Hamburg. 35.000 Artikel sind in der Filiale in Wandsbek im Angebot. 80 Prozent der Produkte sind unter eigenem Label hergestellt.
Um kurz vor neun Uhr am Montag brandet ein Jubelschrei durch das neue Geschäftshaus W1 an der Wandsbeker Marktstraße – und sorgt für verdutzte Gesichter im Erdgeschoss. Ein Metalltor wird hochgefahren, die Rolltreppe springt an, und erste Kunden fahren in den ersten Stock. Als sie oben sind, laufen sie durch ein Spalier von klatschenden Verkäufern. „Wo bin ich hier gelandet?“, scheinen sich Besucher zu fragen. Die Antwort: In der ersten Filiale der französischen Sportladenkette Decathlon in der Hansestadt.
„Die Hamburger wurden noch nicht richtig bedient. Für 1,8 Millionen Einwohner gibt es sehr wenige Sportläden“, sagt Filialleiter David Nix, der zuvor seine Mitarbeiter mit einem Schlachtruf auf den Eröffnungstag eingeschworen hat. Bei Decathlon finde jeder sein passendes Outfit – von Markenherstellern wie Adidas und Nike bis hin zu Billiganbietern. Preisgünstig will das Unternehmen sein, das mit mehr als 70.000 Mitarbeitern, einem Jahresumsatz von 9,1 Milliarden Euro und 1030 Filialen einer der größten Hersteller und Verkäufer von Sportartikeln weltweit ist.
Vor allem auf ihre 20 Eigenmarken setzen die Franzosen. 80 Prozent der Produkte sind unter eigenem Label hergestellt. Läufer können auf die Hausmarke Kalenji, Ballsportler auf Kipsta und Wanderer und Skilangläufer auf Quechua zurückgreifen. Das „2Seconds Wurfzelt“ der Marke ist das bekannteste Produkt der Kette. Am Konzern-Campus in Villeneuve-d’Ascq (Nordfrankreich) arbeiten mehr als 530 Ingenieure und 150 Produktdesigner. Sie entwickeln jährlich bis zu 2800 Artikel und reichen 40 Patente ein. Für jede Warengruppe gebe es eigene Entwicklungsteams, heißt es. So sitzen die Designer für den Bergsport am Montblanc, die für den Wassersport am Atlantik.
Unternehmen stieß lange Zeit auf Ablehnung
Der Preis steht dabei immer im Fokus. Wer den Hauptgang entlanggeht, der ähnlich breit wie in einem Baumarkt ist, wird immer mit dem günstigsten Preis in den Seitengang gelockt. Erhältlich sind beispielsweise Laufschuhe für 12,99 Euro, ein Rucksack für 2,99 Euro oder ein Herzfrequenzmesser für 17,99 Euro. Wegen solcher Kampfpreise wurde Decathlon schon mal als Aldi der Sportartikelläden bezeichnet. Für Genevieve Mulack aus dem Presseteam des Unternehmens der falsche Vergleich. „Wir haben die ganze Wertschöpfungskette in der Hand, von Forschung und Entwicklung über Produktion bis zu Logistik und Verkauf“, sagt Mulack. Deswegen könne man günstigere Preise als die Konkurrenz anbieten. Für jedes Produkt gebe es einen eigenen Manager, das Preis-Leistungs-Verhältnis sei hoch. Beispielsweise würden E-Bikes der Eigenmarke in Oldenburg beim größten deutschen Fahrradhersteller Derby Cycle gebaut, der auch Traditionsmarken wie Kalkhoff oder Raleigh fertigt. „Die Bezeichnung ,Ikea des Sports‘ finde ich passender“, sagt der 32 Jahre alte Nix.
Beim Verband Deutscher Sportfachhandel (VDS) stieß das Unternehmen lange Zeit auf Ablehnung. „Wir haben Decathlon lange bekämpft. Aber das ist vorbei“, sagt VDS-Präsident Werner Haizmann. „Decathlon kommt und wird immer stärker.“ Die Filiale in Hamburg ist die 35. in Deutschland. Die Entwicklung sei nicht aufzuhalten, auch weil die Familie des Gründers Michel Leclercq finanzstark sei und Durststrecken durchstehen könne. Der Verbandschef, der die Interessen von 2200 Mitgliedern vertritt, sorgt sich vor allem um kleinere Händler. „Lokalen Sportartikelhändlern nimmt Decathlon viel Kaufkraft weg“, sagte Haizmann. Der Fachhandel setzte bundesweit im vergangenen Jahr 7,373 Milliarden Euro um. Das war ein leichtes Plus von 0,9 Prozent.
Filialleiter Nix hält sich mit einer Prognose zu den Geschäftserwartungen zurück. Nur so viel: Mehrere Tausend Kunden in der Woche erwartet der studierte Wirtschaftswissenschaftler mit seinem 50 Personen großen Team – nach seinen Angaben übertariflich bezahlt mit Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Gewinnbeteiligung. Auf 3000 Quadratmetern bietet Decathlon in der ersten Hamburger Filiale rund 35.000 Artikel für gut 70 Sportarten. Schwerpunkte sind Rad-, Wasser- und Bergsport. „Hamburg ist eine sehr sportliche Stadt“, sagt Nix und meint damit zum einen die Aktivität der Einwohner und zum anderen Großereignisse wie Marathon, Triathlon und Cyclassics. Den Standort in Wandsbek – einige Kilometer entfernt von der Einzelhandelshochburg Innenstadt mit Mönckeberg- und Spitalerstraße – sieht das Unternehmen als gut an. Mulack: „Hier in der Nähe wohnen sehr, sehr viele Familien, die wir vor allem ansprechen wollen.“