Hamburg. Bürgerschaft berät über städtischen Etat für 2017/2018. CDU und FDP kritisieren Absenkung der Reserven
Das Einbringen eines Haushaltentwurfs des Senats in die Bürgerschaft hat im hektischen Parlamentsalltag einen besonderen Status. Nicht nur, weil es diesen Vorgang nur alle zwei Jahre gibt, sondern auch wegen der inhaltlichen Bedeutung: Wenn der Doppelhaushalt 2017/2018 nach monatelanger Beratung im Dezember beschlossen wird, dann bildet er die Leitplanken für die gesamte Hamburger Politik der kommenden zwei Jahre.
Und dann war da ja noch die Sache mit Carsten Frigge: Der damalige CDU-Finanzsenator hatte 2010 die Einbringung für einen Paukenschlag genutzt und war am Ende seiner Rede zurückgetreten – was im Übrigen das Ende von Schwarz-Grün massiv beschleunigte und mit dazu führte, dass seit 2011 Peter Tschentscher (SPD) in der Finanzbehörde das Sagen hat.
Einen ähnlichen Paukenschlag wie sein Vorgänger, so viel sei vorab verraten, hatte der heutige Finanzsenator zwar nicht im Gepäck. Aber auch Tschentscher gab dem Zahlenwerk am Mittwoch in der Bürgerschaft eine historische Dimension. Der rot-grüne Senat lege einen Haushalt vor, der „zum ersten Mal seit Jahrzehnten kein Finanzierungsdefizit ausweist“, betonte der Senator. Zwar kam der Kernhaushalt der Stadt (also ohne öffentliche Unternehmen) schon seit 2014 ohne Neuverschuldung aus und hat schon Überschüsse von bis zu 400 Millionen Euro produziert, aber das war damals nicht geplant, sondern vor allem der guten Konjunktur und den historisch niedrigen Zinsen geschuldet.
Im Unterschied dazu wird nun für 2017 von vornherein mit einem Überschuss von 29 Millionen Euro geplant und für 2018 mit 220 Millionen – bei Ausgaben von rund 13 Milliarden Euro pro Jahr. Das gelinge nur wenigen Bundesländern, sagte Tschentscher: „Keinen Euro aus dem Umsatzsteuervorwegausgleich, keinen Euro aus dem Länderfinanzausgleich, keinen Euro aus Bundesergänzungszuweisungen oder Konsolidierungshilfen und dennoch Überschüsse im Gesamthaushalt, das gibt es nur in Bayern, Baden-Württemberg und in der Freien und Hansestadt Hamburg.“
Allerdings verwies er auch darauf, dass der Etat nach kaufmännischer Betrachtungsweise, also unter Einbeziehung von Abschreibungen und Pensionsverpflichtungen, immer noch „deutlich unter Wasser“ sei. Dieses „doppische Defizit“, das 2017 bei gut einer Milliarde Euro liegen wird, soll bis 2024 sukzessive auf null sinken.
CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer kritisierte, dass sich der Senat auf den guten Rahmenbedingungen ausruhe. So habe er wegen der niedrigen Zinsen seit 2011 eine Milliarde Euro gespart, und dennoch habe der Rechnungshof auf die Frage, ob Hamburg 2020 wohl die Schuldenbremse einhalten werde, fünf von zwölf Ampeln auf Gelb gestellt. „Diese Warnsignale müssen wir ernst nehmen“, sagte Kleibauer. Der Senat steigere aber die Ausgaben um sechs Prozent und senke sämtliche Risikopuffer ab, das sei „weder krisenfest noch glaubwürdig“.
Jennyfer Dutschke (FDP) sagte, Rot-Grün rolle mit dem Haushalt „ein trojanisches Pferd vor das Rathaus-Tor, dessen Ladung es in sich hat“. Reservepositionen würden aufgebraucht, die Verschuldung in öffentlichen Unternehmen außerhalb des Haushalts erhöht und Personal nicht ab-, sondern aufgebaut. Ihr Fazit. „Rot-Grün ruiniert so den Haushalt und versucht das mit viel Aufwand zu verschleiern.“
Die Regierungsfraktionen wiesen die Vorwürfe zurück. Ja, es würden mehr Lehrer, Polizisten und Feuerwehrleute eingestellt, sagte Jan Quast (SPD) und fragte: „Wer will das kritisieren?“ Farid Müller (Grüne) räumte in Richtung CDU ein, dass die Reserven geringer seien: „Das ist die Kehrseite von ,Wir schaffen das’.“ Die Länder müssten halt die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung finanzieren. „Wir tun das gerne, aber wir lassen uns das nicht von Ihnen vorwerfen.“
Einen anderen Akzent setzte Norbert Hackbusch (Linkspartei): „Wir sehen Hamburg nicht als Unternehmen, wo es darauf ankommt, ob es Gewinn macht.“ Er freue sich zwar, dass keine Schulden mehr gemacht werden, aber entscheidend sei, ob die Stadt ihren sozialen Verpflichtungen nachkomme. Der Senat „ignoriere“ aber soziale Fragen, etwa die auf 18,4 Prozent gestiegene Armutsgefährdungsquote.
Während Hackbusch den Haushalt „intransparent“ nannte, machte er auf AfD-Fraktionschef Jörn Kruse „einen soliden Eindruck“, auch wenn er ihn noch nicht durchschaut habe. Auf den ersten Blick sehe er viel Konsumtives und wenig Investitionen. Das sei einerseits verständlich, weil die Regierung dafür immer erst Jahre später Applaus erhalte, andererseits wundere ihn das, so Kruse, denn die SPD werde doch „auch in fünf oder zehn Jahren“ noch den Bürgermeister stellen – eine Bemerkung, die für große Heiterkeit bei Amtsinhaber Olaf Scholz (SPD) sorgte.