Hamburg . Studie an Hamburger Schulen: Tablets und Internet verbessern selbstständiges Lernen – aber nicht die Noten
Am Ende der Präsentation gab sich Ties Rabe kämpferisch. „Das ist die Zukunft“, rief der Schulsenator (SPD). „Wenn wir es gut machen, gibt es hier Chancen, die kein Lehrer mit herkömmlichem Unterricht erreichen kann.“ Gemeint war die Nutzung digitaler Mobilgeräte und des Internets im Klassenzimmer – für einen zeitgemäßen Unterricht unabdingbar, findet Rabe. Das ist ein Ansatz, der Flüchtigkeit fördert und eine breit gefächerte Bildung verhindert, meinen Kritiker.
Was aber bringt digitaler Unterricht wirklich? Er kann das selbstständige Lernen fördern; er kann die Schüler zu einer stärkeren Mitarbeit animieren, aber auch eher zum Surfen im Internet für private Zwecke verführen; er bewirkt zwar nicht einen schlechteren Lernstand, führt aber auch nicht eindeutig zu besseren Leistungen – so lautet zumindest die wissenschaftliche Bilanz für das zweijährige Hamburger Pilotprojekt „Start in die nächste Generation“, die Rabe am Donnerstag mit dem Erziehungswissenschaftler Professor Rudolf Kammerl vorstellte.
Für das Vorhaben, das die Schulbehörde mit insgesamt 900.000 Euro für Investitionen und laufende Kosten förderte, hatten sich mehr als 40 Hamburger Schulen beworben. Drei Gymnasien und drei Stadtteilschulen wählte die Behörde aus. Die geplante Teilnehmerzahl habe sich dann verdoppelt, berichtete Rabe. Zum Ende hin hätten rund 2200 Schüler aus 94 Klassen mitgemacht, die in 16 Unterrichtsfächern ihre eigenen Smartphones, Laptops und Tablets nutzten.
Rudolf Kammerl (früher Uni Hamburg, jetzt in Nürnberg) und sein Team befragten rund 500 Schüler der Mittel- und Oberstufe zu Beginn und am Ende des Projekts. Dabei gab es Kontrollgruppen, also Klassen weitestgehend ohne digitales Lernen. Zudem führten die Forscher 58 Interviews mit Lehrern und beobachteten den Unterricht.
Mehr als 75 Prozent der Schüler, die an digitalem Unterricht teilnahmen, wollen so weiterarbeiten, ergab die Studie. Die eingesetzten Lernprogramme waren aus Sicht der Lehrer unkompliziert, führten zu einer stärkeren „Aktivierung“ der Schüler und verbesserten das individuelle Lernen.
Vor allem auf solche Lern-Apps, die Schülern sofort eine Rückmeldung geben, sie korrigieren, ihnen Übungen erneut zeigen und sie weiterführen, bezieht sich Rabe, wenn er von Chancen des digitalen Lernens spricht. Stellt sich doch für Lehrer bei unterschiedlich starken Gruppen oft das Problem, sich nicht immer gleich gut um alle Schüler kümmern zu können.
Zurück zur Studie: Die Schüler aus der Digitalgruppe gaben häufiger an, sich online zu Schulaufgaben auszutauschen. Während des Unterrichts nutzten sie das Internet jedoch auch etwas häufiger für private Zwecke als ihre Mitschüler aus der Kontrollgruppe – allerdings nicht in einem besorgniserregenden Maße, wie Kammerl sagte.
Der Erziehungswissenschaftler sieht vor allem den häufigen Einsatz von Smartphones kritisch. Diese Wahl trafen die Schüler selbst. Dabei zeigte sich, dass die Geräte wegen der kleinen Displays für das Schreiben und Lesen von längeren Texten und für komplexere Aufgaben wie 3-D-Arbeiten schlecht geeignet sind. Allerdings: „Dass man Smartphones auch zum Fotografieren, Filmen und für diverse naturwissenschaftliche Messungen gebrauchen kann, machen sich Lehrer und Schüler bisher leider kaum zu Nutze“, sagte Kammerl. Er bemängelt, dass zu wenig Zeit aufgewendet wurde, um die Medienkompetenz der Schüler zu verbessern. „Stattdessen stand der reine Fachunterricht im Vordergrund.“ Die Lehrer hätten sich mehr Unterstützung durch Fortbildungen gewünscht.
Andere Studien zeigten, dass Kinder und Jugendliche einen verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien nicht von selbst lernten, sagte Ties Rabe. „Weil digitale Medien aber ein fundamentaler Bestandteil unserer Berufswelt sind, müssen wir unsere Schüler rechtzeitig vorbereiten – auch wenn sich das nicht etwa darin abbildet, dass sie zehn Vokabeln mehr im Englischunterricht können.“
Rabe will den digitalen Unterricht in Hamburg zwar ausweiten, aber damit abwarten, bis klar ist, was mit den fünf Milliarden Euro passiert, die Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (SPD) für digitalen Unterricht ausgeben will. Hamburg stünden davon 125 Millionen Euro zu. „Das wäre ein gewaltiger Schritt für uns“, sagte Rabe.