausgeprägter Lärmschutz. Die Schutzwände ragen sieben Meter hoch in den novembergrauen Himmel.

Anlass des Bürgermeisterbesuchs ist die Halbzeit bei der Erneuerung der gut 400 Meter langen Autobahnbrücke, die künftig mit knapp 53 Metern zu den breitesten Brücken in Deutschland gehören wird. Am kommenden Montag ist es zumindest auf dem östlichen Teil des Bauwerks so weit: Etwas mehr als zwei Jahre nach Baustart wird dieser Abschnitt planmäßig fertig. Die ersten Fahrzeuge werden von fünf Uhr morgens an über den noch frischen Asphalt rollen können.

Am 9. Dezember dann soll der gesamte Autobahnverkehr auf den neuen Brückenteil verschwenkt werden. Auf sechs provisorischen Spuren werden bis Ende 2018 im Durchschnitt 150.000 Fahrzeuge täglich über diesen Brückenteil fahren, während der westliche Teil abgerissen und durch eine neue Kons­truktion ersetzt wird.

Die Fertigstellung des östlichen Teils der Langenfelder Brücke gilt als Meilenstein bei der Erneuerung der Autobahn 7 vom nördlichen Ausgang des Elbtunnels bis zum Bordesholmer Kreuz in Schleswig-Holstein. Erstmals können Autofahrer auf Hamburger Gebiet erleben, wie später einmal die gesamte runderneuerte A 7 sein wird.

Das ist vor allem in diesen Tagen und Wochen wichtig, in denen die Bauarbeiten vor allem bei hohem Verkehrsaufkommen oder nach Unfällen zu kilometerlangen Staus führen, und jeder weiß, dass dieser Zustand noch bis zur Mitte des kommenden Jahrzehnts andauern wird. Neben der Erweiterung der Autobahn um jeweils eine Spur pro Fahrtrichtung werden auf Hamburger Gebiet drei Lärmschutztunnel errichtet.

Scholz ließ sich die Chance nicht entgehen, das neue Brückenbauwerk aus allernächster Nähe zu betrachten. Trotz schmuddeligen Regenwetters zeigte der Senatschef sich gut gelaunt. Für die Begehung hatte er eigens Bauarbeiterschuhe angezogen. Diese seien seine eigenen, berichtete er amüsiert. So etwas gehöre „zur Grundausstattung eines Bürgermeisters“.

Dirk Brandenburger, Geschäftsführer des Bundesunternehmen Deges, das von Hamburg mit den Bauarbeiten beauftragt wurde, erklärte während des gut einstündigen Rundgangs des Bürgermeisters die Besonderheiten der Baustelle. Das größte Problem bestehe darin, dass die Bauarbeiten bei laufenden Bahnverkehr erfolgen müssten, sagte Brandenburger und zeigte auf die 19 Bahngleise, die die Brücke überspannt. Darauf hatte die Bahn bestanden.

Das Ganze nicht ohne Grund: Schließlich liegt westlich der Brücke das ICE-Bahnbetriebswerk Eidelstedt, in dem die meisten ICE-Züge gewartet werden. Es ist vor allem der fließende Bahnverkehr, der den Austausch des Bauwerks zu einer technischen Herausforderung macht. So musste der alte Brückenkörper zunächst auf Rolllager gehoben und dann neben die Bahngleise verschoben werden. Dann erst konnte man mit den Abbrucharbeiten beginnen und mit der Errichtung neuer Brückenpfeiler starten.

Im Gegensatz zu der alten Betonbrücke besteht die neue Konstruktion aus Stahl. Deshalb wurden neben den Eisenbahngleisen nach und nach einzelne Abschnitte der Stahltröge zusammengeschweißt und zugleich von beiden Seiten mithilfe mehrerer Gleitlager über die Eisenbahngleise geschoben und in der Mitte verbunden.

Die gesamte Brücke wird nach dem Ende aller Erneuerungsarbeiten im Jahr 2018 52,4 Meter breit sein – 6,4 Meter mehr als bisher. Bisher wurden auf der Baustelle 3500 Tonnen Stahl, 12.770 Kubikmeter Beton und 3115 Tonnen Betonstahl verbaut. Die alte Betonbrücke brachte 10.000 Tonnen auf die Waage. Abgesehen davon, dass mit der neuen Brücke die Zahl der Fahrspuren erhöht wird, genießt der Lärmschutz hohe Priorität. Zum einen verhindern rund sieben Meter hohe, teilweise durchsichtige Wände, dass der Verkehrslärm weit in die Stadt hineingetragen wird. Zum anderen wird die für die Bauzeit aufgetragene Deckschicht später abgefräst und durch einen offenporigen lärmabsorbierenden Asphalt ersetzt.

Der Lärmschutz interessierte den Bürgermeister besonders. „Damit erhöht sich die Lebensqualität der Anwohner deutlich“, sagte er. Zugleich zeigte Scholz angesichts der vielen Staus Verständnis für den Unmut von Autofahrern. Diese „Leidensphase“ sei notwendig, um die Verkehrsinfrastruktur auf den neuesten Stand zu bringen.

Die bisherige Langenfelder Brücke war eine reine Betonbrücke – eine Art Hohlkasten für jede der beiden Autobahntrassen. Das galt in den 70er-Jahren als revolutionär, doch heute würde man so nicht mehr bauen, sagen Experten. Die Konstruktion habe zu viele Kinderkrankheiten. Vor allem aber konnten die Planer in den 60e­r- und 70er-Jahren nicht ahnen, dass der Transport schwerer Lasten mit Hilfe von Lastkraftwagen so zunehmen würde – und damit die Belastung für die Brücke.