Wenn es einen großen Durchbruch in Verhandlungen zu vermelden gibt, dann gibt es in der Hamburger Politik seit eineinhalb Jahren ein klares Farbenspiel: Die Fraktionsspitzen von Rot (Andreas Dressel) und Grün (Anjes Tjarks) machen das. So war es etwa bei den Bürgerverträgen zur Flüchtlingsunterbringung oder der Einigung in Sachen „Guter Ganztag“. Umso bemerkenswerter war das Farbenspiel Anfang dieser Woche – nämlich Rot-Schwarz. Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) und CDU-Fraktionschef André Trepoll verkündeten die Einigung bei der Parlamentsreform, mit der die Bürgerschaftsitzungen attraktiver gemacht werden sollen.

Es wäre aber eine reine Überinterpretation, darin den Vorboten einer Großen Koalition sehen zu wollen. Die Wahlen sind noch in weiter Ferne. Dennoch soll Anjes Tjarks ziemlich überrascht gewesen sein, als der Inhalt des Antrags für die Reformpläne ohne grüne Beteiligung bekannt gemacht wurde. Guter Brauch wäre es gewesen, wenn der kleine Koalitionspartner der SPD mit dabei gewesen wäre. Dabei ergibt die Zusammensetzung der Hauptprotagonisten inhaltlich durchaus Sinn. Trepoll hatte den Unterausschuss zur „Stärkung der Hamburgischen Bürgerschaft“ mit einem Antrag vor einem Jahr initiiert und damit offene Türen bei Veit eingerannt. Sie hat allein schon qua Amt ein großes Interesse daran, den parlamentarischen Ablauf so zu gestalten, dass sich angesichts sinkender Wahlbeteiligung wieder mehr Hamburger für die Bürgerschaft interessieren. Insofern haben beide die ideologischen Grenzen über Bord geworfen und gemeinsam an der Neuregelung gearbeitet.

Danach sollen künftig Abgeordnete in einer Senatsfragestunde den Bürgermeister oder die Senatoren ins Kreuzverhör nehmen können. Die Doppelsitzungen werden abgeschafft. Künftig kommen die Abgeordneten nur noch mittwochs, dafür aber verlässlich im Zwei-Wochen-Rhythmus zusammen. Außerdem werden die Sitzungen von 15 auf 13.30 Uhr vorgezogen und Kurzdebatten eingeführt.

Aus Trepolls Sicht dürfte es sich um eine gute Woche für die CDU gehandelt haben. Neben der Parlamentsreform, die die Bürgerschaft noch diesen Monat beschließen wird, wurde am Mittwoch bekannt, dass Manfred Jäger Leiter des Arbeitsstabes der Enquete-Kommission zur Stärkung der Kinderrechte werden soll. Der ehemalige Staatsrat ist CDU-Mitglied. Und kurz zuvor machte die Nachricht die Runde, dass Wolfgang Reichel neuer Chef der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel („Santa Fu“) werden soll. Auch er ein Christdemokrat.

Weniger zufrieden mit der Woche dürfte AfD-Fraktionschef Jörn Kruse sein. Weil er sich kritisch mit der Bundespartei auseinandergesetzt hat, wurde ihm Parteichef Bernd Baumann als Co-Fraktionschef an die Seite gestellt. Allerdings empfindet er dies nach eigener Darstellung nicht als Degradierung. Viel mehr ärgerte er sich darüber, dass seine Fraktion nicht Teil des interfraktionellen Antrags für die Parlamentsreform ist. „Ich finde das befremdlich“, sagt Kruse. Schließlich sei er eines der „aktivsten Mitglieder“ des Unterausschusses Stärkung der Hamburgischen Bürgerschaft gewesen. Er habe eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht.

Tatsächlich steht er mit dieser Position nicht alleine da. So sagt etwa CDU-Fraktionschef Trepoll, dass es nichts bringe, die AfD in die Opferrolle zu drängen. „Es geht um unsere Geschäftsordnung, nicht um politische Inhalte.“ Allerdings hat Trepoll auch eine ganz eigene Meinung zu den Aktivitäten Kruses. „Einen Vorschlag zur Stärkung von Minderheiten-Rechten hat die AfD eins-zu-eins bei uns abgeschrieben.“ Auch der FDP-Verfassungspolitiker Kurt Duwe sieht die Ausgrenzung der AfD kritisch. „Auch die Linken haben extremistische Bewegungen. Ich halte es für problematisch, Parteien in eine Opferrolle zu drängen.“ Das Motto „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“ sei „Kinderkram“. Grund dafür, dass alle in der Bürgerschaft vertretenen Parteien außer der AfD auf dem Antrag stehen, ist das Dogma der Linken. „Wir möchten mit der AfD nicht auf einem Antrag stehen. Auch nicht bei Geschäftsordnungsfragen“, sagt Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion. Die AfD arbeite aus ihrer Sicht mit Ressentiments und habe dies zum Prinzip erhoben. Ihre Fraktion habe in der Vergangenheit immer wieder klargemacht, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD geben werde.

Und so hat es sich bei interfraktionellen Fragen eingespielt, dass die AfD automatisch nicht auf den Anträgen landet. Zwar gibt es selbst bei den Grünen den Grundsatz, inhaltlich nicht, aber dafür organisatorisch zusammenzuarbeiten. Doch wenn es die Wahl AfD oder Linke gibt, entscheidet man sich gegen die AfD. Genauso handhabt es die SPD. Wenn man nicht muss, dann arbeitet man nicht zusammen.

Die Aufregung der AfD verpuffte dann doch noch. Deren Fraktionsgeschäftsführer beschwerte sich unter anderem bei Bürgerschaftspräsidentin Veit darüber, dass die AfD von einer Mitarbeit an dem Antrag ausgeschlossen wurde. In ihrer Antwort verwies Veit auf eine E-Mail aus der Vorwoche, in der sie alle Ausschuss-Mitglieder bat, sich bei ihr zu melden, „wenn noch Unklarheiten oder Änderungswünsche bestehen“. Kleinlaut musste AfD-Fraktionschef Kruse eingestehen, dass er die E-Mail erhalten, aber erst eine Woche später gefunden habe – im Junkmail-Ordner.