Hamburg. 600 Gäste feiern eine Wahlparty in der Bucerius Law School. Die gute Stimmung schlägt am Morgen in Ernüchterung um.

Fassungslosigkeit in der mit "Stars and Stripes" dekorierten Bucerius Law School in der Hamburger Neustadt. Als sich um kurz vor 6 Uhr der überraschende Sieg Donald Trumps bei den US-Präsidentschaftswahlen abzeichnet, verlassen nach und nach auch die letzten Teilnehmer wortlos die Wahlparty. Bis zu 600 Gäste, darunter auch in Hamburg lebende Amerikaner, hatten dort auf Einladung der privaten Jura-Hochschule, des Generalkonsulats und des Amerikazentrums Hamburg gefeiert. Die Sympathien waren klar verteilt: Alle von den Veranstaltern im Foyer ausgelegten Clinton-Anstecker sind schnell vergriffen, nur Trumps Plaketten bleiben liegen.

Die Enttäuschung über das Wahlergebnis ist vielen Gästen ins Gesicht geschrieben, etliche verlassen die Wahlparty, die so fröhlich begonnen hatte, vorzeitig. „Donald Trump ist unberechenbar“, sagt US-Moderator David Patrician, der seit fünf Jahren im Schanzenviertel lebt. „Unberechenbar im Guten wie im Schlechten.“ Der Amerikaner in Hamburg sagt, er hätte sich gefreut, wenn die USA ihre erste Präsidentin bekommen hätten. „Mit Clinton wäre die Situation für Deutschland einfacher, die Beziehung der beiden Länder wäre stabiler gewesen“, glaubt Patrician und sagt über Trumps Triumph: „Davon geht die Welt aber nicht unter.“ Der US-Moderator erklärt sich den Erfolg des Milliardärs so: „Trump war schon eine gefragte Marke, bevor der Wahlkampf begann. Hillary Clinton hat das Problem, dass viele Leute ihr nicht trauen.“

Donald Trump: Reaktionen aus Hamburg

Fegebank und Grote unter den Gästen

Schon seit 21 Uhr feiern die Gäste an der Jungiusstraße bei Muffins und Sandwiches, verbringen die lange Wahlnacht mit Livemusik, Cheerleadern, einer Podiumsdiskussion, Vorträgen - und natürlich den Live-Übertragungen der US-Sender wie CNN und Fox News. Mit dabei: Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne), Innensenator Andy Grote (SPD) und der Landesvorsitzende der Hamburger CDU, Roland Heintze. Beliebte Fotomotive sind neben der nagelneuen Helmut-Schmidt-Büste im Foyer auch zwei lebensgroße Pappfiguren der Präsidentschaftskandidaten, die auf der Bühne des Hörsaals für etliche Selfies herhalten müssen.

Der neue US-Generalkonsul in Hamburg, Richard T. Yoneoka, lobt zu Beginn der Wahlparty die Hansestadt und besonders die Elbphilharmonie („…auch wenn ihr Bau so lange gedauert hat“). Der humorvolle, sympathische Diplomat darf aber weder die Wahl noch das Abschneiden der Präsidentschaftskandidaten kommentieren. Auf die Frage, was er von dem umstrittenen und zeitaufwendigen Geldeintreiben („Fundraising“) der US-Kandidaten für ihre Kampagnen hält, sagt Yoneoka: „Ich kenne kein anderes Land, das die Finanzierung des Wahlkampfes so transparent macht.“

"Das darf doch nicht wahr sein"

Als um 0.10 Uhr das erste Ergebnis kommt und Trump in Kentucky zunächst mit 79,1 Prozent vorne liegt, reagieren die Gäste in Hamburg noch mit Gekicher. „Das darf doch nicht wahr sein!“, sagt einer kopfschüttelnd und ahnt offenbar schon, wie es ausgeht. Plötzlich scheint Clinton zwar aufzuholen — und liegt in vielen umkämpften Bundesstaaten zeitweise vorne, was die Gäste vor der Großbildleinwand mit Applaus und vereinzelten Jubelrufen quittieren.

Doch immer wieder bleibt den Clinton-Anhängern im Hörsaal das Lachen im Halse stecken - ein Trump-Sieg hier, ein Trump-Sieg da, und schon liegt der Milliardär wieder vorne. Es wird immer stiller im großen Hörsaal, der seit Montag "Helmut-Schmidt-Auditorium" heißt. Die Reihen lichten sich, ein Besucher döst im Klappsitz vor sich hin, andere verspeisen die Schokoriegel, die die Veranstalter als Notverpflegung bereit gehalten hatten, und um 3.30 Uhr geht das Garderobenpersonal nach Hause.

Der Hamburger FDP-Politiker und frühere Bundestagsabgeordnete Burkhardt Müller-Sönksen gehört am frühen Morgen zu den 50 letzten Besuchern der Wahlparty. Doch um 4.30 Uhr hat auch der Liberale genug: „Ist gelaufen!“, ruft er den verbliebenen Gästen zu und verlässt enttäuscht das Auditorium. Vor der Garderobe stapeln sich schon prall gefüllte, graue Müllsäcke und auf dem Tisch daneben Hunderte „Trump“-Anstecker, die anscheinend keiner haben will. Jedenfalls nicht heute Morgen - und nicht hier, direkt neben der Büste des großen Hanseaten und Staatsmannes Helmut Schmidt.