Hamburg. CDU-Innenminister fordern ein eingeschränktes Verbot. Hamburger Politik gespalten. Muslime sprechen von Scheindebatte.
Ein Überwurf mit einem kleinen Gitter vor den Augen. Was für die einen nur ein Stück Stoff ist, der der Religionsausübung dient, ist für die anderen politischer Zündstoff. Die Burka sorgt derzeit deutschlandweit für Diskussionen. Mal wieder. Anlass ist dieses Mal die sogenannte „Berliner Erklärung“, die die CDU- und CSU-Innenminister der Länder heute verabschiedet haben. Darin fordern sie unter anderem ein Verbot der Vollverschleierung im öffentlichen Dienst, in Schulen und auf Ämtern. Verstöße sollten als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Nach Angaben von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) muss nun auf verschiedenen Ebenen geprüft werden, wie diese Verbote umgesetzt werden können.
Auch die Hamburger CDU hatte sich zuvor für ein Komplett-Verbot ausgesprochen. „Die Burka ist kein Ausdruck der Religionsfreiheit, sondern ein Ausdruck der Unterdrückung der Frau. Die Vollverschleierung passt nicht in unsere freiheitliche und offene Gesellschaft, in der sich die Menschen ins Gesicht schauen“, sagt Dennis Gladiator, innenpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion.
Die Burka ist für viele zum Feindbild geworden. Ein Gegenentwurf zu der freiheitlichen Welt, in der wir leben und in der Frauen und Männer gleichgestellt sind. Und die Fronten zwischen Gegnern und Befürwortern sind längst verhärtet.
"CDU begibt sich auf AfD-Niveau"
Mustafa Yoldas, Vorsitzender der Schura - dem Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg - spricht von einer Schein-Debatte. Er selbst habe in Deutschland noch keine Burka gesehen. „Ein Burka-Verbot in Deutschland zu fordern, ist in etwa so realitätsfern, wie ein Abschuss-Verbot für Kängurus.“ Über die „Phantom-Debatte“ würden Parteien jetzt versuchen, sich mit islamkritischen Ressentiments zu profilieren.
Dem pflichten die Linken in Hamburg bei. Bürgerschaftsabgeordnete Christiane Schneider: „Mit der Forderung nach einem Burka-Verbot begibt sich die CDU auf ein gefährliches AfD-Niveau. Es geht dabei überhaupt nicht um Sicherheit: Hier soll mit anti-islamischen Ressentiments Stimmung gemacht werden. Eine Debatte über Bekleidung hat in der Innen- und Sicherheitspolitik nichts verloren.“ Auch Hamburgs Zweite Bürgermeisterin und Gleichstellungssenatorin sagte Katharina Fegebank (Grüne) sagte: „Als Gleichstellungssenatorin lehne ich die Burka ab. Trotzdem muss man hinterfragen, wozu die Union diese Debatte führt und wohin sie führt. Die Union selbst muss einräumen, dass die Zahl von Burkaträgerinnen bei uns verschwindend gering ist. Mit Terrorismusbekämpfung hat das Ganze auch nichts zu tun. Wozu also diese Diskussion?"
Es ist schwierig. Tatsache ist, dass es keine validen Zahlen dazu gibt, wie viele Frauen in Deutschland oder in Hamburg eine Burka tragen.
Für Geschäfte in der Hansestadt, die muslimische Frauenkleidung anbieten, spielt die Burka derzeit nach Abendblatt-Recherchen keine Rolle. In keinem der besuchten Geschäfte in St. Georg sind Burkas erhältlich.
