Hamburg. Heldin des Alltags: Gloria Boateng wird für ihr Bildungsengagement mit der „Goldenen Bild der Frau“ geehrt
Lehrerin, Fitnesstrainerin, Fremdsprachenkorrespondentin, Mutter einer 16-jährigen Tochter, Vorstandsvorsitzende – Gloria Boateng besetzt so viele Rollen, dass einem glatt schwindelig werden könnte. Für ihr Engagement im Vorstand bei SchlauFox, einem Verein, der Kindern und Jugendlichen den Zugang zu Bildungsangeboten erleichtert, wird die 37-Jährige am heutigen Donnerstagabend mit der „Goldenen Bild der Frau“ ausgezeichnet.
Es wird eine Gala mit 600 Gästen und viel Prominenz. Doch statt dem üblichen Glitzer und Glamour sollen laut „Bild der Frau“-Chefredakteurin Sandra Immoor die „Heldinnen des Alltags“ im Mittelpunkt stehen. Frauen wie Gloria Boateng.
Sie kam als zehnjähriges Mädchen aus Ghana nach Hamburg, verbrachte die Teenagerjahre in einer Pflegefamilie, bekam mit Anfang 20 ein Kind, während die Freunde feiern gingen, musste sie sich mit Fremdenfeindlichkeit auseinandersetzen. Und wurde zu einer Kämpfernatur. „Ich hatte immer schon sehr viel Energie und brauchte verschiedene Ventile dafür.“
Einst sei es der Sport gewesen, bei dem sie sich auspowern und ihre negativen Gedanken loswerden konnte. Ballett, Karate, Hürdensprint – und am liebsten draußen in der Natur sein. Heute fließt ihre Energie in die Familie, ihren Beruf als Lehrerin und ihr gesellschaftliches Engagement.
Bewegung und Wellness sind aber nach wie vor wichtige Eckpfeiler in ihrem turbulenten Leben zwischen Klassenzimmer, Projektkoordination und dem Fitnesscenter, in dem sie einmal wöchentlich Kurse gibt. Mit Jogging und Cardio-Training hält sie sich fit – „Hauptsache, es werden ordentlich Endorphine freigesetzt“, sagt die rastabezopfte Frau mit einem Lachen, das irgendwie an Whoopi Goldberg in dem Film „Sister Act“ erinnert.
Sie freue sich riesig über ihre bevorstehende Auszeichnung. Als Heldin würde sie sich aber nicht bezeichnen. Einige Schüler und Studenten nennen sie Vorbild – das gefällt ihr.
Dass Bildung nicht selbstverständlich, sondern ein wertvolles Gut ist, weiß sie aus eigener Erfahrung. Zwar sei ihre Kindheit in Ghana sehr frei gewesen („Abgesehen von der Hausarbeit, die verrichtet werden musste, konnten wir in den Wäldern und Straßen spielen“). Doch konnte ihre Familie häufig das Schulgeld nicht bezahlen, sodass die wissbegierige und fleißige Schülerin manchmal monatelang vom Unterricht ausgeschlossen war. „Zum Glück konnte ich immer schnell wieder den Anschluss finden“, sagt Gloria Boateng heute. Doch sie weiß: So wie ihr ging und geht es vielen Mädchen und Jungen in Afrika.
Ihr erster Gedanke, als sie als Erwachsene von einer ihrer Reisen in die Heimat zurückkam, war: „Ich muss in Ghana Schulen bauen, damit jedes Kind Zugang zur Bildung hat – unabhängig vom Einkommen der Eltern.“
Doch dann veränderte sich ihre Wahrnehmung. „Selbst in einem wohlhabenden Land wie Deutschland und einer Stadt wie Hamburg mit so vielen Angeboten an Schulen und Universitäten haben nicht alle die gleichen Bildungschancen. Denn das System ist immer noch diskriminierend. Es verwehrt vielen Kindern und Jugendlichen Bildung und somit den Zugriff auf andere Ressourcen.“
Aus diesem Antrieb heraus wurde SchlauFox 2008 gegründet. Aktuell gibt es sechs Projekte, die Schülerinnen und Schüler mit Nachhilfe, Coaching und Lernberatung begleiten und zu Schulabschlüssen führen. „Denn ohne Zertifikat bist du nichts“, weiß die Vorstandsvorsitzende.
Besonders am Herzen liegt ihr das Projekt „Plietsche Kinderküche“, bei der Kinder, Jugendliche und deren Eltern lernen, sich bewusst zu ernähren. Gloria Boateng bildet Studenten aus, die die Kurse leiten.
Die Schüler der Stadtteilschule Bahrenfeld, an der sie Deutsch, Technik und Religion unterrichtet, können sich in einer Schülerfirma einbringen. Die Food Ninjas sind ein Catering-Unternehmen, das kocht und liefert; dazu gehört auch Marketing und Buchhaltung. „Über das Kochen lernen die Teilnehmer so viel mehr als über Lebensmittel. Sie bekommen Selbstvertrauen und werden unabhängig“, so die 37-Jährige.
Kaum vorstellbar, dass diese starke Frau auch mal faul auf dem Sofa sitzt. „Langeweile kenne ich nicht, aber ich kann sehr gut vormittags bis 11 Uhr im Bett liegen und nichts tun.“ Wie beruhigend.