Hamburg. SPD und Grüne rufen „Dekade der Wissenschaft“ aus – FDP und CDU üben Kritik: „Absurdes Theater“

Als Hafenstadt und Metropole des Handels ist Hamburg bekannt, man nennt sich stolz „Hauptstadt der Windenergie“ und „drittgrößter Luftfahrtstandort der Welt“. Als eine Metropole der Wissenschaft wird Hamburg hingegen kaum wahrgenommen – obwohl an der Elbe mehr als 97.000 Studenten und mehrere Tausend Wissenschaftler an zwei Dutzend Hochschulen und zum Teil herausragenden Forschungseinrichtungen wie dem Desy tätig sind.

SPD und Grüne haben sich nun fest vorgenommen, das zu ändern und für das kommende Jahrzehnt die „Dekade der Wissenschaft“ ausgerufen. Schon in den Beratungen für den Haushalt 2017/2018 – mit denen der Wissenschaftsausschuss der Bürgerschaft heute um 17 Uhr im Rathaus beginnt –, solle die Strategie sichtbar werden, hatten die Fraktionschefs Andreas Dressel (SPD) und Anjes Tjarks (Grüne) kürzlich angekündigt. Doch was steckt hinter der vollmundigen Ankündigung?

Eine erste Antwort darauf gab Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) am Montag, als sie eine kräftige Steigerung der Etats kleinerer Forschungsinstitute bekannt gab (siehe Artikel unten). Doch das war nur ein kleiner Baustein einer größeren Strategie, wie Tjarks sagt: „Wir möchten die Zahl der Studenten perspektivisch über die magische Marke von 100.000 heben, möchten mehr Exzellenz-Cluster an der Universität etablieren und auch mehr Fraunhofer-Institute in der Stadt ansiedeln.“ Außerdem werde in den kommenden Jahren rund eine Milliarde Euro in Hochschul- und Forschungsgebäude investiert, davon etwa 800 Millionen Euro von der Stadt und 200 Millionen vom Bund.

„Der Wissenschaftsstandort Hamburg ist in vielen Bereichen herausragend“, sagt SPD-Wissenschaftsexperte Sven Tode. Er kann aus dem Stegreif eine halbe Stunde lang darüber referieren, was alles wo im Entstehen ist und was jeweils investiert wird, kommt aber selbst zu dem Schluss: „Das wird aber noch zu wenig so wahrgenommen.“ Bis zum Jahr 2019, wenn die Universität Hamburg ihren 100. Geburtstag feiert, solle sich das ändern.

Handelskammer: „Feuer und Flamme für Wissenschaft“

Dabei geht es Rot-Grün nicht nur um den Ruf der Stadt, sondern auch um ihre wirtschaftliche Zukunft. Denn dass der Hafen allein die nicht sichern kann, gilt mittlerweile weitgehend als Konsens. Die anhaltende Krise der Schifffahrt hat bei vielen Wirtschaftsexperten ein Umdenken bewirkt – nicht zuletzt bei der Handelskammer. „Forschung und Entwicklung sind der entscheidende Hebel für zukünftiges Wachstum“, hatte Präses Fritz Horst Melsheimer in seiner Silvester-Ansprache gesagt und eine Kampagne „Feuer und Flamme für Wissenschaft und Forschung“ gefordert. Dafür solle der Senat die 1,2 Milliarden Euro investieren, die für Olympia 2024 eingeplant waren. Die Rathaus-Koalition beruft sich mittlerweile offen auf die Worte des Kammer-Chefs – was zumindest bei den Grünen nicht jedem im Blut liegt.

Einige Maßnahmen sind bereits angestoßen: So hat die Technische Universität Hamburg-Harburg bereits Pläne vorgestellt, die Zahl ihrer Studenten um rund 2700 auf 10.000 zu steigern. Noch mehr visionär als konkret sind die Pläne für die Spitzenforschung. Während der Senat kurz davor steht, aus dem Fraunhofer-Center für Maritime Logistik (CML) ein eigenständiges Institut zu machen (bislang ist es eine Zweigstelle des Dortmunder Instituts), denkt Tjarks schon weiter. „Auch in der Erforschung der Windenergie und des 3-D-Drucks in Zusammenarbeit mit Airbus ist Hamburg führend. Denkbar ist, dass diese Einrichtungen zu eigenständigen Fraunhofer-Instituten weiterentwickelt werden.“

Unklar ist allerdings noch, inwiefern sich die rot-grünen Ansagen auch finanziell niederschlagen werden. FDP-Wissenschaftsexperte Wieland Schinnenburg konnte dafür im Haushaltsentwurf 2017/2018 keinen Hinweis finden. Zwar seien die acht Millionen Euro pro Jahr, die Fegebank in den Koalitionsverhandlungen herausgeschlagen hatte, eingeplant. Allerdings müsse die Behörde auch „globale Minderkosten“ von neun Millionen Euro tragen, also irgendwo einsparen. „Im Ergebnis hat Senatorin Fegebank sogar weniger Geld zur Verfügung“, so Schinnenburg.

Diesen Zusammenhang weist die Behörde zurück. Die acht Millionen würden wie zugesagt zusätzlich in die Landesforschungsförderung und an kleine Hochschulen fließen. Die Sparvorgaben werde man dagegen erbringen, indem Ausgabe-Ermächtigungen aus den Vorjahren abgebaut würden. Tatsächlich wachse der Wissenschaftsetat pro Jahr um rund 2,5 Prozent. Klar ist aber auch: An den Hochschulvereinbarungen, wonach die Mittel der Unis pro Jahr nur um 0,88 Prozent wachsen, ändert sich vorerst nichts.

Schinnenburg spricht vom „Kaputtsparen der Hochschulen“ und kritisiert die Ankündigung von der Stärkung des Standorts daher als „absurdes Theater“. Ähnlich sieht es CDU-Wissenschaftsexperte Carsten Ovens: „Keine der Ankündigungen von SPD und Grünen findet sich im rot-grünen Haushaltsplan wieder. Deshalb bleibt vollkommen offen, ob es wirklich mehr Geld geben wird oder ob es sich nur um ein leeres Versprechen handelt.“