Wilhelmsburg. Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) kündigt neue Abgabe für 2018 an. Stadtreinigung wird sich künftig um alle Grünanlagen kümmern

Oliver Schirg

Kampf gegen Kaffeepappbecher, Reinigungsabgabe, Stärkung der Stadtreinigung – Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) hat das Thema Sauberkeit der Stadt entdeckt. Was er vorhat, erklärt er im Interview mit dem Abendblatt.

Ist Sauberkeit inzwischen ein Thema der Grünen?

Jens Kerstan: Ja, denn es geht uns um eine lebenswerte Stadt. Der öffentliche Raum ist dabei ein wesentlicher Bestandteil. Schmuddelecken mit Müll sind Bereiche, in denen Menschen sich nicht wohlfühlen. Öffentliche Sauberkeit ist zudem ein Thema der sozialen Gerechtigkeit. Wohlhabendere Menschen können sich hinter ihren Hecken erholen. Menschen, die keine eigenen Gärten haben, sind jedoch auf saubere Parks und Plätze angewiesen.

Ist Hamburg schmutziger geworden?

An manchen Stellen sieht es nicht so aus, wie es sollte. Das liegt auch an veränderten Lebensgewohnheiten. Immer mehr Menschen verlegen vor allem bei gutem Wetter im Sommer einen Teil ihres Lebens in die Öffentlichkeit. Das ist eine schöne Entwicklung und macht unsere Stadt noch lebendiger. Denken Sie nur an die vielen Grillabende in den Parks. Hamburg ist insgesamt sicher nicht schmutziger geworden als früher. Aber an manchen Ecken gibt es dennoch Handlungsbedarf.

Was wollen Sie tun?

Wir werden nicht an den Symptomen herumdoktern. Derzeit sind zu viele unterschiedliche Stellen und Behörden für die Sauberkeit der Stadt zuständig: die Bezirke, die Stadtreinigung, private Eigentümer, Unternehmen. Darunter leidet die Sauberkeit und auch die Effizienz der Arbeiten.

Das ist die Analyse. Wo liegt die Lösung?

Der Senat wird für die Sauberkeit künftig mehr Geld in die Hand nehmen, denn eine saubere Stadt gibt es nicht kostenlos. Dadurch können wir die Zuständigkeit für die Reinigung aller Grünanlagen der Stadt bei der Stadtreinigung konzentrieren. Bislang ist das städtische Unternehmen nur für Straßen und Wege zuständig, und die Bezirke kümmern sich um die Grünanlagen.

Weshalb kostet das mehr Geld?

Es werden nicht nur die Aufgaben ver­lagert. Die Bezirke behalten das Geld, das sie derzeit für Reinigung und Pflege von Grünanlagen bekommen. Künftig können sie es aber ausschließlich für die Pflege ausgeben, also Rasenmähen, Bäumepflanze­n, Büschestutzen. Der Stadtreinigung wiederum werden die zusätzlichen Reinigungsaufgaben finanziert.

Ab wann wird dieser Plan umgesetzt?

Die Neuregelung soll vom 1. Januar 2018 an gelten. Kurzfristig stellen wir 1000 zusätzliche Papierkörbe auf: Für 500 können Bürgerinnen und Bürger jetzt schon Standort-Vorschläge machen, 500 weitere sollen 2017 hinzukommen. Die Neuregelung sieht zudem den Aufbau mobiler Sauberkeits-Teams vor. Die Mitarbeiter dieses Teams sollen dort selbst für Sauberkeit sorgen, wo es gerade dringend ist. Sie werden – sozusagen als letztes Mittel – auch das Recht erhalten, jene, die Parks oder Gehwege verschmutzen, auf ihr Fehlverhalten hinweisen, Knöllchen verteilen und Bußgelder verhängen können. Das soll aber die Ausnahme bleiben.

Sollte die Stadt Flüchtlingen und Sozialhilfeempfängern die Mitarbeit anbieten, damit diese sich etwas hinzuverdienen können?

