Schwerin/Hamburg. Hamburger Spezialkräfte wollen eine Rotlichtgröße festnehmen, schießen dabei dem falschen Mann ein Auge aus. Nun wird er angeklagt.

Erst hat er ein Auge verloren, nun wird ihm auch noch der Prozess gemacht: Sechseinhalb Monate, nachdem einem 27-Jährigen Hamburger bei einem Polizei-Einsatz in Mecklenburg-Vorpommern ein Auge ausgeschossen wurde, hat die Schweriner Staatsanwaltschaft Anklage gegen das Opfer erhoben. Dem Hamburger wird demnach vorgeworfen, bei dem Zwischenfall am 12. Februar in Lutheran (Landkreis Ludwigslust-Parchim) mit seinem Wagen eine Sperre aus Zivilfahrzeugen der Polizei durchbrochen und dabei einen Beamten des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) Hamburg verletzt zu haben.

Der 27-Jährige war an diesem Februartag in einem geliehenen Auto unterwegs, das einem Gesuchten aus dem Rotlichtmilieu gehörte. Dieser war wegen Körperverletzung in Hamburg zu zwei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden, zum Haftantritt jedoch nicht erschienen. Kräfte des MEK Hamburg keilten den Wagen, in dem sie den Mann vermuteten, mit zwei Zivilfahrzeugen ein und wollten ihn festnehmen. Der Gesuchte befand sich aber nicht im Auto.

Der Polizist habe "in Nothilfe" geschossen

Beim Einkeilen soll der 27-Jährige am Steuer das Auto stark beschleunigt und ein Einsatzfahrzeug vor sich gerammt haben. Ein Polizist vor diesem Fahrzeug sei von dem Wagen erfasst und am Knie verletzt worden. Ein anderer Polizist habe zwei Warnschüsse abgegeben, ein dritter schließlich „in Nothilfe“ auf den Autofahrer geschossen. Dieser wurde am Kopf getroffen und lag mehrere Tage im Koma.

Die Ermittlungen gegen den Schützen wegen Körperverletzung im Amt wurden inzwischen eingestellt. Er hat nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft Schwerin rechtmäßig gehandelt. Der Anwalt des angeschossenen Opfers hatte zuvor schwere Vorwürfe gegen die Polizei erhoben, weil sie im Vorfeld nicht sicher ermittelt habe, wer im Auto sitze. Zudem seien die Beamten mit Leder- und Armeejacken sowie Sturmhauben nicht als Polizisten erkennbar gewesen, weshalb sein Mandant zunächst an einen Verkehrsunfall, dann an einen Überfall geglaubt habe.

Einen Monat nach dem Zwischenfall von Lutheran meldete sich die gesuchte Rotlichtgröße schließlich selbst zum Haftantritt.