Hamburg. Nach der detaillierten Auswertung der Ergebnisse aller Schulen sank der Mittelwert von 8,4 auf 8,2 Punkte.

Selten haben Eltern, Lehrer, Bildungsforscher und Schulpolitiker so genau auf die Ergebnisse der Abiturprüfungen geblickt wie in diesem Jahr. Der Grund: Das bundesweite Zentralabitur steht vor der Tür. Erstmals werden die Abiturienten 2017 in allen 16 Bundesländern zu einem erheblichen Teil dieselben Aufgaben lösen müssen. Im Mittelpunkt steht daher die Frage: Wie gut sind die Schüler auf das Zentralabitur vorbereitet?

Die Schulbehörde hatte in einer ersten Auswertung Anfang Juli bereits festgestellt, dass die Klausuren im Problemfach Nummer eins der Hamburger Schüler, Mathematik, beim Abitur 2016 erneut schlechter als im Vorjahr ausgefallen waren. Jetzt liegen weitere Zahlen vor, die detailliertere Analysen erlauben.

Die Gesamtzahl der Abiturienten ist erneut gestiegen: Laut der Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Karin Prien haben 9960 junge Menschen die Reifeprüfung abgelegt. Das sind 400 Schüler mehr als 2015 – 300 von ihnen besuchten eine Stadtteilschule. Der Durchschnitt aller Gesamtnoten beim Abitur liegt nach Angaben des Senats unverändert bei der Schulnote 2,9.

Durchschnittswerte an Gymnasien höher als an Stadtteilschulen

In der Antwort auf die Prien-Anfrage hat der Senat nun die Durchschnittswerte aller Schulen, an denen das Abitur abgelegt werden kann, nach der in den Prüfungen erreichten Punktzahlen veröffentlicht. Legt man allerdings diese feinere Einteilung der 15-Punkte-Skala zugrunde, dann ergibt sich ein etwas anderes Bild. Danach lag der Gesamtdurchschnitt aller schrift­lichen Abiturprüfungen in diesem Jahr bei 8,2 Punkten. Das bedeutet eine leichte Verschlechterung gegenüber 2015, als der Mittelwert aller Abitur­noten 8,4 Punkte betrug.

Es bleibt bei dem erwartbaren Befund, dass die Durchschnittswerte an den Gymnasien aufgrund der anders zusammengesetzten Schülerschaft höher sind als an den Stadtteilschulen. Danach erreichen Abiturienten an staatlichen Gymnasien im Durchschnitt aller schriftlichen Abiturprüfungen 8,7 Punkte (Vorjahr: 8,8). Für die Stadtteilschüler ergibt sich ein Wert von 7,3 (7,7) Punkten. Die Abiturienten an den beruflichen Gymnasien haben sich von 7,6 auf 7,7 Punkte leicht verbessert. Die nicht staatlichen Gymnasien kommen auf 8,2 (8,8) Punkte, die nicht staatlichen Stadtteilschulen auf 8,6 (9,2) Punkte.

Der Blick auf die Details offenbart weitere Unterschiede. So sind die Leistungen der Schüler im Abitur offensichtlich auch abhängig vom sozialen Status der Elternhäuser. Anders ausgedrückt: Je höher der Sozialindex (sechs Stufen, eins ist die niedrigste, die Red.) eines Schulstandorts ist, desto besser sind die Abinoten.

Die staatlichen Gymnasien mit dem Sozialindex sechs, also einem sozial besonders stabilen und bildungsorientierten Umfeld, schlagen mit einem Durchschnittswert von 8,8 Punkten zu Buche. Der Mittelwert sinkt mit dem Sozialindex kontinuierlich ab und liegt bei Stufe zwei mit 7,7 Punkten fast einen Punkt darunter. Ein Gymnasium mit dem Sozialindex eins gibt es nicht.

Präsentationsprüfungen sind sehr beliebt

An den staatlichen Stadtteilschulen ist die Spreizung mit 1,4 Punkten sogar noch etwas größer. Schulen mit dem Sozialindex fünf (sechs gibt es nicht) kommen auf 8,2 Punkte in den schriftlichen Abiturprüfungen, während Standorte mit dem Sozialindex eins nur 6,8 Punkte erreichen.

Präsentationsprüfungen anstelle von mündlichen Prüfungen im Abitur sind bei den Schülern sehr beliebt: In 82,2 Prozent der Fälle entscheiden sich die Abiturienten für die mündliche Präsentation eines zuvor erarbeiteten Themas. Kritiker sehen in dieser neuen Form der Prüfung wiederum einen Weg, leichter zu besseren Noten zu kommen. Die Zahlen geben das nicht her: Nach Angaben des Senats liegt die Durchschnittsnote beider Prüfungsarten bei 2,6. Auch die klassische mündliche Prüfung eröffnet die Chance, das Ergebnis einer missglückten Abi-Klausur noch zu korrigieren. Von den 967 mündlichen Prüfungen wich in 563 Fällen das Ergebnis um mehr drei Punkte von dem der schriftlichen Prüfung ab – in den meisten Fällen wohl zugunsten der Schülerinnen und Schüler.

CDU-Schulpolitikerin
Karin Prien
fordert eine
schonungslose
Ursachenanalyse
der Abitur-Ergebnisse
CDU-Schulpolitikerin Karin Prien fordert eine schonungslose Ursachenanalyse der Abitur-Ergebnisse © Roland Magunia | Roland Magunia

Stärken und Schwächen der Hamburger Schüler haben sich im diesjährigen Abitur-Jahrgang erneut gezeigt: 40 Prozent der Schüler haben bei den schriftlichen Prüfungen in den fremdsprachlichen Fächern zwölf und mehr Punkte erreicht – ein besonders guter Wert. Dagegen weist die Statistik für Mathematik aus, dass 40 Prozent der Abiturienten in der Klausur nur zwischen null und sechs Punkte erzielten. Schon im Juli hatte die Schulbehörde nach einer vorläufigen Auswertung mitgeteilt, dass die Durchschnittszensur in der Mathe-Klausur von 3,0 (Jahrgang 2015) auf 3,2 gesunken sei.

Prien: Politik des „Abiturs um jeden Preis“ ein Irrweg

„Während immer mehr Schüler das Abitur machen, bleibt die Qualität des Abschlusses zunehmend auf der Strecke“, zog CDU-Schulpolitikerin Prien Bilanz. Vor allem an den staat­lichen Stadtteilschulen seien die Ergebnisse in Mathematik, aber auch in Deutsch „trotz des ohnehin abgesenkten Prüfungsniveaus alarmierend“. Es müsse sehr zu denken geben, dass die privaten Stadtteilschulen deutlich besser abschnitten. Jetzt sei eine „schonungslose Ursachenanalyse“ fällig.

Aus Sicht von Prien ist die Politik des „Abiturs um jeden Preis“ ein Irrweg. Hamburg müsse „Fehlentwicklungen“ bei der Inklusion von Kindern mit sozialpädagogischem Förderbedarf, bei der „Entwertung“ des mittleren Schulabschlusses und der mangelnden Differenzierung der Schüler nach Leistung in der Mittelstufe offensiv angehen. „Der Schlüssel dürfte allerdings in den Elternhäusern, bei der frühkindlichen Bildung und in der Grundschule liegen“, sagte die CDU-Politikerin.