Flüchtlinge für die Sauberkeit in der Stadt flächendeckend einzusetzen halte ich für problematisch. Der bürokratische Aufwand wäre zu hoch. Im Übrigen sorgen Flüchtlinge in ihren Unterkünften bereits für Sauberkeit und verdienen sich etwas hinzu.

Woher kommt das zusätzliche Geld für die Stadtreinigung?

Das meiste Geld für Grünpflege und Sauberkeit wird weiter aus dem Hamburger Haushalt kommen. Allerdings planen wir auch eine Straßenreinigungsgebühr, wie es sie in den meisten deutschen Großstädten schon gibt.

Wie hoch wird die Gebühr sein, und wer wird sie bezahlen müssen?

Wir arbeiten daran seit Monaten und haben darüber im Grundsatz mit dem Bürgermeister und den Senatskollgen gesprochen und sind auch mit den Bezirken im Gespräch. Derzeit prüft und berechnet eine behördenübergreifende Arbeitsgruppe, an welchen Stellen in der Stadt häufiger gereinigt werden muss, wie viele zusätzliche Arbeitskräfte nötig sind und was das am Ende alles kostet. Diese Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen. Aber es wird eine moderate Gebühr.

Moderat klingt aus dem Mund eines Senators immer ein wenig bedrohlich.

In einigen Städten liegt die Gebühr bei ein, zwei, drei Euro pro Monat, in anderen deutlich höher, wobei dort andere Aufgaben einfließen. Wir schauen uns die Modelle aus anderen Städten jetzt genauer an und wollen uns dabei im unteren Bereich der vergleichbaren Preisbeispiele orientieren. Grundsätzlich soll unser Modell sozial verträglich sein, schon jetzt ist klar, dass Menschen in Mehrfamilienhäusern nur mit sehr geringen zusätzlichen Gebühren rechnen müssen, in einem Großteil der Fälle dürften diese in der Nebenkosten­abrechnung kaum spürbar ins Gewicht fallen

Pro Haushalt und Monat?

Auch darüber wird derzeit in der Arbeitsgruppe beraten. Soll die Gebühr pro Frontmeter des Grundstücks erhoben werden? Wie wollen wir mit Grundstücken umgehen, auf denen zwei Einfamilienhäuser stehen? Muss es eine soziale Komponente geben? Das sind wichtige Fragen. Aber wie gesagt: Am Ende wird ein großer Teil der Kosten für Sauberkeit aus dem Haushalt bezahlt, und die Gebühr wird moderat ausfallen.

Stadtforscher haben die „Broken-window-Theorie“ aufgestellt. Vereinfacht gesagt bedeutet diese: Wenn in einer Straße ein Haus verfällt, dauert es nicht lange, bis der Verfall sich ausbreitet. Was halten Sie davon?

Ich teile diese Auffassung. Wenn in einem Park erst einmal jemand seinen Müll achtlos liegen lässt, fühlen sich andere oft auch nicht mehr daran gebunden, ihren Abfall zum nächsten Papierkorb zu bringen. Wo nicht sauber gemacht wird, kann ein Ort rasch vermüllen.

Die aktuelle Situation am Hauptbahnhof finde ich nicht gut; die am Steindamm ebenfalls nicht. Allerdings gilt die Theorie auch umgekehrt: Dort, wo es sauber ist, sind die Menschen achtsamer und tun sich schwer, einfach ihren Müll fallen zu lassen.

Zu den neuen Lebensgewohnheiten gehört das Coffee-to-go-Prinzip. Sollte der Gesetzgeber nicht eine Steuer auf Coffee-to-go-Becher erheben, die nach Gebrauch oft auf die Straße geworfen werden?

Ob es gleich eine weitere Gebühr sein muss, weiß ich nicht. Aber wir wollen in der Tat etwas unternehmen, um die Flut der Wegwerfkaffeebecher zu reduzieren. Allein in der gemeinsamen Kantine von Umwelt- und Stadtentwicklungs­behörde werden jedes Jahr mehr als 15.000 Einwegbecher ausgegeben.

