Hamburg. Der Tatverdächtige ist der Noch-Ehemann des Opfers. Die Jobcenter-Mitarbeiterin wurde schwer verletzt in eine Klinik gebracht.
Vermutlich war es Eifersucht: Deshalb hat ein 56-Jähriger im Jobcenter am Friedrich-Ebert-Damm seine Noch-Ehefrau angegriffen und mit Säure überschüttet. Die 46 Jahre alte Frau erlitt Verätzungen im Gesicht und am Oberkörper. Auch die Augen wurden verletzt. Der Täter flüchtete, konnte aber wenige Stunden später festgenommen werden. Er ist ebenfalls Mitarbeiter beim Jobcenter. Die Mordkommission übernahm den Fall.
Am Montag um 12.30 Uhr kam der 56-Jährige ins Büro seiner Frau im dritten Stock des Jobcenters. Kurz darauf hörten Kollegen der Frau Schreie. Im Büro hatte der Mann ihr da vermutlich schon Salzsäure ins Gesicht geschüttet. Dann flüchtete er. Säuredämpfe zogen durch die Räume.
Feuerwehr und Polizei rückten mit einem Großaufgebot an. Nur unter Atemschutz und mit speziellen Anzügen gingen die Feuerwehrleute in den betroffenen Bereich. Beamte des Umweltdienstes der Feuerwehr führten Messungen durch und nahmen Proben. Das Ergebnis: Bei der Flüssigkeit dürfte es sich um etwa einen halben Liter 30-prozentige Salzsäure handeln. Die verschüttete Säure wurde aufgewischt, die Büroräume belüftet. Nach rund eineinhalb Stunden wurden die Räume wieder freigegeben. „Die weitere Entsorgung übernimmt eine Fachfirma“, hieß es von der Feuerwehr.
Eine Kollegin des Opfers kam mit Schock in die Klinik
Zum Zeitpunkt der Tat hielten sich etwa 25 Personen in der Nähe auf. Fünf klagten nach dem Säureanschlag über Reizungen der Atemwege. Sie wurden vor Ort betreut. Ins Krankenhaus musste keiner von ihnen. Eine Mitarbeiterin kam dennoch ins Krankenhaus. Sie hatte einen Schock erlitten.
Die 46-Jährige, die Ziel der Attacke geworden war, wurde schwerer verletzt. Sie musste vor Ort vom Notarzt behandelt werden. Dann kam sie mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus. „Lebensgefahr besteht für die Frau nicht“, sagte Polizeisprecher Rene Schönhardt am Nachmittag.
Bei der Polizei geht man offenbar davon aus, dass der Mann zumindest in Kauf nahm, dass seine Noch-Ehefrau durch den Säureangriff stirbt. Deswegen ist auch das LKA 41, so die Bezeichnung der Mordkommission, in den Fall eingebunden.
Zunächst wurde nach dem Täter gefahndet. Noch am Nachmittag stellte sich Armin B., indem er sich im Krankenhaus Wandsbek in der Psychiatrie meldete. Ob der 56-Jährige noch eine Aussage gegenüber der Polizei machte, wurde am Abend nicht bekannt. Auch war zunächst nicht entschieden, ob Haftbefehl beantragt wird. Sollte es sich bei der auf die Frau geschütteten Flüssigkeit tatsächlich um 30-prozentige Salzsäure handeln, dürfte der Täter keine Probleme gehabt haben, sie zu bekommen. Säure in der Konzentration wird als Reinigungsmittel verkauft. Unter anderem wird sie benutzt, um Rostflecken zu entfernen.
Salzsäure gilt auch in dieser Konzentration als hoch gesundheitsgefährlich. Bei der Verwendung muss man Gummihandschuhe tragen. Bei Hautkontakt können ohne schnelle Behandlung narbenartige Verletzungen entstehen. Vor allem die Augen müssen geschützt werden. Sie werden von Salzsäure sofort angegriffen. Außerdem gilt Salzsäure als hochgiftig. Auch das Einatmen der Dämpfe ist gefährlich.
Säureattacken kommen immer wieder vor. Erst vor wenigen Tagen überschüttete in Berglen bei Stuttgart eine 46-Jährige im Streit ihren Ehemann mit Salzsäure. Das Opfer erlitt schwerste Verletzungen. Der Mann musste in einer Spezialklinik behandelt werden. Die Frau war nach der Tat geflüchtet und hatte nach einer kurzen Fahrt ihren Wagen in Brand gesetzt.
Mordanklage? Oder ist der Täter psychisch krank?
In Hannover stand im August ein 32 Jahre alter Mann vor Gericht, der seine Ex-Freundin mit Säure überschüttet hatte. Die 27-Jährige wurde dabei schwer im Gesicht entstellt. Auf einem Auge ist sie fast blind. Motiv war auch in diesem Fall Eifersucht. Sie hatte sich von dem Mann getrennt und ihn auch wegen Körperverletzung angezeigt. Das reichte für den 32-Jährigen aus, um die Frau mit industriellem Rohrreiniger zu überschütten. Die Staatsanwaltschaft hatte den Täter wegen versuchten Mordes angeklagt.
Ob sich Armin B. ebenfalls wegen Mordes verantworten muss, wird die Staatsanwaltschaft entscheiden. „Dass er sich in der Psychiatrie gestellt hat, weist bereits darauf hin, dass hier verminderte Zurechnungsfähigkeit geltend gemacht werden soll“, so ein Beamter.
Tatsächlich werden Säureattentate in Europa auffallend oft von psychisch kranken Tätern begangen. In Kempten im Oberallgäu stand in Sommer dieses Jahres ein 70-Jähriger vor Gericht, der per Annonce einen „starken Mann“ gesucht hatte, der für 5000 Euro seine Frau mit Säure überschütten sollte. Ein Gutachter bezeichnete den Mann als psychisch schwer krank und depressiv. Auf seine Anzeige meldete sich ein Mann – doch der alarmierte stattdessen die Polizei.