Der Grossist unter den Geschäften für muslimische Kleidung ist der Lindenbazar an der Böckmannstraße. Er bietet weder Burka noch Nikab an (siehe Übersicht). „Keine Nachfrage“, sagt Ahmet Yazici, der 26 Jahre lang der Geschäftsführer des Lindenbazars war. Er sagt: „In den vergangenen 20 Jahren habe ich vielleicht zwei, drei Nikab-tragende Frauen in Hamburg gesehen. Und soweit ich weiß, waren das deutsche Konvertitinnen. Eine Burka habe ich noch nie gesehen.“ Und weiter: „Keine Muslima muss einen Vollschleier tragen. Um die Kleidervorschriften einzuhalten, reicht ein einfaches Kopftuch.“
Mit Burkas lässt sich kein Geschäft machen
Dementsprechend groß ist die Auswahl an Kopftüchern im Lindenbazar. Feine Seide, Stretchstoffe, Überzieher aus der Plastikpackung („Ninja-Bone“), grelle Farben, bunte Muster, gedeckte Töne. Die günstigsten Kopftücher gibt's ab 5,99 Euro. Auch in dem Geschäft „Hayul musallin“ am Steindamm gibt es keine Burkas, dafür aber eine kleine Auswahl Nikabs. Nach Angaben des Inhabers verkauft er davon etwa zehn pro Jahr, meist ebenfalls als Konvertitinnen. „Damit lässt sich jedenfalls kein Geschäft machen“, sagt er.
Kaum oder keine Burkas? Reichen ein paar Hundert Vollschleier in Deutschland aus, um ein Gesetz zu erlassen? Oder ist die Zahl dafür irrelevant? Und was könnte in so einem Gesetz stehen?
Grundsätzlich gilt: Um ein Burka-Verbot umzusetzen, braucht es eine rechtliche Grundlage. Was das im konkreten Fall heißt, erklärt der Hamburger Staatsrechtsprofessor Ulrich Karpen. „Es geht hier kurz gesagt um eine Abwägung zwischen den Freiheitsrechten der Burka-Trägerinnen und den Freiheitsrechten der übrigen Mitglieder der Gesellschaft. Die Artikel drei und vier des Grundgesetzes spielen eine entscheidende Rolle: Niemand darf wegen seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt werden und die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. „Beides sind starke grundrechtliche Pfeiler, die im Falle der Burka aber an die Grenzen der Menschenwürde und der Persönlichkeitsrechte anderer stoßen“, so Karpen. „Wir leben in einer offenen Gesellschaft, in der die Menschen als Personen agieren, das heißt erkennbar, transparent und mit offenem Visier.“
"Von der Verschleierung geht keine konkrete Gefahr aus"
Würde man das Ordnungsrecht zur Argumentation für ein Burka-Verbot heranziehen, müsste laut Karpen von der Verschleierung eine konkrete Gefahr für die öffentliche Ordnung ausgehen. Das sei jedoch nicht der Fall. „Hier geht es höchstens um eine abstrakte Gefahr für den Gemeinschaftsfrieden, weil Menschen daran Anstoß nehmen können. Das wird dem Bundesverfassungsgericht nicht reichen.“ Seiner Meinung nach wäre unter dem Strich nur ein Mittelweg ausreichend begründbar. „Ich halte es für vertretbar, das Tragen der Burka in öffentlichen Einrichtungen wie Ämtern, Behörden, Gerichten, Schulen und Krankenhäusern zu verbieten, weil sich hier die Menschen in besonderem Maße als erkennbare Personen begegnen müssen. Die Burka allerdings vom jedem x-beliebigen Platz zu verbannen, halte ich für rechtlich nicht möglich.“
Berufskollegen werten das anders. Der Staatsrechtler Rupert Scholz etwa. Er sagt, dass ein Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit durchaus machbar sei und verweist auf Frankreich, wo die Vollverschleierung seit Jahren verboten ist. Ulrich Karpen hält dagegen: „Frankreich hat das Verbot mit dem Laizismus begründet, also der konsequenten Trennung von Kirche und Staat. Folgerichtig kann man dann argumentieren, dass die Religion in der Öffentlichkeit nichts zu suchen hat. Mit Deutschland, wo der Staat Kirchensteuer einzieht und es konfessionsgebundenen Religionsunterricht gibt, ist das nicht vergleichbar.“