Nach den Dieselautos wollen Sie den Menschen jetzt also auch den Coffee to go mies machen?

Nein, darum geht es nicht. Kaffee ist Lebensqualität, und ich trinke ihn selbst sehr gern. Aber wir wollen mehr Nachhaltigkeit auch bei Produkten, die es vor zehn Jahren in diesem Umfang noch nicht gab – da sind die Wegwerfbecher ein sehr prominentes Beispiel. Wir werden die Einwegbecher in unserer Kantine durch Mehrwegbecher ersetzen und so mit gutem Beispiel vorangehen.

Das wird nicht reichen. Haben Sie schon Kontakt mit den betroffenen Unternehmen aufgenommen?

Wir wollen auch auf Coffeeshops und Bäckereien zugehen und planen dazu gemeinsam mit dem Parlament eine Initiative. Denkbar wäre eine Art Pfandsystem, durch das die Kunden animiert werden, Kaffeebecher zurückzubringen. Eine andere Variante wäre, dass Unternehmen den Kaffee etwas günstiger anbieten, wenn der Kunde seinen eigenen Becher mitbringt. Wir haben mit freiwilligen Aktionen von Unternehmen gute Erfahrungen gemacht. Dann ist deren Engagement in der Regel größer.

Und die Behörden der Stadt?

Man darf die Vorbildwirkung von Behörden nicht unterschätzen. Denken Sie an den Verzicht von Kaffeekapseln in den Behörden der Hansestadt, den wir verbindlich in unserem Umweltleit­faden festgeschrieben haben. Vom Volumen her war das keine Maßnahme mit einem großen Effekt. Aber sie hat weltweit Aufsehen erregt, die Diskussion über überflüssigen Müll in Fahrt gebracht und die Sichtweise von Menschen verändert. Das würden wir bei den Coffee-to-go-Bechern gern wiederholen. Unser Ziel sind praktische Lösungen, die am Ende zu weniger Einwegverpackungen führen und breit akzeptiert werden.

Gibt es anderswo in der Welt Vorbilder, auf die sich Hamburg beim Kampf gegen Pappbecher für Kaffee stützen kann?

Es gibt auch in Hamburg bereits Unternehmen, bei denen man seinen eigenen Becher füllen kann. Aber das sind noch eher Einzelfälle. Wir wollen deshalb rasch mit den Unternehmen ins Gespräch darüber kommen, wie man die Zahl von Einwegbechern deutlich reduziert. Ich habe im Übrigen den Eindruck, dass die Bereitschaft bei einigen Akteuren vorhanden ist. Sie haben ein schlechtes Gewissen, weil sie wissen, dass ihre Produkte nicht nachhaltig sind.

Gibt es im Zusammenhang mit der Verschmutzung der Stadt etwas, das Sie besonders ärgert?

Mich stört es, wenn Menschen rücksichtslos ihren Dreck dort fallen lassen, wo sie gerade stehen. Unglücklich bin ich auch mit der Tatsache, dass noch zu oft und zu leichtfertig alte Bäume gefällt werden, beispielsweise bei Verkehrs- oder Baumaßnahmen.

Sollte der Umweltsenator ein Vetorecht gegen das Fällen von Bäumen erhalten?

Ein Vetorecht sicher nicht, das wäre wohl zu kleinteilig und kaum zu bewältigen. Aber, dass Bauunternehmen oder Verkehrsplaner die vorhandenen Leitfäden zu diesem Thema verbindlich berücksichtigen müssten, das wäre sicher ein wichtiger Schritt.

Heute gepflanzte Bäume werden in der Regel nicht älter als 40 Jahre. Sie können also einhundert Jahre alte Bäume nicht wirklich ersetzen. Jeder erhaltene alte Baum ist daher besser als ein neu gepflanzter Baum.