Altstadt. Die neue Dinner-Show „Kuriositäten“ läuft noch bis zum März im Spiegelzelt vor den Deichtorhallen. Am Sonnabend kamen die ersten 340 Gäste, darunter viele Prominente

Dieses Pärchen hatte eindeutig ein Gläschen zu viel. Oder zwei oder drei. Ihr Lippenstift ist verschmiert, die Haare wirr, ihm hängt das Hemd aus der Hose. Völlig derangiert, die beiden. Und dann saufen sie immer noch weiter und trommeln dabei wie wild auf dem Tisch. Immerhin entsteht dabei ein Beat, ein ziemlich guter sogar. 340 Menschen schauen dem irisch-englischen Pärchen dort oben auf der Bühne bei ihrer Nummer zu – zwischen Linsensalat und Holsteiner Kalb. Es ist angerichtet: Cornelia Polettos Palazzo gastiert zum dritten Mal im Spiegelzelt und lädt zum Vier-Gänge-Menü ein, garniert mit Darbietungen von internationalen Varieté-Künstlern.

Der Auftritt von „Up & Over It“ ist einer der Höhepunkte der Dinner-Show. Suzanne Cleary und Peter Harding bilden das Duo, das seine Hände auf dem Tisch tanzen lässt, so wie die beiden Profitänzer das schon bei „Riverdance“ mit den Füßen gemacht haben. Der Percussion-Akt ist Publikumsliebling, einer von vielen allerdings. So rasant, so abwechslungsreich und manchmal auch ein wenig albern ist die Show mit dem Titel „Kuriositäten“, die am Sonnabend Premiere feierte.

Nur essen kann auch langweilig sein. Schauspielerin Sanna Englund („Notruf Hafenkante“) jedenfalls gibt zu, dass sie dabei gern liest oder fernsieht. Unterhaltungsprogramm beim Essen? Das ist üblicherweise eher verpönt, beim Gourmet-Theater im Spiegelpalast aber wird das stilvoll zelebriert. Hunderte Kerzenlichter auf den festlich gedeckten Tischen, Lichter, die in den geschliffenen Spiegeln glänzen. Viel dunkelroter Samt. Wow! Im Mittelpunkt steht die Bühne, die sich heben und senken lässt und von allen Seiten freie Sicht bietet. Stimmungsvoller kann ein Vier-Gänge-Menü wohl kaum präsentiert werden. „Man vergisst das Essen fast, weil die Nummern so toll sind und einen mitreißen“, sagt Englund, die zur Premiere ins Spiegelzelt vor den Deichtorhallen gekommen war. Gemeinsam mit anderen prominenten Gästen, unter anderen: Bill Ramsey, Lilo Wanders, die Schauspieler Patrick Bach, Till Demtrøder und Andrea Lüdke, Uni-Präsident Dieter Lenzen sowie Bahnchef und Poletto-Ehemann Rüdiger Grube. Das Essen vergessen? Nur fast, wie gesagt.

Schlauerweise servieren die Servicemitarbeiter die Gänge zwischen den einzelnen Darbietungen, sodass der Gast sich auf jeweils eine Sache konzentrieren kann. Genauer, auf: Belugalinsen mit warm geräucherter Bachforelle (Vorspeise), Südtiroler Apfel-Sellerie-Suppe mit Speckknusper, Ossobuco alla Poletto mit Zweierlei vom Holsteiner Kalb mit Risotto milanese, Gremolata und grünem Spargel (Hauptgang) und Nougat und Passionsfrucht zum Dessert. Alles auch in vegetarischer Version. In einer mobilen Küche auf 80 Quadratmetern werkelt die Küchenbrigade am Gourmet-Menü. Gastgeberin Cornelia Poletto hat zwar einen Platz im Manegenbereich neben ihrem Mann, aber zwischendurch verschwindet sie immer wieder. Natürlich in die Küche. „Das ist wichtig, ich bin ja zuständig für das Menü und vermittele dem Küchenchef, was ich möchte. Gerade am Anfang ist es wichtig zu probieren“, sagt sie. Nach dem Abstecher in die Küche zurück im Spiegelzelt kann sie wieder abschalten und in eine andere Welt abtauchen.

In die Welt, die an einen Jahrmarkt erinnern soll. Mit Jonglage von Oleg Dyachuk: Der Kleinwüchsige verschwindet in einer großen Kugel, die sich hin und her bewegt. In eine Welt mit dem Seifenblasen-Mann Burl, The Bubble Guy aus Ohio. Mit seinen Händen formt er Seifenblasen, zerteilt sie, vergrößert und bewegt sie. Lena Gutschank aus Berlin verbiegt ihren zierlichen Körper am Luftring, Trapezkünstler Mélanie und Xander bieten einen Paartanz am Trapez. Das sind die ruhigeren Momente.

Sonst geht es eher trubelig zu, „15feet6“ hüpfen auf einem Barren, Handstand und Salto inklusive, ziemlich hoch, ziemlich atemberaubend. Dann ist da der als uneheliche Sohn von Elvis angekündigte Igor, der seine Hüften zu Rock-’n’-Roll-Klängen schwingt, und zwar in Hula-Hoop-Reifen. Das Duo Bande Artistique, Marie-Claude Chamberland und Emile Carey, können scheinbar alles: Sie hat eine klassische Gesangsausbildung und versucht im Spiegelzelt Gläser zum Zerspringen zu bringen, er kann jonglieren und erinnert auch ohne gelben Kopf und blauer Latzhose an die Minions. Gemeinsam sind sie sehr gut im Glockenspiel, sehr komisch. „Erst denkt man, das ist zu albern, und dann lacht man doch“, sagt eine Zuschauerin. Zum Finale singt Conférencier Mathias Schlung in Freddy-Mercury-Marnier. Ganz groß. Nie waren dreieinhalb Stunden Essen kurzweiliger.

Wer weiß, vielleicht wird Gastgeberin Cornelia Poletto auch irgendwann auf der Bühne stehen. „Es kitzelt in meinen Fingern. In 20 Jahren werde ich euch auch eine Show bieten“, sagt sie. Nur: Das mit der Gelenkigkeit werde wohl nicht besser. Das sieht sie ein.

Polettos Palazzo ist bis zum 5. März im Spiegelzelt, Deichtorstraße 1. Di bis Sa 19.30 Uhr, sonntags 18 Uhr. Eintritt: 89 bis 145 Euro. Tickets: 01806/38 88 83 oder www.palazzo.org