Hamburg. Ideenschmiede für ein gemeinsames Haus: In Poppenbüttel soll es entstehen. Azubis und Studierende planen und üben schon mal.

Als es eigentlich endlich losgehen sollte, standen alle etwas verloren herum. Wie entwickelt man Ideen für etwas, das es in Hamburg noch nicht gibt: ein Begegnungshaus für Flüchtlinge und Anwohner? Und wie kann das Projekt funktionieren, wenn die Beteiligten – Studierende, Auszubildende in Handwerksberufen, Flüchtlinge, Hochschullehrer und Nachbarn – sich zum großen Teil überhaupt nicht kennen? Ach ja, es wäre auch gut, etwas zu essen zu organisieren ...

„Es waren die Auszubildenden, die gesagt haben: Jetzt fangen wir einfach an, wir bauen erst einmal Tische“, erzählt Thomas Littmann vom Verein „Poppenbüttel hilft“. „Dann war der Bann gebrochen.“ Als ein paar Tage später – Tische und Bänke aus groben Tischlerplatten waren fertig – dunkle Wolken über dem Poppenbütteler Himmel aufzogen, zimmerten die tatkräftigen Azubis schnell einen Dachstuhl, montierten ihn auf Ständer und tackerten Plastikplanen an die Bohlen. Als der Regen schließlich kam, saßen alle trocken unter dem provisorischen Dach.

Zwei Wochen lang treffen sich etwa 50 zumeist junge Menschen am Rand des künftigen Neubaugebiets Poppenbütteler Berg / Ohlendieck. „Summer School“ – Sommerschule – nennt sich das Projekt, bei dem es darum geht, recht konkrete Ideen, Entwürfe und Prototypen für das Begegnungshaus zu entwickeln, das im Herbst des kommenden Jahres auf der anderen Seite der großen, noch unbebauten Fläche gegenüber dem Golfclub Treudelberg entstehen soll. Der Clou: Diejenigen, die jetzt zusammenkommen – Azubis, Studierende und Geflüchtete – werden das Gebäude am Ende auch selbst bauen.

„Wir üben schlicht, um für die Praxis zu lernen“, sagt Prof. Bernd Kniess, Dekan des Bereichs Städtebau an der HafenCity Universität (HCU). Die HCU und der Verein Poppenbüttel haben zu dem zweiwöchigen Workshop unter freiem Himmel eingeladen. Gekommen sind rund 30 Studierende, ein Drittel von ihnen ist an der HCU eingeschrieben. Der größere Teil der Architektur- und Städtebau-Studenten, die die Gelegenheit zur Arbeit am konkreten Objekt nutzen, kommt nicht aus Hamburg: Sie studieren in Triest, Mailand, Rom oder der Ukraine oder an anderen deutschen Universitäten. Untergebracht sind sie bei Poppenbütteler Familien.

Die Studentinnen Carolina (links) und
Anna bauen eine Bank
Die Studentinnen Carolina (links) und Anna bauen eine Bank © HA | Roland Magunia

Für die praktische Seite des Hausbaus sind die gut zehn Auszubildenden der Gewerbeschule 19 für Bautechnik in Nettelnburg angerückt. „Es ist für meine Schüler total spannend, hier mit Studenten und Geflüchteten aufeinanderzutreffen“, sagt Schulleiter Jens Tiedemann. Ein persönlicher Kontakt zu Thomas Littmann hatte ihn zu dem Engagement geführt. Der weite Weg von Nettelnburg nach Poppenbüttel quer durch die Stadt störe die Azubis nicht, sagt Jens Tiedemann. Schließlich haben die künftigen Zimmerleute und Maurer die Chance, hier Dauerhaftes zu schaffen. Wer zu Lernzwecken sonst zum Beispiel eine Mauer baut, muss sie hinterher häufig wieder abreißen. Und ganz nebenbei: Vom Blockunterricht in der Gewerbeschule sind die Auszubildenden für die Dauer des „Praktikums“ befreit.

Die Flüchtlinge, die mit dabei sind, kommen zumeist aus Afghanistan. „Sie haben in erheblichem Umfang handwerkliche Qualifikationen, die wir hier sehr gut gebrauchen können“, sagt Littmann. Es habe ihn beeindruckt, dass mehrere Afghaninnen gleich am ersten Tag Essen vorbeigebracht hätten.

Littmann mit Verlauf sehr zufrieden

In der zweiten Woche der „Summer School“, als das Abendblatt vorbeischaute, hatte sich die kahle Fläche in eine Baustelle verwandelt. „Offene Werkstatt, Annahme tägl. ab 10 Uhr“ steht auf einem selbst gemalten Schild am Eingang. Der lange Tisch mit dem Plastikdach lädt zur Diskussion ein. An mehreren Stellen wird gehämmert, gebohrt und gesägt. Beherrscht wird die Szene von drei übereinanderstehenden Containern – dem künftigen Infopoint. Hier nutzen die angehenden Architekten und Städteplaner einen Raum, dessen Wände voll gepflastert sind mit Ideenskizzen, Beispielen realisierter Bauten und Materialbeschreibungen.

Die Studenten diskutieren Vor- und Nachteile eines reinen Holzbaus, Holzskelett- oder Stahlskelettbaus. Eine Gruppe konzentriert sich auf die Planung einer Minigolfanlage, die neben dem Haus entstehen soll – ironische Anspielung auf den Golfplatz gegenüber.

Nachbar Thomas Littmann ist der
Motor des Projekts
Nachbar Thomas Littmann ist der Motor des Projekts © HA | Roland Magunia

Lärm verursachen auch die großen Baumaschinen, die seit Anfang der Woche über das weitläufige Gelände fahren. In wenigen Wochen werden mehrere Baukräne installiert sein, denn bis 2017 sollen rund 300 Wohnungen auf dem Feld entstehen – Eigentums- und Sozialwohnungen und eben auch Wohnungen für Flüchtlinge. So sieht es der Bürgervertrag Poppenbüttel vor.

Littmann ist mit dem bisherigen Verlauf des Projekts sehr zufrieden. Ihn freut besonders, dass das städtische Unternehmen „Fördern und Wohnen“, in dessen Regie die Flüchtlingsunterkunft laufen wird, nach anfänglicher Skepsis das Begegnungshaus-Projekt inzwischen unterstützt und einen Container voller Werkzeug bereitgestellt hat.

Im Sommer oder Herbst 2017 soll das Haus gebaut werden. Littmann hat Ideen für die Nutzung. „Ein von Geflüchteten betriebenes Café wäre sinnvoll. Hier kommen viele Spaziergänger vorbei“, sagt der engagierte Nachbar. Aber er will nicht vorgreifen, entscheiden sollen die künftigen Betreiber.