Teheran. Norddeutsche Bundesländer wollen mit Islamischer Republik eng kooperieren. Arbeitsgruppe wird dazu gebildet.

Am Ende des Vortrags hat der Zuhörer den Eindruck, Asghar Fakhrieh Kashan möchte ein neues Land bauen. So umfangreich sind die Investitionspläne, die der stellvertretende iranische Verkehrsminister an diesem Nachmittag der Wirtschaftsdelegation aus Hamburg und Schleswig-Holstein, die sich eineWoche lang im Iran aufhält, vorstellt. Rund 500 Milliarden Dollar wolle das Regime in Teheran bis 2026 in den Straßen- und Städtebau investieren, erzählt Kashan. Und wenn er von Städtebau spricht, dann meint er tatsächlich den Bau ganzer neuer Städte.

Hinzu kommt die massive Ausweitung und Erneuerung des Schienennetzes inklusive des Kaufs Tausender Lokomotiven und Waggons sowie die Errichtung moderner Bahnhöfe. Auch eine Flotte von 125.000 Lastwagen soll ersetzt und durch neue, spritsparende Fahrzeuge ersetzt werden. „Wir haben viel vor und würden uns freuen, wenn Sie dabei sein wollen“, wirbt Kashan bei Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos), Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) und den mitgereisten Unternehmern aus Norddeutschland.

Wunsch und Wirklichkeit

Die beiden Politiker nicken und werden besonders hellhörig, als es um den von den Iranern geplanten Ausbau ihrer Häfen geht. Vor allem die Hinterland-Anbindungen liegen dem Verkehrsminister am Herzen – ein Bereich, in dem der Hamburger Hafen zu den besten weltweit gehört. Horch spricht von einer „besonderen Expertise“, welche die Hansestadt hier aufweisen könne. Und als Kashan auch noch von geplanten Investitionen des Iran in zivile Flugzeuge in Höhe von 100 Milliarden Dollar spricht, bietet er Horch die zweite Vorlage. Schließlich ist Hamburg nach Seattle und Toulouse der drittgrößte Flugzeugstandort der Welt. Und Airbus mit seinem Werk auf Finkenwerder steht bereits vor dem Abschluss eines Vertrags über die Lieferung von 118 Maschinen an Teheran. Noch ist das Geschäft nicht perfekt, aber Horch wirbt unverhohlen: „Ich bin guter Dinge, dass das klappt.“

Wunsch und Wirklichkeit – beides klafft noch weit auseinander, schaut man auf die tatsächlichen Geschäfte zwischen Deutschland und dem Iran seit Aussetzung der Sanktionen in diesem Frühjahr. Zwar sind die Deutschen derzeit der wichtigste westliche Handelspartner der Islamischen Republik. Aber Kashan macht deutlich, dass er noch nicht zufrieden ist mit dem Volumen des Warenaustausches. Die Gründe hat er auch parat. Man wisse nach der langen Zeit des Embargos noch zu wenig voneinander, die Bedürfnisse der Iraner hätten sich in den vergangenen Jahren verändert – und dann sei da ja noch das Problem der Finanzierung von Geschäften.

Wenige Banken wollen Kredite vergeben

Dies scheint derzeit die größte Hürde in den neuen deutsch-iranischen Beziehungen zu sein. Es finden sich aufgrund bestehender Rechtsunsicherheiten kaum Banken, die bereit sind, Kredite für Geschäfte zwischen beiden Ländern zu vergeben. Denn stellen sich die finanzierten Deals als nicht abgedeckt heraus durch das neue Atomabkommen, mit dem erst vor wenigen Monaten weitreichende Sanktionen gegen den Iran vom Westen ausgesetzt wurden, drohen den Banken hohe Strafzahlungen. Diese Problematik hat Ka­shan in den vergangenen Monaten beim Besuch nahezu aller Delegationen aus dem Ausland angesprochen. Und es waren „sehr, sehr viele“ potenzielle Investoren da, betont er.

Vor wenigen Tagen ist mit der Wahl von Donald Trump zum nächsten US-Präsidenten noch eine weitere Unsicherheit hinzugekommen – und zwar keine kleine. Bei allen Besuchen der 60-köpfigen Delegation aus Norddeutschland liegt die Aussage Trumps, er wolle das Atomabkommen aufkündigen, so schwer auf den Gesprächen wie die Dunstglocke aus Autoabgasen in diesem November über der Zwölf-Millionen-Einwohner-Metropole Teheran.

Atomabkommen soll weiter gelten

Die Forderungen der offiziellen Stellen im Iran sind eindeutig. In allen Konsultationen setzen sie auf einen eigenen europäischen Weg beim Thema Sanktionen – unabhängig davon, wie sich Trump demnächst auch verhalten mag. „Ich hoffe, dass Herr Trump keine Pro­bleme macht und Europa seine Pläne durchzieht“, sagt Kashan unverhohlen. Und die Gäste aus Norddeutschland reagieren überraschend eindeutig und politisch emanzipiert. Die USA seien beim Atomabkommen nur einer unter vielen Verhandlungspartnern gewesen, betont Wirtschaftsminister Meyer. „Wir möchten gerne ohne Sanktionen mit dem Iran zusammenarbeiten.“

Damit der Norden Deutschlands bei den Geschäften im Iran vorne mit dabei ist, vereinbaren Kashan, Meyer und Horch umgehend die Einrichtung einer bilateralen Arbeitsgruppe. Sie soll aus vier, fünf Personen bestehen und zügig mit der Arbeit beginnen. Dies wird nach Ansicht des iranischen Verkehrsministers auch notwendig sein, wollen Hamburg und Schleswig-Holstein vorne mitmischen im vermeintlichen Poker um die besten Deals. Kashan wählt an diesem Tag ein ungewöhnliches Gleichnis zwischen einem Kuchen und möglichen Milliarden-Geschäften: „Wir haben für Sie einen großen Kuchen auf dem Tisch stehen. Sie können davon nehmen, soviel Sie wollen. Aber eben nur so lange der Kuchen nicht verdorben ist.“