Stellingen. In der Quarantänestation von Hagenbecks Wasser- und Reptilienwelt landen Zollfunde, Patienten und andere Problemfälle
Er hatte es nicht leicht in den letzten Wochen, der kleine Basilisk. Die leguanartige, giftgrüne Echse ist von seinen Artgenossen „ganz schön untergebuttert“ worden, sagt Guido Westhoff, Leiter des Tropen-Aquariums bei Hagenbeck. Bei Revierkämpfen habe er erst kaum noch Futter bekommen, später kaum noch Kraft gehabt. Am Ende war er ziemlich runtergewirtschaftet, so Westhoff: „Wir haben ihn aus der Ausstellung genommen, um ihn hier hinten etwas aufzupäppeln.“ Hier hinten, das sind zwei Dutzend Terrarien und Aquarien auf engstem Raum – die Quarantänestation des Tropen-Aquariums.
Dabei sei der Begriff für die kleinen Räume im Kellergeschoss irreführend, denn niemand muss sich ausgiebig desinfizieren, seltsame Kopfbedeckungen tragen oder Handschuhe anziehen. Macht der Chef auch nicht. Vielmehr handelt es sich um einen kleinen, für Besucher unzugänglichen Bereich; einen Ort für Neuzugänge, Aufzuchten, Zollfunde und Patienten wie den Basilisken.
Hagenbeck zieht in diesem geschützten Bereich nicht nur eigene Korallen heran, indem kleine Ableger der Nesseltiere reifen, bis ihre Kalkskelette in den künstlichen Atollen zur Riffbildung beitragen können. Auch vom Zoll konfiszierte Tiere landen hier. „Oft werde ich gerufen, um die Art zu bestimmen“, sagt Westhoff. „Gerade haben wir unter Schutz stehende Riesenmuscheln im Quarantänebecken.“ Das sei nur die Spitze des Eisbergs. Mit lebenden Meerestieren zu handeln sei ein florierendes, oft aber auch ein illegales Geschäft.
„Langusten nur mittwochs füttern“, steht auf einem der Becken. Handschriftliche Notizen an den Glaswänden der Aquarien verraten weitere Details. Überall hängen Bilder mit Tierart und möglicher Giftigkeit. Die Quarantäne des Hamburger Privatzoos sei aber nicht mit der eines staatlichen Zoos wie Berlin zu vergleichen. „Es ist sehr fokussiert hier“, sagt Westhoff. Seine fünf Mitarbeiter kümmern sich in der Laboratmosphäre zusätzlich zu ihren tierpflegerischen Aufgaben um die Quarantäne.
Es gibt Hai- und Krokodilseparees, genau wie Süß- und Salzwasserbecken. In einem schwimmen zwei Jungtiere des Blaugepunkteten Stechrochens. „Wenn sie futterfest sind, das heißt, sich an die Handfütterung gewöhnt haben, gehen sie ins Aquarium nach Berlin“, so der Chef. Auch Tiere mit Parasitenbefall werden behandelt. Dabei kämen sowohl Medikamentenbäder als auch Parasiten fressende Lippfische zum Einsatz. Je nachdem. Oft müsse man sich an Aufzucht oder Heilung einer Art herantasten. „98 Prozent der Biosphäre befinden sich im Wasser“, sagt Westhoff. Längst nicht alles sei erforscht (siehe Kasten).
Auch im „Landbereich“ mit seinen Terrarien müssen hinter den Kulissen Futtervarianten ausprobiert und Jungtiere herangezogen werden. Hier lebt etwa der Jungferngecko, ein sich parthenogenetisch fortpflanzendes Weibchen, das keinen Partner braucht, um Klone seiner selbst zu schaffen. Und hier leben „Problemfälle“ wie die Segelechse, die in der Ausstellung sozial unverträglich mit ihrer Artgenossin ist. Deshalb müssen beide abwechselnd in die Quarantäne.
Anders ist es beim Rotaugen-Buschkrokodil, das Westhoff erst minutenlang suchen muss. „Ein faszinierender Helmskink aus Neuguinea mit roten Augen und Drachenzacken“, sagt er. „Nur leider nachtaktiv und sonst ständig eingegraben.“ Für die Ausstellung (noch) völlig ungeeignet. Westhoff hat mehrfach überlegt, wie man das Tier für Besucher und Echse zufriedenstellend präsentieren könnte. Bislang ohne Erfolg. Hier hat selbst der Anspruch des Tropen-Aquariums, die karg geflieste Badezimmer-Ära der Tierpräsentation hinter sich zu lassen, Grenzen. „Wir kriegen heutzutage alles präsentiert, müssen nichts mehr entdecken“, sagt der Doktor der Biologie. Aber wenn das Tier auch nach Stunden nicht zu entdecken ist, muss man sich für die Ausstellung etwas überlegen.
Medusenhaft wird der Abschluss der Führung durch den geschützten Bereich. Acht Gartenboas, gerade zwei Tage alt, schlingen sich um die Hand von Guido Westhoff und schnappen nach allem, was sich bewegt. Sie wurden mit dem Muttertier aus dem öffentlichen Terrarium genommen. „Sonst weiß man nie, wie viele Jungtiere man hat“, erklärt der Chef des Tropen-Aquariums. Und in Ruhe groß werden schadet auch Schlangen nicht.