Hamburg. Hamburger Traditionswerft Pella Sietas baut Prototypen, der mit Strom betrieben wird. Überzeugt das Schiff, könnte es in Serie gehen.

Die Hadag Seetouristik und Fährdienst AG stößt das Fenster zur Zukunft auf: Das Tochterunternehmen der Hamburger Hochbahn lässt auf der Hamburger Werft Pella Sietas den Prototyp einer neuen Hafenfähre bauen, die größer ist als die bisherigen und mehr Passagiere aufnehmen kann. Herzstück wird aber der neue Antrieb der Fähre sein: Das Schiff wird mit Elektromotoren fahren. Sollte sich der Antrieb bewähren, wird die Hadag ein zweites Schiff bauen lassen. Das bestätigte die Hadag auf Nachfrage des Abendblatts. Langfristig ist die Umstellung der gesamten Flotte geplant.

Die den Hamburgern vertraute „Bügeleisen“-Form der derzeitig in Betrieb befindlichen Hafenfähren wird sich nicht ändern. Auch die Länge des neuen Schiffs von knapp 30 Metern bleibt gegenüber den Vorgängermodellen gleich. Mit 8,40 Metern wird sie aber fast einen halben Meter breiter, und anstatt 250 Passagiere, soll das neue Schiff 400 Passagiere aufnehmen können.

Abwärme wird zu Klimatisierung genutzt

Damit reagiert die Hadag auf den zunehmenden Transportbedarf. Zudem greift das Unternehmen den Wunsch der Hamburger Regierung auf, den Hafen klimafreundlicher zu gestalten. Denn das Schiff setzt neue Standards. Es wird leiser als herkömmliche Fähren. Die neue Form des dieselelektrischen Antriebs spart Kraftstoff und damit Kohlendioxid. Die Abwärme des Motors wird zur Klimatisierung des Fahrgastraumes genutzt. Die Abgasanlage erhält ein komplexes Filtersystem mit dem Rußpartikel und Stickoxide aus den Abgasen gefiltert werden.

Das ist notwendig, weil die neue Fähre wie herkömmliche Schiffe zwei Dieselgeneratoren haben wird. Anders als bei den alten Fähren werden diese aber nicht mehr direkt die Schiffspropeller antreiben. Die beiden Schiffsdiesel sind lediglich dazu da, Strom herzustellen. Dieser versorgt zwei Elektromotoren mit Energie, die die Propeller antreiben. Der Vorteil: Die Dieselgeneratoren laufen gleichmäßig in einem besonders spritsparenden Drehzahlbe- reich und müssen nicht mehr wie bisher als direkte Antriebsaggregate ständig hoch- und runtergefahren werden. Wie viel Treibstoff letztlich eingespart wird, ist noch nicht völlig klar. Aber eines ist sicher: „Obwohl die neue Fähre größer wird, und mehr Passagiere aufnehmen kann, wird sie nicht mehr Energie verbrauchen als die bisherigen Schiffe“, verspricht Gabriele Müller-Rehmer, Geschäftsführerin der Hadag Seetouristik.

So soll die Hafenfähre der Zukunft aussehen
So soll die Hafenfähre der Zukunft aussehen © Hadag/Sietas | Hadag/Sietas

Die Hadag habe sich bereits vor zwei Jahren Gedanken gemacht, welche nachhaltigen Antriebsformen zu den Hafenfähren passen, erläutert sie. „Wir stellten dabei fest, dass nicht jede heute mögliche Lösung mit unserem Fahrprofil in Einklang zu bringen ist.“ Hafenfähren stehen mit ihren 120 bis 130 An- und Ablegemanövern pro Tag unter besonderer Belastung. „Die Schiffe müssen immer wieder halten und schnell beschleunigen. Das setzt hohe Anforderungen an den Antrieb – und zwar 365 Tage im Jahr“, so Müller-Rehmer.

Gebaut wird das Schiff auf der Werft Pella Sietas in Neuenfelde

Die jetzt gefundene Lösung, die Siemens entwickelt hat, sei sehr geeignet, so die Hadag-Chefin. „Uns war wichtig, dass wir im Falle eines Systemausfalls oder einer Panne, sofort hier in Hamburg auf Reparaturhilfe zurückgreifen können, ohne dass wir erst Ersatzteile vorbestellen müssen.“ Lange Ausfälle könne sich die Flotte angesichts der engen Fahrpläne nicht leisten. Gebaut wird das Schiff auf der Werft Pella Sietas in Neuenfelde, die nach einem EU-weiten Interessenbekundungsverfahren den Zuschlag erhalten hat. Im Frühjahr 2017 soll das Schiff fertig sein und voraussichtlich zunächst auf der Linie 72 zur Elbphilharmonie eingesetzt werden. Obwohl die jüngsten Hafenfähren der Hadag-Flotte von der inzwischen aufgelösten Werft SSB Oortkaten hergestellt wurden, ist Pella Sietas mit dem Schiffstyp vertraut: Die Werft hat zuletzt die beiden Fähren „Waltershof“ und „Altenwerder“ grundüberholt und modifiziert, sowie mit modernen Abgasreinigungsanlagen versehen. Den letzten Neubau für die Hadag haben die Schiffbauer aber vor einer kleinen Ewigkeit abgeliefert: Es war die „MS Kirchdorf“. 1962 bei der Werftvorgängerin J.J. Sietas gebaut. „Damit kommt das älteste Schiff unserer Flotte von dieser Werft und bald auch das jüngste“, sagt Müller-Rehmer.

Gesucht: Ein Name für das neue Schiff

Bereits im November will die Hadag-Chefin die Suche nach einem geeigneten Namen für das neue Schiff starten. „Wir denken daran, wie bei den Vorgängerschiffen einen Wettbewerb unter den Hamburgern auszuloben“, sagt Müller-Rehmer. „Die Sieger sind bei der Taufe im Frühjahr dabei.“

Eng eingebunden ist auch die Stadt, die den Bau der Fähre der Hadag über ein Darlehen vorfinanziert. Mit all den Extras wird das Schiff etwa 30 Prozent teurer als herkömmliche Fähren. Und die kosten das Stück etwa 2,5 Millionen Euro.

Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) lobt, dass die Hadag die neuen Schiffe bei Sietas bauen lässt: „Die Zusammenarbeit zweier Hamburger Traditionsunternehmen freut mich sehr. Das ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem umweltfreundlichen Fährbetrieb. Zusätzlich erhält die Sietas Werft Expertise in diesem Bereich“, sagt Horch.