Hamburg.

Von meinem Dorf im Kreis Segeberg bis zur Redaktion im Hamburger Zentrum sind es 45 Kilometer. 21 Jahre lang bin ich die Strecke mit dem Auto gefahren, meistens habe ich 40 bis 45 Minuten gebraucht. Die Bahn zu nehmen hätte mich 80 Minuten gekostet.

Selbst als man begann, die A 7 völlig umzukrempeln, blieb ich unter einer Stunde Fahrzeit. Der Verkehr floss zwar langsamer, aber in der Regel stetig. Dann verlor Hamburg die Kontrolle über seine Stadtbaustellen. Wie Unkraut wucherten sie auf den großen Einfallstraßen. Und niemand hatte eine plausible Erklärung, woher die plötzlich alle kamen. Meine Fahrzeit pendelte sich bei 70 Minuten ein. Die Schmerzgrenze war erreicht!

Seit drei Monaten fahre ich nun Bahn. Bis zur Firma am Großen Burstah in der Innenstadt dauert das zwar immer noch länger als mit dem Auto, aber was sind schon zehn Minuten. Vor allem wenn man bedenkt, was da alles inklusive ist. Zum Beispiel Oldtimer fahren – mit den uralten Dieselzügen der AKN. Die können zwar auch im Sommer ihre Heizung offenbar nicht abstellen, dafür aber machen die noch richtig Tempo und so viel Krach, dass man die sinnbefreiten Handygespräche der Nachbarn kaum noch hört.

Und überhaupt – die vielen menschlichen Begegnungen, in deren Genuss man als einsamer Autofahrer gar nie kommt. Manchmal sind zwar mehr Leute in einem Zug, als darin überhaupt Platz haben, aber dann rückt man halt noch mal ein bisschen zusammen – oder besser: Man wird zusammengerückt.

Und das hat ja auch seine praktischen Seiten: Es dämpft den Lärm des Oldtimers, und bei 30 Grad im Schatten verdichtet es die Vielfalt der olfaktorischen Eindrücke zu einem Gesamtbild, das man nur hier und sonst nirgendwo geboten bekommt.

Aber alles in allem: Das Umsteigen hat sich gelohnt. Allein schon wegen der vielen Bücher, die ich in den vergangenen drei Monaten zusätzlich lesen konnte. Dazu gehörte – endlich – auch „Zug um Zug“ von Helmut Schmidt und Peer Steinbrück. Kein Witz!