Lüneburg/Hamburg. Frisches Fleisch und Wurst in mitgebrachte Dosen füllen lassen – bisher scheiterte das an Hygienevorschriften.

Das Fischfilet schimmert auf einem Eisbett, der Käse glänzt sattgelb, und kleine Portionen aus Wurst- und Schinkenscheiben sowie frisches Fleisch werden ins rechte LED-Licht gerückt. Regionale Frische, Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein, dafür will der Lüneburger Supermarkt Edeka Bergmann stehen. Was nicht so recht ins Bild passt, sind die Mengen an Plastikfolien und Einschlagpapier, die an der Frischetheke normalerweise verbraucht werden.

Das muss doch auch anders gehen, dachte sich Chefin Meike Bergmann — und ersann mit ihren Mitarbeitern ein Kreislaufsystem für wiederverwendbare Frischeboxen. Der Supermarkt ist damit Vorreiter in Norddeutschland.

Helles Licht, hölzerne Trennwände und hochmoderne Technik hinter der Fassade prägen das Bild des erst kürzlich modernisierten Marktes. In der Obst- und Gemüseabteilung liegen kompostierbare Tüten aus. Und jetzt die grünen Dosen an der Frischetheke.

Die verschließbare Kunststoffdose können Kunden für knapp fünf Euro kaufen und mit Aufschnitt, Käse, Fleisch oder Fisch befüllen lassen. Beim nächsten Besuch kommt die Dose, die zu Hause sowohl ins Gefrierfach als auch in die Mikrowelle kann, in einen Sammelbehälter. Die Boxen werden in speziellen Desinfektions-Spülmaschinen gereinigt und wieder in den Kreislauf eingebracht. Wer eine Box zurückbringt, erhält seinen nächsten Einkauf in einer gereinigten Dose.

Die Idee reiht sich ein in verschiedene Konzepte zur Reduzierung von Verpackungsmüll. Der eigene Coffee-to-go-Becher soll nach dem Willen von Umweltsenator Jens Kerstan in Hamburg zum Standard werden. In den Filialen der Drogeriekette Budnikowsky, in der Rindermarkthalle und im Mercado ist es möglich, sich selbst Waschmittel und Spülmittel abzufüllen.

In Hamburger Supermärkten wird der Test genau verfolgt

Es gibt verpackungsfreie Geschäfte — wie den Laden Unverpackt in Kiel. In Hannover gibt es Pläne für einen „LoseLaden“. Und in Hamburg bieten die Geschäfte Twelve Monkeys auf St. Pauli und Veganz in Altona Nudeln, Reis und Soja ohne Verpackung an. Doch bei frischer Wurst landen stets Trennfolien zwischen den Scheiben, dazu das Einschlagpapier und eine dünne Plastiktüte – aus Hygienegründen. Ein generelles Verbot, eigene Dosen über die Theke reichen zu dürften, gebe es indes nicht, so ein Sprecher der Hamburger Gesundheitsbehörde.

Das Kreislaufsystem umgeht das Risiko möglicherweise verunreinigter mitgebrachter Dosen. Eine andere Lösung könnte ein Tablett in einer speziellen Vorrichtung sein, auf dem die Dose wie in einer Schleuse zwischen Verkäufer und Kunde hin- und hergeschoben wird. „Wir haben das bei einem süddeutschen Kollegen verfolgt“, sagt Meike Bergmann, die den Supermarkt mit ihrem Vater selbstständig betreibt. „Uns dann aber für die Mehrweglösung entschieden.“

Mittlerweile stehen die Lüneburger selbst unter Beobachtung. Man sei ganz dicht dran an dem Thema, sagt Dieter Andreas Thorsten Niemerszein, der in Hamburg mehrere Edeka-Märkte betreibt. Auch bei Edeka Böcker in der HafenCity wird über eine Lösung nachgedacht. „Wir wollen aber erst einmal die Erfahrungen der Einzelhändler abwarten, die solche Konzepte derzeit testen“, sagt Vizechef Christian Barg. Denn gerade die Frischetheke sei bei dem Thema eine „Grauzone“.

Bei frischem Gulasch stoßen die Boxen an eine Grenze

„Wir finden die Idee von den Bergmanns gut“, sagt Axel Budde, zuständig für den Einkauf im Frischebereich bei Edeka Struve. Eine Entscheidung, wie genau ein einheitliches Konzept in den zwölf Filialen umgesetzt werden könne, stehe jedoch noch aus. Die Umsetzung müsse mit den zuständigen Veterinären abgestimmt werden, so Budde.

Tatsächlich werden immer mehr Lebensmittel in unnötigen Verpackungen verkauft, sagt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Im Snackbereich hat das zugenommen: Salat, Obst, Brötchen – alles in Plastik.“

Seit rund zwei Monaten sind die Frischeboxen in Lüneburg im Umlauf. Mehr als 100 Stück hätten sie bereits verkauft, vor allem an junge Leute und Familien, sagt Fachverkäuferin Diana Döring. Beim Frischfleisch stößt das System allerdings an eine Grenze, räumt Meike Bergmann ein. „Wenn Gulasch drin war, sieht die Box eben trotz Reinigung nicht mehr aus wie neu.“

Trotzdem sind die Frischeboxen für die 40-Jährige schon jetzt ein Erfolg. Angegangen ist sie die kleine Revolution an der Frischetheke ohne langes Zögern. „Manche Ideen muss man einfach ausprobieren.“